VORWORT.
Die «ehe Bauest ist to Verlaufe der letzten fünfzig Jahre Gegenstand vielfacher Forschungen gewesen, namentlich
sind die Baudenkmale des Mittelalters vom X. Jahrhundert abwärts in England, Frankreich, Deutschland und Italien man-
nigfach untersucht, gezeichnet und beschrieben worden; Bauwerke, deren Alter in das erste Jahrtausend hineinreicht, sind
schon seltener, und über die Entwicklung der christlichen Kunst in der ersten Hälfte dieses Zeitraums ist bisher sehr
wenig festgestellt.
Während der ersten drei Jahrhunderte, der Zeit des Kampfes und der Verfolgung, als das Evangelium vorzugsweise
der Trost der Niederen und Unterdrückten war, darf man wohl kaum die Errichtung kirchlicher Prachtbauten vermuthen,
und wenn auch von einzelnen reichen Gemeinden mehr gethan war, als das Bedürfniss erheischte, so mögten schwerlich
erhebliche Bauwerke den Folgen des Edictes vom 24. Februar 303 entgangen sein, in welchem Diocletian befahl, sämmt-
liche christliche Kirchen in allen Provinzen des Reiches dem Erdboden gleich zu machen.
Als aber Constantin seine Siege unter dem Zeichen des Kreuzes erfochten, ohne Nebenbuhler den Thron der Cäsaren
in Besitz genommen und sich dem Christenthum zugewendet hatte, da wurde dieses auch die Religion der Reichen und
Mächtigen; es wurde Staats-Religion, der Byzantinische Hof wurde vorzugsweise ein christlicher und Constantinopel die
Capitale des orientalischen Christenthums, wie es jetzt die des Islam ist. Kirchen, Klöster und Bethäuser wurden in
grosser Zahl errichtet, reich ausgestattet und die gottesdienstlichen Handlungen mit Pomp und Glanz umgeben. — Du Cange
führt nicht weniger als 430 kirchliche Gebäude namentlich an, welche nach den Zeugnissen Byzantinischer Schriftsteller
allein in Constantinopel und dessen Vorstädten vorhanden waren.
Erst vom IV. Jahrhundert an können uns demnach Denkmale der christlichen Baukunst erhalten sein, und im Orient,
der Wiege des Christenthums, vorzüglich in Constantinopel, wurden stets Reste vermuthet, welche mehr Licht über den
Entwickelungsgang der christlichen Kunst verbreiten könnten. Dass bisher nur so wenig über dieselben bekannt geworden,
liegt in den vielfachen Hindernissen ihrer nähern Untersuchung und Aufnahme; da fast alle noch vorhandenen alt christ-
lichen Kirchen in Moscheen verwandelt sind, deren Besuch der orthodoxe Muselmann höchst ungern dem Giaur gestattet.
Ein Reparaturbau der Sophienkirche in den Jahren 1847 und 1848, welcher die Möglichkeit einer näheren Untersuchung
derselben hoffen liess, veranlasste den Befehl Seiner Majestät des Königs zu meiner Reise nach Constantinopel. Ich fand
den Bau voller Gerüste bis in die höchste Kuppelspitze und die technische Leitung der Restaurations - Arbeiten in den
Händen des umsichtigen und verdienstvollen Architekten Fossati; die Gerüste, vorzugsweise darauf berechnet, die höchst
interessanten Mosaik - Arbeiten an den Gewölben von ihrer hundertjährigen Kalktünche zu befreien, erleichterten jede
wünschenswerthe Untersuchung und Messung, und der zuvorkommenden Freundlichkeit des Herrn Fossati, welcher mit
regem Kunstsinn *) jede artistische Forschung gern unterstützte, verdanke ich die Vergünstigung, die erforderlichen
Arbeiten ohne erhebliche Hindernisse ausführen zu können; der Zufall wollte, dass noch zwei in Moscheen verwandelte
Kirchen im Umbau begriffen waren, zu anderen Gebäuden fand sich auch der Zugang, und so ist es gelungen, in einem
Zeitraum von fünf Monaten das Material zu sammeln, dessen Bearbeitung, günstig durch den Anhang von der kundigen
Hand meines verehrten Freundes vervollständigt, ich hiermit auf höhere Anordnung der Oeffentlichkeit übergebe, hoffend,
dadurch einen nicht unwichtigen Beitrag zur Geschichte der christlichen Baukunst zu liefern.
Erfurt, im Juni 1854.
W. Salzenberg.
°) G. Fossati hat 1852 in London ein Werk unter dem Titel: Aya Sofia Constantinople, as recently restored by order of H. M. The Sultan Abdul Medijd, herausgegeben, welches
ein interessantes Bild von den malerischen Ansichten namentlich des Innern der Sophienkirche gewährt.
Die «ehe Bauest ist to Verlaufe der letzten fünfzig Jahre Gegenstand vielfacher Forschungen gewesen, namentlich
sind die Baudenkmale des Mittelalters vom X. Jahrhundert abwärts in England, Frankreich, Deutschland und Italien man-
nigfach untersucht, gezeichnet und beschrieben worden; Bauwerke, deren Alter in das erste Jahrtausend hineinreicht, sind
schon seltener, und über die Entwicklung der christlichen Kunst in der ersten Hälfte dieses Zeitraums ist bisher sehr
wenig festgestellt.
Während der ersten drei Jahrhunderte, der Zeit des Kampfes und der Verfolgung, als das Evangelium vorzugsweise
der Trost der Niederen und Unterdrückten war, darf man wohl kaum die Errichtung kirchlicher Prachtbauten vermuthen,
und wenn auch von einzelnen reichen Gemeinden mehr gethan war, als das Bedürfniss erheischte, so mögten schwerlich
erhebliche Bauwerke den Folgen des Edictes vom 24. Februar 303 entgangen sein, in welchem Diocletian befahl, sämmt-
liche christliche Kirchen in allen Provinzen des Reiches dem Erdboden gleich zu machen.
Als aber Constantin seine Siege unter dem Zeichen des Kreuzes erfochten, ohne Nebenbuhler den Thron der Cäsaren
in Besitz genommen und sich dem Christenthum zugewendet hatte, da wurde dieses auch die Religion der Reichen und
Mächtigen; es wurde Staats-Religion, der Byzantinische Hof wurde vorzugsweise ein christlicher und Constantinopel die
Capitale des orientalischen Christenthums, wie es jetzt die des Islam ist. Kirchen, Klöster und Bethäuser wurden in
grosser Zahl errichtet, reich ausgestattet und die gottesdienstlichen Handlungen mit Pomp und Glanz umgeben. — Du Cange
führt nicht weniger als 430 kirchliche Gebäude namentlich an, welche nach den Zeugnissen Byzantinischer Schriftsteller
allein in Constantinopel und dessen Vorstädten vorhanden waren.
Erst vom IV. Jahrhundert an können uns demnach Denkmale der christlichen Baukunst erhalten sein, und im Orient,
der Wiege des Christenthums, vorzüglich in Constantinopel, wurden stets Reste vermuthet, welche mehr Licht über den
Entwickelungsgang der christlichen Kunst verbreiten könnten. Dass bisher nur so wenig über dieselben bekannt geworden,
liegt in den vielfachen Hindernissen ihrer nähern Untersuchung und Aufnahme; da fast alle noch vorhandenen alt christ-
lichen Kirchen in Moscheen verwandelt sind, deren Besuch der orthodoxe Muselmann höchst ungern dem Giaur gestattet.
Ein Reparaturbau der Sophienkirche in den Jahren 1847 und 1848, welcher die Möglichkeit einer näheren Untersuchung
derselben hoffen liess, veranlasste den Befehl Seiner Majestät des Königs zu meiner Reise nach Constantinopel. Ich fand
den Bau voller Gerüste bis in die höchste Kuppelspitze und die technische Leitung der Restaurations - Arbeiten in den
Händen des umsichtigen und verdienstvollen Architekten Fossati; die Gerüste, vorzugsweise darauf berechnet, die höchst
interessanten Mosaik - Arbeiten an den Gewölben von ihrer hundertjährigen Kalktünche zu befreien, erleichterten jede
wünschenswerthe Untersuchung und Messung, und der zuvorkommenden Freundlichkeit des Herrn Fossati, welcher mit
regem Kunstsinn *) jede artistische Forschung gern unterstützte, verdanke ich die Vergünstigung, die erforderlichen
Arbeiten ohne erhebliche Hindernisse ausführen zu können; der Zufall wollte, dass noch zwei in Moscheen verwandelte
Kirchen im Umbau begriffen waren, zu anderen Gebäuden fand sich auch der Zugang, und so ist es gelungen, in einem
Zeitraum von fünf Monaten das Material zu sammeln, dessen Bearbeitung, günstig durch den Anhang von der kundigen
Hand meines verehrten Freundes vervollständigt, ich hiermit auf höhere Anordnung der Oeffentlichkeit übergebe, hoffend,
dadurch einen nicht unwichtigen Beitrag zur Geschichte der christlichen Baukunst zu liefern.
Erfurt, im Juni 1854.
W. Salzenberg.
°) G. Fossati hat 1852 in London ein Werk unter dem Titel: Aya Sofia Constantinople, as recently restored by order of H. M. The Sultan Abdul Medijd, herausgegeben, welches
ein interessantes Bild von den malerischen Ansichten namentlich des Innern der Sophienkirche gewährt.