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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Denkmalpflege im ländlichen Raum — Heft 1.1981

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Narr, Roland: Thesenartige Bemerkungen zum Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“
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https://doi.org/10.11588/diglit.50202#0012
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Roland Narr

Thesenartige Bemerkungen zum Wettbewerb
„Unser Dorf soll schöner werden“

„Bei der Anlage von Einfriedungen ist Rücksicht auf das
Bild des Straßenraumes zu nehmen. Soweit wie möglich ist
auf die Einfriedung von Vorgärten zu verzichten.“1) So um
1975 das Hessische Ministerium für Landwirtschaft und
Umwelt.
„Viele Beteiligte und auch Fachberater werten Umfang, Art
und Zustand von Einfriedungen (Mauern, Zäune, Hek-
ken...) besonders hoch. Die Beseitigung von Einfriedungen
scheint in einigen Fällen fast zu einer Ideologie geworden zu
sein.“2) So im Abschlußbericht des Bundeswettbewerbs
1979.
Aus dem LEB-Seminar in Goslar wird festgehalten: „Das
Kernproblem der Beurteilung von Ortsbildern liegt darin,
daß die Maßnahmen zur Verschönerung... eigentlich nicht
an den gängigen Verschönerungs-Stereotypen gemessen wer-
den sollten.. ,“3)
Aber bei der Bewertung von Clüvenborstel wird bemängelt:
„Die Grundstücke sind sehr unterschiedlich eingefriedet: Jä-
gerzäune, Hecken, Maschendraht, Plankenzaun, Mauern.
Bei fälliger Erneuerung sollten die Bürger versuchen, eine et-
was einheitlichere, früher vorzugsweise verwandte Einfrie-
dung zu bauen, oder besser noch nach Möglichkeit auf Ein-
friedungen verzichten.“4)
Die Zaunfrage5) im einzelnen zu verfolgen wäre nicht ohne
Reiz. Auch soll das Sprichwort: „Allen Fachberatern recht
getan, ist eine Kunst, die niemand kann“, nicht ausgelegt
werden, es soll im folgenden insgesamt nicht um die sicher
im einzelnen sehr beachtenswerten Anstrengungen des Wett-
bewerbs „Unser Dorf soll schöner werden“ gehen, vielmehr
sollen ein paar Fragen zum gesellschaftlichen Zusammen-
hang des Wettbewerbs gestellt werden, die oft zu kurz zu
kommen scheinen. Hat es, so soll gefragt werden, nicht Hin-
weischarakter, wenn das „Einfrieden“ eine so bedeutende
Rolle spielt? Muß sich der Wettbewerb auf diese und ähnlich
gelagerte Probleme beschränken, weil für alle Beteiligten —
sowohl die Kommissionen, die Berater als auch und vor al-
lem die Dorfbewohner — der Entscheidungsspielraum auf
derartige nicht unwichtige, aber „kleinkammerige“ Fragen
eingeengt ist?
1. Der Wettbewerb wendet sich besonders an Orte, die wirt-
schafts-, kommunal-, schul-, kirchenpolitisch (Randlage,
Verkehrsferne, Gemeindereform...) an Bedeutung verloren
haben.
Da strukturpolitische Maßnahmen von Bund und Land sich
vornehmlich auf „Zentrale Orte“ richten6), erleiden die Teil-
orte einen vielfachen Funktionsverlust.
2. Da verhindert werden soll, daß sich wegen dieses Funk-
tionsverlustes die Dörfer „entleeren“7), wird versucht, mit
einer besonderen Qualität des dörflichen Lebens diesen Ver-

lust auszugleichen. „Die Vorzüge des ländlichen Siedlungs-
raumes“ — „ansprechendes Dorfbild“, „Gemeinschaftsle-
ben“ und „Naturnähe“ — sollen herausgehoben werden,
„weil den Einwohnern nicht bewußt ist, an welche Voraus-
setzungen die Erhaltung dieser Vorzüge gebunden ist.“8)
Zu diesem Zweck, dem „Bewußtmachen“ und dem Anregen
von „Gemeinschaftsleben“, dient eine durchdachte Beschäf-
tigungstherapie: „Am Anfang (eines Wettbewerbs R.N.)
müßte ein Begehungsprotokoll über den gegenwärtigen
Stand, über den Umfang der geplanten Maßnahmen und
eine Bilddarstellung (Dokumentation) stehen. Am Ende
würde eine entsprechende Darstellung die tatsächlichen Lei-
stungen einer Kritik zugänglich machen.“9)
Im Landkreis Rotenburg (Wümme) gibt es für die Fort-
schritte zwischen Erst- und Zweitbegehung Extrapunkte, die
es „fleißigen“ Dörfern ermöglichen, „unter Umständen so-
gar den absolut betrachtet bedeutend schöneren, vielleicht
aber untätigen, d.h. faulen Ort bei unserem Kreiswettbe-
werb in der Bewertung zu übertreffen.“10)
3. Allenthalben wird betont, wie wichtig es sei, daß der
Wettbewerb von der „dörflichen Gemeinschaft“ getragen
werden solle. Wie eng aber der Entscheidungsspielraum für
diese „dörfliche Gemeinschaft“ ist, wird weniger durch die
als unabdingbar erachtete Fachberatung sichtbar (sie soll
„partnerschaftlich“ und nicht „von oben herab“ erfolgen)
als vielmehr durch Entscheidungen übergeordneter Institu-
tionen, die alle an der Dorfverschönerung Beteiligten be-
treffen.
Dieser Sachverhalt wird, wenn überhaupt, dann nur neben-
her bemerkt: „...die bauliche und gestalterische Entwick-
lung der Dörfer erfordert — vor allem in den Gebieten, die
einem größeren Entwicklungsdruck ausgesetzt sind — eine
1) Hessischer Minister für Landwirtschaft und Umwelt (Hrsg.): Informa-
tionen — Unser Dorf soll schöner werden. Wiesbaden o. J.
2) Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Bundes-
wettbewerb 1979 „Unser Dorf soll schöner werden“ — Abschlußbe-
richt. S. 82.
3) Der Niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft und For-
sten: (Seminar-Bericht) „Unser Dorf soll schöner werden“ oder „Das le-
bendige Dorf“ — LEB-Seminar in Goslar „Haus am Steinberg“ vom
29.2.—2.3.1980. S. 3.
4) Der Niedersächsische Minister für Ernährung...: Landeswettbewerb
1979 „Unser Dorf...“ Bericht der Landesprüfungskommission. S. 7.
5) Vgl. dazu Margret Tränkle/Roland Narr: „Unser Dorf soll schöner wer-
den“, Zeitschrift für Volkskunde 11/1976. S. 220—222.
6) Vgl. Albrecht Funk: Die Urbanisierung der bäuerlichen Dörfer. In:
A.D. Brockmann (Hrsg.): Landleben, Reinbek bei Hamburg 1977,
S. 238—256.
7) „Der Wettbewerb wurde geschaffen..., um damit der Entleerung des
ländlichen Raumes entgegen zu wirken.“ Faltblatt des Niedersächsi-
schen Ministers für Ernährung...: Unser Dorf soll schöner werden —
Ausschreibung des Dorfwettbewerbs 1981 für Niedersachsen.
8) ebd.
9) wie Anmerkung 2, S. 81
10) Der Niedersächsische Minister für Ernährung...: Unser Dorf soll schö-
ner werden. Seminarberichte Heft 2, o. J. (1980), S. 70.

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