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In dem Capitäle dieser Säule, Fig. 5., ist uns ein ziemlieh sicher datirtes Beispiel der Kunstweise aus der Mitte des V. Jahrhunderts
zu Constantinopel gegeben; es scheint der römisch-compositen Ordnung nachgebildet zu sein, obgleich die Eckvoluten kleiner und mehr
nach Art des korinthischen Capitäls mit Blättern unterstützt sind. Die Blätter zeigen ganz die Byzantinische Behandlungsweise des
Akanthus, und der Säulenschaft ist mit dem hohen Bande gekrönt, an Stelle des antiken Astragals. Der Aufsatz des Capitäls trug ehe-
mals das Standbild des Kaisers und ist an den Ecken mit Adlern geschmückt, so dass das Standbild gleichsam von vier Adlern getragen
wurde. Eine gute Idee, welche den Uebergang vom Capitäle zum Sockel des Standbildes glücklich vermittelt.

Vergleicht man dieses Capitäl mit dem Fig. 3., so möchte man geneigt sein, letzteres für etwas älter zu halten.

Eine freistehende Säule im Serail hart hinter der Mauer, welche den neuen Garten vom Hofe des Harems trennt, und am Fuss-
gestelle die Inschrift: OB DEVICTOS GOTHOS FORTUNAE REDUCI trägt, schien mir bei flüchtiger Besichtigung viel Aehnliches mit der
des Marcian zu haben, nur von minder guter Arbeit, mithin später und etwas kleiner zu sein. Einen Aufsatz für ein Standbild hatte
dieselbe nicht,

Von dem Goldenen Thore des Cyklobions an der Südwestspitze Constantinopels bis zu der Ehernen Pforte des Kaiserpalastes am
Ostende der Stadt erstreckte sich die grosse Prachtstrasse, (ueo^) Mittelstrasse genannt, durch welche sich die Festzüge des neuen Roms
bewegten; wenn die sieggekrönten Kaiser unter dem Vortritt der Senatoren und Patricier und unter den Glückwünschen des Volks
(itaXKol %qövol) dieselbe triumphirend durchzogen, war sie mit Lorbeern und Rosen, Myrthen und Rosmarin bestreut und mit scharlachnen
Gewändern und Sandeltüchern geschmückt. Der Zug berührte nach den Angaben des Constantinus Porphyrogenitus68) das Forum des
Arcadius (jetzt avret-basar), das Forum des Constantin (durch die noch stehende Porphyrsäule bezeichnet) und das Augusteum (zwischen
der Sophienkirche und dem Kaiserpalaste an der Südseite der ersteren belegen) und noch jetzt ist diese alte Triumphstrasse sehr wohl
erkennbar.

Nicht weit von dem alten Cyklobion, von den Türken zu einem Staatsgefängniss umgesehaffen und als Schloss der sieben Thürme
(jedi-Kuleler) weltbekannt, in dem noch heutigen Tages Psamatia genannten Stadttheile und dicht an der vorhin bezeichneten Triumph-
strasse, liegt eine altchristliche Kirche, wohl die älteste der in Constantinopel noch vorhandenen. Es ist dieses ohne Zweifel dieselbe,
welche Gyllius69) als Klosterkirche des Studios beschreibt, und Du Cange70) als Kirche Johannes des Täufers aufführt. Nach den von
letzterem gesammelten Beweisstellen Byzantinischer Schriftsteller sind Kirche und Kloster von dem Patricier Studios im sechsten Regie-
rungsjahre Leo des Grossen, also 463, erbaut, und die Mönche von dem Orden der Nichtschläfer {aKoi^tov) daselbst eingesetzt worden.
Jedoch war nach Suidas die Kirche vor der Einrichtung des Klosters eine Parochialkirche, auch lag sie vor der Vergrösserung der Stadt
ausserhalb der Mauer. Nach der Verwüstung des Klosters durch die Lateiner, 1204 bei Eroberung der Stadt, stellte Constantin Palaeo-
logus Porphyrogenitus, Bruder des Kaisers Andronicus IL, welcher von 1283 bis 1328 regierte, dasselbe wieder her, umgab es mit einer
festen Mauer und versah die Kirche mit einem neuen Dache.

Nach den Angaben von Hammer's71) wurde die Kirche von dem berühmten türkischen Baumeister Sinan, dem Erbauer der Sulei-
mania, in eine Moschee verwandelt und trägt jetzt den Namen Imrachor-Dschamissi.

Das Kloster soll über tausend Mönche gezählt haben, von denen stets ein Drittel mit öffentlichem Gebete beschäftigt war, daher
der Name der Nichtschläfer; es war sehr berühmt wegen der gelehrten Männer, welche daraus hervorgingen, und selbst Prinzen wurden
in demselben erzogen.

Wie aus dem Grundrisse, den Aufrissen und den Durchschnitten Blatt II. hervorgeht, war die Kirche eine Basilika mit zwei Säulen-
Stockwerken an den Seiten und mit einer Holzdecke, im Innern 77 Fuss breit und 81 Fuss lang excl. der Apsis, welche inwendig halb-
kreisförmig, auswendig dreiseitig geschlossen ist. Der Narthex bildet hier zum Theil eine offene Halle und an der Ostseite der Kirche
fehlen die Nebenapsiden, an deren Stelle zwei Thüren treten; vielleicht hatte diese Anordnung in der Bestimmung des Gebäudes als
Klosterkirche ihren Grund. Die Umfassungen, von Backsteinen aufgeführt, sind in der Weise, wie sie Blatt II. darstellt, gut erhalten und
scheinen die ursprünglichen zu sein, nur das Apsisgewölbe, nicht in die jetzige Moschee mit eingeschlossen, ist verschwunden, und von
den Umfassungsmauern der Apsis steht nur noch etwa ein Drittel der Höhe, die übrigen zwei Drittel nebst dem Gewölbe sind nach den
vorgefundenen Spuren restaurirt. Die punktirte Linie in Fig. 2. und 6. giebt an, wie hoch die Apsismauern noch vorgefunden wurden.

Im Innern der Kirche sind noch die Säulen der unteren Stellung von verde antico erhalten und tragen Stein-Architrave; die oberen
Säulen sind jetzt von Holz und offenbar, wie die gerade, mit Holz getäfelte Decke in der Höhe der Umfassungsmauern, eine türkische
Arbeit. Gyllius sah noch die alten oberen Säulen an ihrem Platze, und auch der Graf Choiseul-Gouffier72) spricht noch von gut propor-
tionirten steinernen Säulen des oberen Stockwerkes und dem sculptirten Marmor-Friese der unteren. In Fig. 3. und 4. ist der Versuch
gemacht, die obere Säulenstellung und das Dachwerk unter Berücksichtigung der alten Umfassungen und der jetzigen Dachform zu
restauriren. Ein Capitäl, Blatt III. Fig. 10., und eine Basis, Fig. 11. ebenda, das erstere in der Vorhalle der Kirche, die letztere auf dem
freien Platze vor derselben gefunden, liessen wegen ihrer passenden Verhältnisse vermuthen, dass sie der oberen Säulenstellung angehört
hätten, und sind demnach bei deren Restauration benutzt worden.

Vor der Westseite der Kirche lag ohne Zweifel ein mit Hallen umgebenes Atrium, wTas der noch vorhandene freie Platz und die
Mauerreste genugsam bekunden; ein Theil der Atriumshallen, oder wenigstens die beiden Enden der Kirchenvorhalle, scheinen zweistöckig
gewesen zu sein, und vielleicht haben mit diesem oberen Stock die Aufgänge zu dem oberen Stockwerke der Kirche in Verbindung
gestanden, von denen sich weiter keine Spur auffinden liess.

An der Südseite des Atriums, wo sich jetzt eine türkische Unterrichts-Anstalt für junge Geistliche befindet, mag das Kloster gelegen
haben. Südlich von der Kirche liegt eine alte Cisterne mit korinthischen Säulen, die ich nicht näher habe untersuchen können. Nach
von Hammer73) ist sie 70 Schritte lang und 57 breit, und hat drei und zwanzig 1\ Fuss im Durchmesser starke Säulen, die 10 Fuss weit
von einander abstehen und die gewölbte Decke tragen. Eine steinerne Treppe im Winkel nimmt die Stelle der vier und zwanzigsten Säule
ein. Die Oeffnung des Canals, durch den die Cisterne ehemals mit Wasser versorgt wurde, liegt 3 Fuss hoch über dem Fussboden.

Sowohl die Anordnung des Ganzen wie die Behandlung des Einzelnen der Johanneskirche zeigt noch eine nahe Verwandtschaft
mit der antiken Bauweise. Das Säulencapitäl und Gebälk der Vorhalle, Blatt III. Fig. 1. bis 9. im Detail dargestellt, sind eine Nachbildung
der römisch-compositen Ordnung, freilich mit sehr bedeutenden Abweichungen. Bemerkenswerth sind die doppelt auf einander liegenden
Blätter des Capitäls mit ihrer feingegliederten reichen Ausbildung, in Fig. 9. näher detaillirt, so wie der starke mit Blättern gezierte Wulst
nebst Perlstab unter dem Capitäle, auch die hohen Endglieder des Säulenschaftes, welche, wie schon mehrfach erwähnt, ein charakte-
ristisches Zeichen der Säulen aus christlicher Zeit sind. Der Rankenschmuck des gebauchten Frieses zeigt schon vollständig das Byzan-
tinische Akanthusblatt, und auf die Eigentümlichkeit des Kranzgesimses mit den flachen Modillons ohne Voluten und der zu einem

AGIOS JOHANNES, KLOSTERKIRCHE DES

BLATT II. III. IV.
 
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