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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Denkmalpflege im ländlichen Raum — Heft 1.1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.50202#0096
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Auch eine Mühle:
„Lernen von Las Vegas“ wird überflüssig, holt
man seine Anregungen aus Norden in Ostfriesland:
Korn und Korn gesellt sich gern
Der Hof Kayser in Varnhorn ist von einer
Erbteilung bedroht. Die aus Gebäuden
unterschiedlichen Alters bestehende Bau-
gruppe ist als Ganzes ein Denkmal, dessen
Wert wesentlich von der Lage, der umgeben-
den Landschaft, den Bäumen und noch an-
deren ortsbestimmenden Faktoren abhängt.
Abbruch und Versetzen einzelner Gebäu-
de, etwa in das benachbarte Freilichtmu-
seum Cloppenburg, käme einer Zerstörung
gleich. Andererseits ist eine rein museale
Nutzung als Denkmal am Ort nur schwer
vorstellbar. Hier gilt es, einen Weg zu finden,
der wirtschaftlich (auch.volkswirtschaftlich)
ebenso vertretbar ist wie denkmal-, land-
schafts- und naturschützerisch.
In Gehrde scheint das Problem einfacher
zu sein: es geht „nur“ um eine Ortsdurch-
fahrt, die von den Behörden - bis zur Ge-
meindeverwaltung - gefordert, deren Not-
wendigkeit aber von einer ansässigen Bür-
gerinitiative bestritten wird. Der Wunsch
nach einer „modernen“ Straße („wie man sie
auch in Städten hat“) scheint nur vorder-
gründig zu sein - nach rechtem Hinhören
wird man gewahr, daß es um eine Erleichte-
rung des Gülle-Abtransportes einer Geflü-
gel-Großfabrik geht. Die dem Ortsbild schon
geschlagenen Wunden machen deutlich, daß
die beteiligten Behörden solche Einbrüche
als Verlust zu erkennen kaum in der Lage
oder nicht willens sind. Allein die Denkmal-
pflege fühlt sich gedrängt, landespflegeri-
sche Aufgaben wahrzunehmen, die eigent-
lich von anderen Stellen vertreten werden
müßten.
In Vehs lernt man die Probleme der
großen Artlandhöfe kennen, die aus der Spe-
zialisierung der landwirtschaftlichen Betrie-
be entstehen: Ein großer Teil der Gebäude
wird nutzlos und muß anderen Zwecken zu-
geführt werden. Hier und da gibt es Lösun-
gen, die sicher nicht verallgemeinert werden
können, doch aber anzeigen, daß Erhaltung -
nicht nur einzelner Gebäude, sondern des
landschaftlichen Zusammenhanges in allen


„Macht jetzt einen freundlichen Eindruck,
die ausgebaute Ortsdurchfahrt in Litzendorf,
so kommentiert der „Fränkische Tag“ den
770 Meter langen und 7,50m breiten Abschnitt
der Staatsstraße 2281, unter dem der Ellerbach
verrohrt worden ist

seinen Aspekten - durch vernünftige Neu-
nutzung möglich ist.
Die technokratisch anmutende Deich-
bauplanung an der Ems in Ditzum steht in
starkem Gegensatz zu den örtlichen Interes-
sen, vor allem der Fischer und der Schiffer.
Auch hier zeigt sich, daß die Argumente der
Denkmalpflege, wenn auch aus einer ganz
anderen Ecke kommend, mit denen der Be-
troffenen nahezu identisch sind. Anders liegt
die Sache in Jemgum, dem zentralen Ort die-
ser Gemeinde - hier besteht noch ein relativ
geringes Interesse der Bürgerschaft an der
Erhaltung des Ortsbildes. Einbrüche (vor-)
städtischer Vorstellungen sind hier, ebenso
wie auch an vielen anderen Orten, zu beob-
achten.
Erstaunliche Erfolge sind in Greetsiel zu
sehen, über die in der Bauwelt (Heft
31/1971) und auch in der Stadtbauwelt (Heft
43/1974) schon berichtet worden ist. Hier ist
es zum Beispiel gelungen, eine Kreisstraße
so durch den Ort zu führen, daß erstens das
Ortsbild nicht beeinträchtigt und zweitens
der Verkehrsteilnehmer zu angemessener
Fahrweise geführt wird. Die gleichen Instru-
mente werden in der Moorsiedlung Große-
fehn gespielt - doch wird hier der Hang zu ei-
nem perfekten Design fast schon als störend
bemerkbar.

Großinventare sind zwar auch heute noch
eine unentbehrlich Arbeitsgrundlage, doch
reichen sie mit ihren hauptsächlich im 19.
Jahrhundert entwickelten Kriterien für heu-
tige Ansprüche nicht mehr aus. Der Denk-
malbegriffhat sich, besonders in den letzten
zwei Jahrzehnten, bedeutend erweitert. Die-
se Arbeit als „Jahrhundertaufgabe“ der
Denkmalpflege zu bezeichnen, mag viel-
leicht ein wenig hochgestochen klingen - zu-
mal es bei der Erfüllung dieser Aufgabe
nicht bleiben kann. Die anhand der neuen
Kartei gewonnene Übersicht darf nicht
Selbstzweck sein, sondern muß zur Arbeits-
grundlage für eine künftige, erweiterte denk-
malpflegerische Arbeit werden, die sich
weithin als Kontaktstelle für eine interdiszi-
plinäre Arbeit an Land und Stadt versteht.
gk

Deutlich wird nach kritischer Betrach-
tung eines solchen „Suchschnittes“, daß der
Bewußtseinsstand der Beteiligten unter-
schiedlich ist. Als planerisch vernachlässigt
- gemeint ist nicht „heruntergekommen“
oder verfallen im üblichen Sinne - ist auch
dann ein Dorf zu bezeichnen, wenn in ihm
zwar viel gebaut wird, aber ohne jegliche
Rücksicht auf die gegebene Struktur. Mag es
sich dabei um neu ausgewiesene Wohnge-
biete handeln, in denen ein Hollywood-
Touch, aus Marktangeboten bemüht zusam-
mengebastelt, vorherrscht, oder um Straßen-
bauten, die von nicht endenwollenden Zu-
wachsraten ausgehen. Allzu Bemühtes ist
genauso verfehlt! Vielleicht sollte man die
noch das euphorische Denken vergangener
Jahre spiegelnde Forderung „Unser Dorf soll
schöner werden“ zurücknehmen auf eine be-
scheidenere Formel, wie sie Hartwig Suhr-
bier, angesichs der hier beschriebenen (und
anderer) Un-Fälle, jüngst ausgesprochen
hat: „Unser Dorf soll schön bleiben!“
Um den stark erweiterten Aufgabenfä-
cher, der der Denkmalpflege - zum Teil un-
versehens - zugewachsen ist, bewältigen zu
können, hat das Institut für Denkmalpflege
in Hannover mit der Aufstellung derNieder-
sächsischen Denkmalkartei begonnen. Die-
se Kartei soll allen Beteiligten eine „mög-
lichst genaue Kenntnis über Anzahl, Lage
und Beschaffenheit der vorhandenen Bau-
denkmale“ vermitteln. Die alten, bewährten

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