Palatini Graeci - versprengt, verloren, ersetzt

Die wechselvolle Geschichte der Bibliotheca Palatina hat unter anderem zur Folge, dass einige Handschriften verloren gingen. Von den griechischen Palatini gelten beispielsweise vier bereits seit den Tagen von Leo Allacci als nicht mehr auffindbar. Einige, die dem Schicksal des Transports nach Rom entgingen, gelangten später wieder nach Heidelberg zurück, andere befinden sich bis heute in der Bibliothéque nationale de France in Paris oder in der Königlichen Bibliothek in Stockholm.

Da bereits seit Mitte des 16. Jahrhunderts genaue Verzeichnisse der Bestände angefertigt wurden, ist eine Rekonstruktion des früheren Umfangs der Bibliothek sowie der Inhalte vermisster Bände zumindest teilweise möglich. So können aufgrund eines umfangreichen alphabetischen Katalogs der griechischen Fugger-Handschriften, der auf Martin Gerstmann zurückgeht (BAV, Pal. lat. 1916, f. 530r-551v), bzw. anhand des um 1589 entstandenen Katalogs der griechischen Palatina-Handschriften von Friedrich Sylburg (BAV, Pal. lat. 429 bis neben den enthaltenen Texten auch Angaben zum Format, dem Beschreibstoff und den jeweiligen Vorbesitzern gemacht werden.

Eine Übersicht fehlender Handschriften fertigte Leone Allacci im Jahr 1623 an, sie ist dem Sylburg-Katalog beigefügt (BAV, Pal. lat. 429bis, f. 262v-262r [!]). Einige der dort erwähnten Handschriften sind mittlerweile wieder aufgetaucht.

Literatur: Paul Canart, Les cotes du manuscrit palatin d’Anthologie, in: Scriptorium 35/2, 1981, S. 227-240, hier S. 230, Anm. 13.


Griechische Handschriften aus der Bibliotheca Palatina in Kopenhagen, München, Paris und Stockholm

Kopenhagen, Kongelige Bibliotek GKS 47 2° (ehemals: Pal. gr. 33)
Titel (Sylburg): Euthymii Zigabeni Panopolia dogmatum e s. patribus

Format: Folio
Beschreibstoff: Bombyzin
Provenienz: seors.
Katalogeintrag: BAV, Pal. lat. 1916, 538r; BAV, Pal. lat. 429 bis, 158v-156r

Geschichte: Die Hs. wurde 1617 zusammen mit Pal. gr. 405 (heute: Stockholm, Königliche Bibliothek, A 799) an Gerhard Elmenhorst – möglicherweise über Jan Rutgers – ausgeliehen. Vor 1731 gelangte sie in die Königliche Bibliothek in Kopenhagen. Dort wird sie heute als GKS 47 20 aufbewahrt.
Diktyon-Nr.: 37143

Eine Beschreibung der Handschrift findet sich in: Bjarne Schartau, Codices graeci haunienses, ein deskriptiver Katalog des griechischen Handschriftenbestandes der Königlichen Bibliothek Kopenhagen, Kopenhagen 1994, S. 65-67.

Weitere Literatur: Karl Preisendanz, Handschriftenausleihe in der Bibliotheca Palatina, in: Festschrift Georg Leyh. Aufsätze zum Bibliothekswesen und zur Forschungsgeschichte dargebracht zum 60. Geburtstage am 6. Juni 1937 von Freunden und Fachgenossen, Leipzig 1937, S. 54-68, hier S. 66

Augustin Theiner, Schenkung der Heidelberger Bibliothek durch Maximilian I. Herzog und Churfürsten von Bayern an Papst Gregor XV. und ihre Versendung nach Rom, mit Originalschriften, München 1844, S. 90

München, BSB, Cod. Graec. 258 (ehemals: Pal. gr. 336)
Titel (Sylburg): Euripidis Phoenissae, Medea, Hippolytus

Format: Quarto
Beschreibstoff: Papier, ungebunden
Provenienz: Seors.
Katalogeintrag: BAV, Pal. lat. 1916, 538r; BAV, Pal. lat. 429 bis, 192r

Geschichte: Die Hs. ist spätestens seit 1779 in der Münchner Hofbibliothek nachweisbar, dort unter der „Hörwarth“-Signatur.
Diktyon-Nr.: 44705

Eine Beschreibung der Handschrift findet sich in: Kerstin Hajdú: Katalog der griechischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, Bd. 4: Codices graeci Monacenses 181 - 265, Wiesbaden 2012, S. 380-383

Weitere Literatur: Rudolf Stefec, Varia palaeographica Atheniensia, in: Rivista di Studi Bizantini e Neoellenici 51, 2014, S. 137-173, hier S. 144 (Anm. 8).
Jacopo Cavarzeran, Scholia in Euripidis Hippolytum: edizione critica, introduzione, indici, Berlin/Boston 2016 (Sammlung griechischer und lateinischer Grammatiker 19), S. 53-55.
Die Identifizierung der Hs. als ehemaliger Bestand der Bibliotheca Palatina gelang Vinzenz Gottlieb im Rahmen des Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project (16.12.2021).

Paris, Bibliothéque nationale de France, suppl. gr. 384 (ehemals: Pal. gr. 33, davor 443)
Zweiter Teil der sog. Anthologia Palatina; bis 1623 in Heidelberg unter der Signatur 443.
Beschreibung in Bearbeitung

Paris, Bibliothéque nationale de France, suppl. gr. 308 (ehemals: Pal. gr. 279)
Beschreibung

Stockholm, Königliche Bibliothek, A 799 (ehemals: Pal. gr. 405)
Beschreibung


Verloren geglaubte und zum Teil ersetzte griechische Handschriften aus der Bibliotheca Palatina

Einige Signaturnummern sind heute doppelt besetzt. So waren die Handschriften Cod. Pal. graec. 18, 264 und 272 beim Abtransport der Bibliothek nach Rom 1623 gerade nach Wittenberg ausgeliehen und wurden von Leone Allacci als fehlend verzeichnet (s.o.). Die Nummern 18 und 264 wurden daher in Rom an andere Handschriften vergeben, deren Provenienz nicht sicher geklärt ist. BAV, Pal. gr. 23, eine rhetorische Sammelhandschrift, war seit Fuggers Zeiten in den Beständen der Bibliothek, jedoch bekam die heute als Anthologia Palatina bekannte Handschrift fälschlich auch diese Nummer (UB Heidelberg, Cod. Pal. graec. 23).

BAV, Pal. gr. 18
Beschreibung

BAV, Pal. gr. 23
Beschreibung

BAV, Pal. gr. 264
Beschreibung


Verlorene Handschriften, die seit dem 17. Jh. nicht mehr auffindbar sind und nicht ersetzt wurden

BAV, Pal. gr. 36

Titel (Sylburg): Theodoreti Ecclesiastica historia, manca: a cap. 21, libri secundis, vsque ad 9, libri quinti, e Basilicῶn sexaginta libris Electa ordine alphabetico, ab a usque ad u; eadem electa pleniora et integriora num. 8 & 13
Format: Folio parvo
Beschreibstoff: Bombyzin
Provenienz: Hen.
Katalogeintrag: BAV, Pal. lat. 1916, 549v; BAV, Pal. lat. 429 bis, 160r

BAV, Pal. gr. 110

Titel (Sylburg): Canones, seu Cantiones & Preces ad Deum & sanctos eius; quarum quaedam compositae a Ioanne Mauropode; Eiusdem argumenti liber est 105, & 138

Format: Quarto
Beschreibstoff: Papier
Provenienz: Cyp.
Katalogeintrag: BAV, Pal. lat. 1916, 536r; BAV, Pal. lat. 429bis, 176r

BAV, Pal. gr. 112 (?)

Titel (Sylburg): Grammatica isagoge per quaestiones & responsiones, ad Manuelis Chrysolorae Erotemata proxime accedens

Format: Quarto
Beschreibstoff: Pergament
Provenienz: Hen. oder Manetti
Katalogeintrag: BAV, Pal. lat. 1916, 538v; BAV, Pal. lat. 429 bis, 176v

Bemerkung: Die Hs. galt ursprünglich als verloren, wurde aber vermeintlich wiederentdeckt (vgl. Paul Canart, Les cotes du manuscrit palatin d’Anthologie, in: Scriptorium 35/2, 1981, S. 227-240, hier S. 230, Anm. 13). Die Beschreibungen in den historischen Katalogen, die hier zusammengestellt sind, weichen aber soweit von der angeblich wiedergefundenen Handschrift ab, dass es fraglich bleibt, ob die Identifikation stimmt (vgl. hierzu die Beschreibung der Handschrift).

Literatur: Annett DEN HAAN, The Greek library of Gianozzo Manetti (1396-1458): his collection and his Greek studies, in: Renaissance studies 33/2, 2019, S. 267-280, hier S. 7

BAV, Pal. gr. 188

Titel (Sylburg): Orthographicae partitiones duob. Libris expositae: quorum priore terminationes, posteriore initia partium orationis excutiuntur. Intermitsa etiam quaedam de anormalorum verborum formatione, & alia. Idem liber numero 127, cum praefatione.

Format: Quarto
Beschreibstoff: Pergament
Provenienz: Manetti
Katalogeintrag: BAV, Pal. lat. 1916, 537r; BAV, Pal. lat. 429 bis, 192r

BAV, Pal. gr. 313

Titel (Sylburg): Aeschyli Prometheus Vinctus, Septem ad Thebas, Persae, cum interlinealibus & marginalibus scholiis

Format: Quarto
Beschreibstoff: Papier
Provenienz: Egna
Katalogeintrag: BAV, Pal. lat. 1916, 530r; BAV, Pal. lat. 429 bis, 225r ; BAV, Pal. lat. 1925, 106r (Nr. 55)

BAV, Pal. gr. 432 (olim Pal. gr. 404)

Titel (Sylburg): Tabulae Chronologicae & Genealogicae ab Adamo usque ad Christum perductae

Format: Folio (Fragment)
Material: unbekannt
Provenienz: nicht aus der Bibliothek von Ulrich Fugger
Katalogeintrag: BAV, Pal. lat. 429 bis, 253v

Bemerkung: Die Handschrift trug bei Sylburg die Signatur 404 (vgl. Canart, Anthologie, S. 233). In Rom bekam sie infolge von Umstrukturierungen die Nummer 432. Spätestens seit 1811 fehlt die Hs.

Literatur: Stevenson, Graeci, S. 279