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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 15.1921

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Wolf, Johannes: Hugo Goldschmidt
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Urries y Azara, J. Jordán: Über das System der Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.3623#0460
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456 BEMERKUNGEN.

der charakterisierenden Themen in S. Bachs Kirchenmusik«') und »Die Anführung
von Kirchenmelodien in den Mittelteilen der J. S. Bachschen Kantaten« 2) in Zeit-
schriften erschienen, als der Tod seinem rührigen Schaffen Halt gebot. Ein großes
Wollen und ein ehrliches Können fanden damit ihren Abschluß. Ehre einem solchen
Arbeiter, der seinen Beruf so hoch erfaßt und trotz körperlichen Leidens so treu er-
füllt, wie Hugo Qoldschmidt! Seine Fachgenossen werden ihn nicht vergessen.

Über das System der Künste.

Von

J. J. de Urries y Azara.

Benedetto Croce hält jede Teilung der Kunst für nutzlos und eine daraus ab-
zuleitende besondere Theorie der verschiedenen Künste für unmöglich: man könne
nur von Kunst im allgemeinen sprechen, nicht von einer ästhetischen Theorie jeder
einzelnen Kunst (unbeschadet ihrer verschiedenen Technik). In Wahrheit sondern
sich die Künste nicht nur durch ihre Ausdrucksmittel. Die Konzeption von
Raffaels »Brand des Borgo« ist eine ganz andere als diejenige, die ein Dichter für
denselben Gegenstand haben kann: eben eine malerische. Wenn man mit Croce
glauben soll, daß derselbe ästhetische Sachverhalt sich erst beim Übergang zur
Ausführung differenziert, so muß man ein inneres Bild voraussetzen, das weder
optisch noch akustisch oder auch beides zugleich ist.

Im Gegensatz zu Croce erklärt Volkelt eine Gliederung der Kunst für notwendig.
Er will sie aber nur auf die Psychologie des künstlerischen Schaffens gründen und
verwirft die anderen Einteilungen als abstrakt. Indessen, Abstraktionen lassen sich
nicht vermeiden. Sie brauchen ja nicht so seltsam zu sein wie die des Italieners Fausto
Squillace, der Baukunst, Bildhauerei und — Sport als Künste der Berührung zu-
sammenfaßt, weil ihre Gegenstände tastbare Gestalt besitzen-; ebensogut könnte
man die Malerei als Kunst des Geruchsinnes bezeichnen, weil Ölfarben und Firnis
riechen. Es gibt doch Klassifikationen von Rang, an die unser Versuch sich an-
schließen soll. Grundlegend ist Lessings Unterscheidung der Raum- und Zeitkünste.
An sie knüpft Schasler an (wenn wir Kant, Hegel, Vischer übergehen dürfen, da
ihre Systeme den Lesern dieser Zeitschrift bekannt sind) und erweitert sie durch
Einbeziehung der Musik: Baukunst, Bildhauerei, Malerei — Musik, Gebärdenkunst,
Poesie. Man hat dagegen eingewendet, daß doch auch der Dichter unserer Ein-
bildungskraft Räumliches darzustellen vermag und daß der bildende Künstler den
Eindruck der Bewegung hervorrufen kann. Aber was tatsächlich aufgenommen wird,
ist und bleibt in dem einen Fall Räumliches, in dem anderen Fall Zeitliches: wenn
wir gleichzeitig alle Töne einer Beethovenschen Sonate hörten, so wäre das keine
Musik, und wenn wir alle Farbenschattierungen eines Rubensschen Gemäldes hinter-
einander an unserem Auge vorübergleiten ließen, so wäre das kein Bild. Hiermit
ist eine notwendige Aufeinanderfolge bei Bildbetrachtungen nicht ausgeschlossen,
auch nicht das fsfovö? in der Musik, das Aristoxenos entdeckt und Riemann uns in
die Erinnerung gerufen hat. Ebensowenig ist eine Verbindung der beiden Gruppen
ausgeschlossen. Tatsächlich liegt sie im Tanze vor, die Mila eine »zugleich ko-

') Festschrift Hermann Kretzschmar (Leipzig, C. F. Peters 1918) Seite 37 ff.
2) Zeitschrift für Musikwissenschaft II (1920) Seite 392 ff.
 
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