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Sondern für Christus, den Herrn, den Tod zu erleiden entschlossen,

Er mit dem eigenen Blut sich die Wohnung des Himmels erworben.

Er vor allen beschütze nun auch die Herrschaft des Königs

Und Theodora's Macht, der von Gott gekröneten Kön'gin,

Die in Frömmigkeit strahlend mit unablässiger Sorge

Eifrig zu pflegen sich mühet des Landes segnenden Wohlstand.

Mahommed II., der Eroberer Constantinopels, verwandelte die Kirche in eine Moschee, und sie wird jetzt von den Türken Kutschuk
aja Sotia. d. h. die kleine agia Sophia, genannt; eine Bezeichnung, die in mancher Beziehung viel Treffendes hat.

In der Anordnung des Grundplanes und der Gewölbe zeigt sich schon die eigenthümliche Entwickelung der Byzantinischen Schule.
In der Mitte der quadratischen Umfassung erhebt sich das hohe Schiff, mit einer Kuppel überdeckt und von zweistöckigen gewölbten
Hallen umgeben. Die Kuppel wird von acht, in die Winkelpunkte eines Achtecks gestellten Pfeilern getragen: vier Zwischenräume dieser
Pfeiler überkreuz sind mit kurzen Tonnengewölben überspannt, die vier anderen nehmen Halbkreisnischen ein, mit Halbkuppeln oder
Conchengewölben überdeckt. Die vier Tonnengewölbe, von West nach Ost und von Süd nach Nord gerichtet, bezeichnen gewisser-
massen schon das Kreuz, welches in den späteren Kirchenanlagen viel deutlicher hervortritt. Zwischen diesen acht Wölbungen ist durch
acht Pendentifs eine kreisförmige Basis gewonnen, auf welcher die Kuppel mit sechszehn Rippen und eben so viel Kappen aufgeführt ist.
lieber jedem Pendentif steht eine flach ausgerundete Nische unter dem Kappengewölbe, während unter den acht übrigen Kappen gerade
Schildmauern mit Fenstern angebracht sind, und eben dieser Fenster wegen ist wahrscheinlich die Rippen- und Kappenconstruction der
Kuppel gewählt. Im Aeusseren treten die Kappengewölbe erhaben vor, indem die Bleidecke unmittelbar auf denselben liegt, und geben
der Kuppel das Ansehn einer gerippten Melone; die Fenster- und Nischenmauern bilden im Aeussern eine Art von kleinem Tambour.

Die beiden Stockwerke der Seitenhallen sind in den Zwischenräumen der Kuppelpfeiler nach dem Schiff zu durch Säulenstellungen
geöffnet, deren untere ein horizontales Gebälk trägt, während auf die oberen Säulen sich unmittelbar Bogen stützen; der Zwischenraum
gegen Osten ist jedoch frei, ohne Stockwerksbau und durch ein Tonnengewölbe verlängert, welches mit der Halbkuppel der Apsis ab-
schliesst. Den Raum unter diesem Gewölbe nahm wahrscheinlich früher das Bema ein; die im Innern halbkreisförmige Apsisnische des
Bema ist im Aeussern dreiseitig geschlossen. Längs der ganzen Westseite erstreckt sich der Narthex, dessen oberes Geschoss mit dem
oberen Stockwerk der Seitenhallen in Verbindung steht; die Gestalt der Umfassungsmauer an der Südseite scheint darauf hinzudeuten,
dass ehemals hier sich die Kirche der Apostel Petrus und Paulus angeschlossen habe.

Die Kuppelpfeiler sind von Werkstein aufgeführt, die Säulencapitäle und Gesimse bestehen aus weisslichem prokonnesischen Marmor,
die Säulenschafte theils aus demselben Material, theils aus verde antico und anderem farbigen Marmor, das übrige Mauerwerk und die
Gewölbe sind aus Backstein verfertigt.

Das horizontale Gebälk der unteren Säulenstellung, Blatt V. Fig. 6. im Detail dargestellt, welches im ganzen Schiff mit Ausnahme
des Bema mnherläuft und auf dem Friese die oben erwähnte Inschrift trägt, ist offenbar einem ähnlichen Muster nachgebildet, als das
der Johanneskirche, Fig. 1. und 3. Blatt III.; jedoch sind die Verhältnisse hier viel plumper und von den guten antiken Monumenten noch
mehr abweichend. Die Hängeplatte ist ganz unterdrückt, die untere Ansicht der Modillons nebst Zwischenfeldern, Fig. 7., weniger reich
ausgebildet, und der gebauchte Theil des Frieses hat fast ein Halbkreisprofil. So weit das Gebälk über die Kuppelpfeiler hinläuft, ist
unter demselben eine Art Kämpfer- oder Pfeilergesims angebracht, welches aus einem grossen Karniess und einer Platte besteht und
in Fig. 6. sowohl im Profil als in der Ansicht angegeben ist. Da sich in den Zwischenräumen der Pfeiler hinter diesem Gebälke das
Gewölbe der Seitenhallen verbergen muss, so hat es daselbst über dem Rinnleisten einen Aufsatz, eine Art Attika, erhalten, dessen Ober-
kante mit dem Fussboden des oberen Stockwerkes gleich hoch liegt und worauf die oberen Säulen stehen. Diese oberen Säulen, in
Fig. 3., 4. und 5. dargestellt, haben eine ganz eigenthümliche Form; das Capitäl besteht aus einem starken Wulste, aus dem vier Eck-
voluten hervortreten; der Wulst ist zwischen diesen Voluten so abgeflacht, dass ein geschweifter Contour, wie an einigen antiken jonischen
Capitälen, entsteht; über diesem Theile des Capitäls steht ein hoher viereckiger Aufsatz in Form einer abgekürzten, mit der schmaleren
Seite nach unten gewendeten Pyramide, deren Seitenflächen mit flachem Relief geziert sind, und auf diesem Aufsatze stehen unmittelbar
die Anfänge der Bogen; die Kuppelpfeiler sind in der Höhe dieser Capitäle mit einem Kämpfergesimse gekrönt, welches in Fig. 8. mit
seiner Verzierung dargestellt ist und ebenfalls die Bogenanfänge aufnimmt; der Säulenbasis fehlt der Plinthus, an dessen Stelle der oben
erwähnte Aufsatz des unteren Gebälkes tritt: der Säulenschaft ist mit den hohen Bändern an den Enden versehen.

Die Capitäle der unteren Säulen sind denen auf Blatt XVIII. Fig. 12. und 13. dargestellten ganz ähnlich, und deshalb hier nicht
besonders gezeichnet; auch mag noch bemerkt werden, dass die auf Blatt XVII. Fig. 3. und 4. gezeichneten Capitäle des Frauenchores
der Sophienkirche von denen auf Blatt V. Fig. 3. und 4. wesentlich nur in der Verzierung des Aufsatzes abweichen.

Aus der näheren Betrachtung dieser Details geht hervor, dass trotz der veränderten Constructionen und des Bestrebens der Byzan-
tinischen Künstler, denselben gerecht zu werden, dennoch bei der Ausbildung der Formen die antiken Elemente eine grosse Rolle spielen,
und man dieses Gebäude wohl mit Recht als der Uebergangsperiode angehörend betrachten kann.

Nur die Hauptdimensionen des Gebäudes sind gemessen, und war überhaupt zu seiner Aufnahme und Untersuchung nur wenig
Zeit gestattet.

AGIA SOPHIA.

BLATT VI-XXXII.
Einleitung und Geschichte.

Der Tempel der göttlichen Weisheit, ein Jahrtausend hindurch der Stolz der Christen des Orients, seit vier Jahrhunderten das
verehrte Heiligthum des Islam, bei dessen Einweihung Justinian mit hochschlagendem Herzen ausrief: «Salomon, ich habe dich besiegt!»
bildet den Glanzpunkt der Byzantinischen Schule. Wenig Werke alter und neuerer Zeit haben einen so weit verbreiteten und dauernden
Einfluss auf die Kunst geübt, als dieser Prachtbau des VI. Jahrhunderts, und an Kühnheit der Wölbungen, an Wirkung und Pracht des
Innern möchte er keinem Bauwerke ähnlicher Art vor und nach ihm weichen.

Der Dom des Pantheon des Agrippa zu Rom hat 130 Fuss Durchmesser, er ruht jedoch auf der Erde; die Sophienkuppel hat nur
100 Fuss Durchmesser, aber sie schwebt in der Luft. Im St. Peter zu Rom muss man bis unter die Kuppel vorschreiten, um sie zu
schauen, und die Stützflächen betragen die Hälfte des freien Raumes; unter der Eingangspforte der Sophia überschaut man den grössten
Theil des innern Raumes so wie der Kuppel mit einem Blick, und die Stützflächen betragen kaum ein Zehntel'des freien Raumes.

St. Peter hat im Schiff nur ein Stockwerk, das Detail ist kolossal; die Sophia ist zweistöckig, ihr Detail ist mässig, sie erscheint
daher gross beim ersten Blick, die Peterskirche wird es erst durch Reflexion. Die Marmorbekleidung des Innern der Sophienkirche ist
reicher, als die des Pantheon, und der Mosaikglanz der Gewölbe überstrahlt weit den von St, Peter.
 
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