Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Denkmalpflege im ländlichen Raum — Heft 1.1981

DOI Artikel:
Wulf, Walter: Die Niedersächsische Denkmalkartei - Methode und Instrument einer landesweiten Erfassung historischer Bausuhstanz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.50202#0016
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Walter Wulf
Die Niedersächsische Denkmalkartei —
Methode und Instrument einer landesweiten Erfassung
historischer Bausuhstanz

Eine möglichst genaue Kenntnis über Anzahl, Lage und Be-
schaffenheit der vorhandenen Baudenkmale ist eine wesent-
liche Grundlage denkmalpflegerischer Arbeit.
Das frühe 19. Jahrhundert, das in der großen historischen
Rückwende das alte Kunstwerk — vor allem das des Mittel-
alters — wiederentdeckte und zur Geburtsstunde der moder-
nen Denkmalpflege wurde, stellte bereits zu einem sehr frü-
hen Zeitpunkt die Frage nach Qualität und Anzahl der vor-
handenen Baudenkmale und damit nach ihrer Erfassung.
Diese Grundidee gipfelte am Ende des Jahrhunderts in den
großartigen Werken Dehios und Bezolds — ihrem Kirchen-
atlas und dem Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler,
letzteres von der Denkmalpflege bis heute fortgeschrieben.
Das wichtige, auch künftig unverzichtbare, klassische Groß-
inventar mit wissenschaftlichem Anspruch, dessen letzter
niedersächsischer Band „Bodenwerder“ vor zwei Jahren er-
schien, ist den Grundvorstellungen des 19. Jahrhunderts bis
heute verpflichtet.
Der Begriff des Baudenkmals hat sich seither gewandelt; vor
allem in der jüngsten Vergangenheit erfuhr er unter dem
Eindruck der Kriegs- und Nachkriegszerstörung großer Teile
erhaltenswerter Bausubstanz und der daraus entspringenden
Verpflichtung, das noch Vorhandene zu schützen, sowie un-
ter dem Einfluß eines sich neu entwickelnden Geschichtsbe-
wußtseins eine große Ausweitung durch die Definition von
neuen Kriterien, die die Qualität des Baudenkmals am öf-
fenlichen Interesse messen, das aus historischen, ästheti-
schen und städtebaulichen Gründen an seiner Erhaltung be-
steht.
Der klassische Denkmalbegriff, der sich im wesentlichen mit
Sakral- und repräsentativen Profanbauten verband, wird
heute auf die neu entdeckte Baukunst des 19. Jahrhunderts
ausgedehnt. Dazu gehören auch sozial- und wirtschaftsge-
schichtlich bedeutsame Bauten, so etwa die technischen
Denkmale der jüngeren Vergangenheit. Weiterhin ist die uns
überkommene große Zahl ländlicher Bauten aus siedlungs-
geschichtlichen Gründen, aber auch wegen der künstleri-
schen Qualität so wichtig geworden, daß ihnen der Rang von
Kulturdenkmalen beikommt.
Der Begriff des Baudenkmals erfaßt heute erweiternd über
das Einzelobjekt hinaus dessen Einbindung in historische
Stadtkerne und übergreifende, städtebauliche Zusammen-
hänge. Großräumige, strukturelle Beziehungen im Stadtbild
sind als Gruppe denkmalwert.
Der damit umrissene Objektzuwachs durch die zeitliche,
sachliche und qualitative Ausweitung des Denkmalbegriffs
war mit Methoden der klassischen Inventarisierung nicht
mehr zu bewältigen und führte in Niedersachsen zur Ent-
wicklung einer anderen Methode, die das Vorgehen im Rah-
men der Niedersächsischen Denkmalkartei bestimmt.

Das Projekt Niedersächsische Denkmalkartei bezieht seinen
Auftrag aus dem Niedersächsischen Denkmalschutzgesetz,
Baudenkmale zu erfassen, zu erforschen, zu dokumentieren,
die Ergebnisse zu veröffentlichen und schließlich ein Ver-
zeichnis der Baudenkmale aufzustellen.
Zur Erfüllung dieses Auftrages ist ein Team von 37 Mitar-
beitern gebildet worden, das innerhalb von etwa zehn Jahren
unter einheitlichen Kriterien den Bestand an erhaltenswerter
Bausubstanz landesweit erfassen soll.
Die Praxis der Vorgehensweise läßt sich kurz so darstellen:
Nach Kontaktaufnahme mit der Gemeinde bzw. dem Land-
kreis, die zu bearbeiten sind, sowie nach Information der
Öffentlichkeit über die Art der Tätigkeit entsteht durch Er-
fassung der Objekte vor Ort (Kartierung, Foto- und Text-
aufnahme) bei gleichzeitiger Sichtung von Archivalien und
Plänen nach Aufarbeitung das Karteiwerk, das in knapper
Form alle Kenndaten und Kennqualitäten eines Baues abruf-
bar macht. Die gespeicherten Informationen dienen zum ei-
nen der Entscheidungsfindung im Bereich Bau- und Kunst-
denkmalpflege, zum anderen wird aus ihnen in Erörterung
mit dem zuständigen Bezirkskonservator und nach Anhö-
rung der Gemeinden das Verzeichnis der Baudenkmale er-
stellt, das auszugsweise bei den Unteren Denkmalschutzbe-
hörden geführt wird. Bereits unmittelbar nach Erstellung
der Kartei beginnt ihre Fortschreibung durch eine gesonder-
te Arbeitsgruppe, um einen aktuellen Stand zu gewährlei-
sten.
Nach einer redaktionellen Überarbeitung des Karteimate-
rials steht am Ende die Veröffentlichung. Dazu ist im letzten
Jahr im Institut für Denkmalpflege das Modell einer Denk-
maltopographie entwickelt worden, das Denkmalverzeichnis
mit Text- und Bilddokumentation und Kartenwerk ver-
knüpft und denkmalpflegerische Aussagen über das Einzel-
objekt, sein Aussehen, seinen Zustand und seine Geschichte,
aber auch seine stadtbildwirksame Bedeutung in der Einbin-
dung übergreifender Zusammenhänge enthält. Als „Denk-
maltopographie Bundesrepublik Deutschland“ ist das Mo-
dell inzwischen von anderen Bundesländern übernommen
und verbindlich geworden. Diese Publikation soll sowohl in
die Praxis einwirken, als auch dem interessierten Bürger In-
formation und Orientierung sein. Ein erster Band „Bau-
denkmale in Niedersachsen, Landkreis Lüneburg“ ist inzwi-
schen erschienen.
Die derzeitigen Schwerpunkte in der Arbeit der Denkmal-
kartei liegen in den Landkreisen Lüchow-Dannenberg, Uel-
zen, Helmstedt, Goslar und Osnabrück. Nach Abschluß der
Arbeiten im Landkreis Osnabrück wird sich die Aktivität
von dort nach Ostfriesland verlagern. Die Übergabe des
Verzeichnisses der Baudenkmale eines so großen und be-
deutsamen Ortes wie Hannover steht unmittelbar bevor und
markiert einen wichtigen Abschnitt im Programm der „Nie-
dersächsischen Denkmalkartei“.

14
 
Annotationen