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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Denkmalpflege im ländlichen Raum — Heft 1.1981

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Weidner, Hartmut P.; Gläntzer, Volker: Das westliche Niedersachsen, der Regierungsbezirk Weser-Ems: entwicklungsgeschichtliche Erläuterungen zum Umfeld der Reiseroute und der Fahrtziele
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https://doi.org/10.11588/diglit.50202#0028
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Das westliche Niedersachsen

Varnhorn und Hogenbögen, Gemeinde Visbek, Landkreis Vechta

In Visbek (bereits 819 urkundlich erwähnt) gründete wohl
um 785 der „Abt“ Gerbert Castus auf seinem Allodialbesitz
eine Eigenkirche, die zur Missionszelle für den Lerigau, den
Hasegau (und den Venkigau?) wurde. Der begonnene oder
auch nur geplante Bau eines Klosters wurde nicht durchge-
führt, nachdem die „Zelle“ Visbek 855 durch Ludwig den
Frommen dem Kloster Corvey einverleibt wurde und das
851/55 gegründete Alexanderstift in Wildeshausen ein deut-
liches kirchliches Übergewicht in diesem Raum erhielt. Vis-
bek sank damit in seiner Bedeutung in die Reihe der übrigen
Urpfarren zurück, blieb aber Hauptort des aus 12 Bauer-
schaften gebildeten Kirchspieles.
Die gesamte Gemeinde ist noch relativ stark landwirtschaft-
lich ausgerichtet. Von der erwerbstätigen Bevölkerung sind
32,6% in der Land- und Forstwirtschaft tätig. Dieser Pro-
zentsatz liegt wesentlich höher als im Durchschnitt des Kreis-
gebietes (21,5%) und wird nur noch in zwei Gemeinden
übertroffen (Bakum mit 43,0% und Langförden mit
35,6%).
Da der sekundäre und tertiäre Sektor sich hauptsächlich auf
den Ort Visbek selbst konzentrieren, tritt der landwirt-
schaftliche Charakter in den Bauerschaften noch wesentlich
deutlicher auf.
Die Landwirtschaft ist wie im gesamten Südoldenburger
Raum auf Getreidebau und Massentierhaltung (vor allem
Kälber- und Schweinemast) spezialisiert. Dazu sind zum Teil
auch hier die damit verbundenen Wirtschaftsgebäude wie
Maschinenhallen und Großställe entstanden; die Bauernhö-
fe haben jedoch noch nicht den Charakter agrarindustrieller
Produktionsstätten wie z. B. im Raum um Vechta angenom-
men, sondern konnten ihr historisches Erscheinungsbild bis-
lang bewahren.
Mit Varnhorn und Hogenbögen sollen zwei benachbarte
Bauerschaften verglichen werden, die sich in ihrer Größe,
Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur sehr ähneln, aufgrund
ihrer unterschiedlich erhaltenen historischen Bausubstanz
jedoch auch unterschiedliche Erhaltungs- und Entwick-
lungsprobleme besitzen.
Die beiden Bauerschaften liegen im Nordosten der Gemein-
de. Ihre natürliche Grenze bildet im Westen — gegen das
übrige Gemeindegebiet und das Dorf Visbek — ein schmaler
Waldgürtel beiderseits der Twellbäke, im Norden — gegen
die Gemeinde Großenkneten — die ebenfalls waldgesäumte
Aue. Die Bauerschaftsgrenzen im Osten und Süden — gegen
die Gemeinde Wildenhausen bzw. die Bauerschaften Rech-
terfeld, Bonrechtern und Westendöllen sind durch keine na-
türlichen Linien markiert. Ein kleiner Nebenbach der Twell-
bäke trennt Varnhorn im Norden vom südlich anschließen-
den Hogenbögen. Neben den genannten Waldbeständen
gliedern kleine Hölzer zwischen den Feldstücken und vor al-
lem die zum Teil ineinander übergehenden Baumkämpe der
Höfe die Landschaft und lassen so die hier typische Phy-
siognomie einer „Parklandschaft“ entstehen.
Beide Bauerschaften sind fast rein landwirtschaftlich orien-
tiert, zentrale Einrichtungen fehlen fast völlig, eine Schule

wird in Hogenbögen nur 1691 erwähnt, danach gehörte die
Bauerschaft zur Rechterfelder Schulacht. In Varnhorn be-
stand von 1903 bis 1972 eine eigene Schule. Eine gewisse
Selbständigkeit zeigt sich nur im örtlichen Vereinswesen.
Die Bauerschaft Varnhorn, 872 zuerst urkundlich erwähnt,
besteht aus vier Wohnplätzen. Das relativ verdichtete sied-
lungsmäßige Zentrum Varnhorn selbst bildet einen Weiler
von ursprünglich sechs Pferdeköttern, die in oldenburgi-
scher Zeit als Vollerben eingestuft wurden; dazu traten im
Laufe der Zeit noch einige Heuerhäuser, kleine Häuslerstel-
len, die Schule und wenige reine Wohnhäuser. Die Höfe lie-
gen in unregelmäßiger Gruppierung unter dem sie verbin-
denden Baumbestand, die Hofstellen mit den Nebengebäu-
den sind noch recht gut erhalten, einer der Höfe bietet — als
auch hier seltene Ausnahme — praktisch unverändert das
Bild aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Haupthaus,
Scheune, Remise, Backhaus, Heuerhaus und einem Außen-
schafstall, eine Situation, die sich bis heute freilich nur hal-
ten konnte, nachdem die Landwirtschaft aufgegeben wurde
und die Ländereien verpachtet sind.
Im Wohnplatz Siedenbögen südlich von Varnhorn liegen
drei Vollerben-Einzelhöfe, zu denen später noch zwei Kötter
hinzu kamen.
An der Twellbäke liegen noch zwei weitere Wohnplätze: Die
Hubertusmühle ist ein Vollerben-Einzelhof, der 1501 zuerst
urkundlich'erwähnt wurde. Die 1904 erbaute Mühle steht
noch, der Speicher von 1736 wurde ins Freilichtmuseum
Cloppenburg transloziert. Die Bullmühle war ein um 1500
aus ehemals bäuerlichem Besitz geschaffenes adliges Gut,
deren wechselnde Besitzer die Anlage schon seit dem
16. Jahrhundert stets verpachtet hatten; es ist 1801 durch
Verkauf wieder in bäuerlichen Besitz übergegangen.
Eine relativ starke Vermehrung der Siedlungsstellen trat ge-
gen Ende des 19. Jahrhunderts durch die Ansetzung ver-
streuter kleiner Höfe im Nordwesten ein, seitdem ist die
Haus- und Einwohnerzahl relativ konstant geblieben
(1913 — 257 Einwohner, 1972 — 263 Einwohner).
Eine ähnliche Siedlungsstruktur, wenn auch vermutlich auf
anderer historischer Grundlage, besitzt die Bauerschaft Ho-
genbögen. Auch hier bildet den Siedlungskern ein lockerer
Weiler aus ehern, sechs Halberben und drei Pferdeköttern,
deren annähernd hufeisenförmige Anordnung sich nach
Westen öffnet und ebenfalls durch Baumbestand verbunden
ist. Die rezente Bausubstanz ist hier jedoch wesentlich stär-
ker verändert bzw. ersetzt, in Fachwerk haben sich nur rela-
tiv wenige und meist noch teilumgebaute Relikte erhalten.
Südwestlich liegen im lichten Wald der Sillbäke noch drei
Einzelhöfe (zwei Vollerben, ein Pferdekötter), die aus einer
Curia des Klosters Corvey hervorgegangen sind und den
Wohnplatz Varnhusen bilden; hier haben die Höfe in Anla-
ge und Substanz ihr historisches Bild wesentlich besser ge-
wahrt.

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