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Heidschnuckenhaltung in der Nordheide

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praktiziert wurde, geben uns zwei Quellen
aus dem Beginn und der Mitte des 19. Jahr-
hunderts Auskunft. In den handschriftlichen
Aufzeichnungen des Inhabers des Gutes
Burg Sittensen, des Generalmajors a. D.
Otto Schulte, aus der Zeit um 1800 heißt
es bei den detaillierten Anweisungen an
den Schäfer <78>: „Die Herde hat 2 Ställe,
der eine am Bock-Busch ist der eigentliche,
der andere im Hebeck dienet des Frühjahrs
für die Lämmer, auch bei der Schur und wenn
bei übler Witterung die Herde den ersten
Schaf stall nicht erreichen kann. Der Schäfer
hält beide Ställe verschlossen und verfertigt
selbst die erforderlichen Räufe und Ab-
scherungen. “
Die andere Aufzeichnung stammt von dem
schon mehrfach zitierten Agrarökonomen
Peters aus dem Jahre 1865 <79>: „Die
Schnucken auf den größten Heidhöfen befin-
den sich stets in zwei verschiedenen Ställen,
dem Hof-Schafstalle und dem Außen-
Schafstalle. Sie wechseln darin ihren Aufent-
haltsort. Im Winter befinden sich im
Hofschafstalle die Lämmer und ganz alten;
im Sommer sind die säugenden Mutterschafe
auf dem Hofe. Die Schnuckenherde muß
täglich hinaus, auch bei dem schlechtesten
Wetter. Die Herde im Außenschafstalle muß
von der Heide und wenigen Gräsern und
Kräutern, welche sich in der Heide vorfin-
den, allein leben. “
Die alten Außenschafställe, wie der oben
zitierte Stall des Vorwerks Rosengarten, über
den es ja hieß, daß er „mit Brettern umbher
Bekleidet“ gewesen sei, waren von besonders
solider und gesicherter Bauweise. Es dürfte
sich um die in der Heide allgemein verbreite-
te Ständerbohlenbauweise gehandelt haben,
bei der senkrechte Bretter in Nuten und Falze
des Wandfachwerkes bündig eingelassen
sind. Obgleich diese Technik - vermutlich
wegen des großen Holzverbrauches - in der
Nordheide bereits im 16. Jahrhundert schon
weitgehend aufgegeben worden war, hat sie
doch bei manchen Speichern und vereinzelt
auch bei Schafställen noch später Anwen-
dung gefunden. Einige Beispiele dieser Bau-
weise lassen sich heute noch nachweisen; zu
nennen sind entsprechende Gebäude in Rieps-
hof, Wilsede, Haverbeck, Reinsehlen, Vahlzen
und Deepen, auf die im folgenden noch

eingegangen wird. Es handelte sich meistens
um Ställe auf allein liegenden Höfen.
Einer der Gründe für diese besonders solide
Bauweise bei Außenschafställen ist in der
Sicherung gegen Wölfe zu sehen. Tatsäch-
lich war der Wolf in unserer Region zeit-
weilig eine Landplage geworden <80>.
Einer Akte der Rotenburger Amtskanzlei
lassen sich die im Amte Rotenburg vorge-
nommenen Wolfsjagden von 1659 bis 1780
entnehmen <81>. Hier hatte z.B. im Jahre
1724 der Wolf bei einem Vorwerks Schäfer,
nämlich in Bötersen, Schaden angerichtet,
indem er eine trächtige Stute gerissen hatte.
Im Jahre 1763 wird „beym Dorfe Fintel
wieder ein Wolf verspüret, der dasigen Ein-
wohnern an ihren Schafen beträchtlichen
Schaden thäte „. Im Jahre 1768 berichtete ein
Amtsvogt : „Jakob Peters aus Eickstüve
meldete dato, daß ein Wolf vom Frey tag auf
den Sonnabend einer seiner Kühe daß
Hintertheil abgefressen.“ 1769 wurden 50
Taler ausgelobt für die Erlegung eines Wol-
fes, der bei Barrl in eine Schafherde gebro-
chen war. Wenn auch solche Wolfsplagen
vielleicht nur in Abständen von mehreren
Jahrzehnten auftraten, so wundert es doch
nicht, wenn der Bauer versuchte, den Scha-
den möglichst gering zu halten. Dazu ge-
hörte es auch, die Herde nachts in sicherem
Gewahr unterzubringen. Ein Stall in Bohlen-
bauweise konnte diesem Zweck am ehesten
entsprechen.
Im heimatkundlichen Schrifttum werden
verschiedentlich weitere Gründe für die
Errichtung von Heidschnuckenställen ge-
nannt. Während die Heidschnucke vom
Nahrungsbedarf her zwar sehr anspruchslos
sei, sei sie im Gegensatz zu anderen Schaf-
rassen recht kälte- und feuchtigkeits-
empfindlich. Daher könne sie nicht, wie
andere Schafe, unter offenem Himmel zur
Nacht „gehürdet“ werden, sondern müsse
unter Dach kommen. Einen besonderen
Anlaß zur Einstallung sieht Rüggeberg <82>
in dem „Wildschafcharakter“ der Heid-
schnucke: „Wenn man einmal gesehen hat,
wie bei der Heidschnuckenschau in Müden
sich ein Bock mit nur einem Schritt Anlauf
über das Absperrgitter warf, um auszu-
brechen, dann kann man sich vorstellen, daß
es unmöglich ist, eine Herde von 200 Stück
 
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