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Wandständerschafställ e

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als Schutz der Wände vor der andrängenden
Herde und vor dem Schafdung.
Hin und wieder schlug sich die Doppelnut-
zung solcher Scheunen auch in konstruktiven
Merkmalen nieder. So stehen in Wennerstorf
sowie in Regesbostel einzelne Scheunen,
deren Durchfahrt zum Bansenraum hin
erweitert war, indem die scheunentypische
innere Längswand streckenweise weggelas-
sen worden war; vermutlich wurde eine
größere Fläche als Winterstall benötigt.
Eine große Scheune in Nindorf am Walde
besaß sogar einen im Gefüge fest abgeteilten
Stallraum mit einer zusätzlichen, später
vermauerten Großtür neben der Längs-
durchfahrt (Abb. 61).


Abb. 61: Nindorf am Walde, Lkrs. Harburg, Scheune
mit Schafstallteil

Es fällt nicht schwer, sich eine diesbezüg-
liche Entwicklung in regional unterschiedli-
cher Ausprägung auch für frühere Jahrhun-
derte vorzustellen, etwa in der Art, daß
allgemein das erste und wichtigste Nebenge-
bäude des Hofes, die Scheune, als Winter-
stall mitverwendet wurde. Als die Schafher-
den größer wurden, mag dieser Gebäude-
typus nicht mehr ausgereicht haben. So
konnte die Idee geboren werden, eine sozu-
sagen isolierte, selbständige „Durchfahrt“
auf dem Hof zu errichten, die nun aus-
schließlich als Schafstall Verwendung fand.
Selbstverständlich war die Bauweise, was
Material, Konstruktion und Proportionen

betraf, damals und auch lange Zeit später
identisch mit derjenigen der Scheunen-
Ausgangsform. Dieses gilt besonders für das
Prinzip des eingehälsten Ankerbalkens, der
den meisten Nebengebäuden Niederdeutsch-
lands - im Gegensatz zu den Haupthäusern -
über Jahrhunderte hin sein Gepräge gab, und
der seine besonders konstruktive Bedeutung
dort hat, wo die zu den Seiten gerichteten
Druckkräfte der gefüllten Scheunenbansen-
räume aufgenommen werden müssen. Im
Gegensatz zu den Scheunen wurden beim
Schafstall diese Balken zu einem nicht mehr
bestimmbaren Zeitpunkt mit Brettern belegt,
um so einen Stapelraum für Einstreu und
Winterfutter zu gewinnen. Der eingehälste
Ankerbalken ist für die balkenlastige Ernte-
bergung weniger gut geeignet, so daß sich
schließlich im Schafstallbau die Form des
aufgelegten Balkens durchsetzte.
Um Mißverständnissen und Verwechslungen
vorzubeugen, soll betont werden, daß die
zuletzt aufgeführten Scheunen mit Anhalts-
punkten für eine vorübergehende Schafauf-
stallung von uns nicht als eigentliche Wand-
ständerschafställe angesehen werden und
daher auch nicht dort kartiert wurden. Alle
angeführten und kartierten Wandständerställe
waren anhand ihrer typischen Merkmale,
nämlich der giebelseitigen mittelständigen
Ein- oder Durchfahrt mit nach außen öffnen-
den Toren, dem Bretterbelag des Bodens, der
Luke über einem der Tore, der zusätzlichen
Fußgängertür, dem ungeteilten Innenraum,
der eingetieften „Diele“, dem erhöhten
Findlingssockel oder der häufig vorkom-
menden Bohlenausfachung der unteren
Wandabschnitte, eindeutig erkennbar. Eine
Verwechslung mit konstruktiv ähnlichen
Scheunen ist bei solchen Befunden vermeid-
bar, auch wenn oftmals die Überlieferung
hinsichtlich der ursprünglichen Stallfunktion
versagt.
Die dennoch auftretenden Schwierigkeiten
bei der Kartierung mögen durch die folgen-
den Beispiele belegt werden. Auf einer
Abbauerstelle in Riepe, deren Haupthaus
1812 erbaut worden ist, ist kurze Zeit nach
Gründung der Hofstelle ein Schafstall errich-
tet worden, und zwar konnte hierfür - nach
der Überlieferung - ein Nebengebäude aus
Ostervesede erworben und an der Hofgrenze,
 
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