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Schafställe mit einseitiger Kübbung

der Balken in die Ständerköpfe, verbunden
mit einem sogenannten Oberrähm. Letztere
Konstruktion findet sich allerdings nur in der
hofseitigen hohen Wand. Wie die Quer-
schnittszeichnung (Tafel 13A, b) deutlich
macht, sind die Balken dagegen auf die
Ständer der anderen Seite aufgezapft und
ragen ein beträchtliches Stück über die
Ständerreihe hinaus. Seitlich davon ist - wie
bei einem Zweiständer-Bauernhaus - eine
niedrige Kübbungswand angehängt. Sie ist
ebenfalls mit Holzbohlen versehen. Es han-
delt sich somit jetzt nicht mehr um ein reines
Wandständergebäude, vielmehr findet sich
auch eine innere Ständerreihe. Definitions-
gemäß muß man von einem Zweiständerbau
mit einseitiger Kübbung sprechen.
Bei dem Versuch, die Funktion dieser nicht
später angebauten, sondern zum Primär-
gefüge gehörenden niedrigen Abseite zu
erkunden, ist zunächst zu beachten, daß von
außen her eine kleine Fußgängertür in diesen
Bereich hinein führt, und zwar nur von der
Längsseite her (Tafel 13B, c). Damit und
auch wegen der Schmalheit des Raumes ist
eine Nutzung etwa als zusätzliche Längs-
durchfahrt oder Remise, aber auch als
Schweinestall ausgeschlossen. Die innere
Ständerreihe ist nur teilweise als Wand
ausgebildet, und zwar insofern, als Leg-
schwelle, Schwellriegel und Zwischenriegel
durchgehend vorhanden sind und außerdem
eine kleine Tür in den Hauptstallraum führt.
Eine Ausfüllung der Gefache dieser „Innen-
wand“, etwa mit Flechtwerk, Lehm oder
eingenuteten Bohlen, hat aber nicht vorge-
legen. Auch finden sich keine Spuren von
Anbindevorrichtungen, vergleichbar etwa den
Stallbäumen der Rinderställe des Haupt-
hauses. Einige provisorisch und offenbar zu
unterschiedlichen Zeiten aufgenagelte Bohlen
zwischen den Ständern und Riegeln lassen
darauf schließen, daß die Abseite je nach
Bedarf in unterschiedlichem Maße vom
Hauptstallraum abgetrennt worden ist. Dies
dürfte ihrer Funktion als Sonderstall für
einzelne Tiere insofern entsprochen haben,
als diese vermutlich ungern vollständig von
der Herde abgesondert, vielmehr in engem
Raum- und Luftkontakt gehalten wurden.
Abbildung 64 zeigt einen zwar neu, jedoch in
Anlehnung an einen Vorgängerbau errich-

teten und als typisch anzusehenden Stall in
der Heide von Hof Höpen bei Schnever-
dingen.

Abb. 64: Schneverdingen, Hof Höpen, Lkrs. Soltau-
Fallingbostel, rekonstruierter „Heideschafstall“


Gerade in der Umgebung Schneverdingens
ist der Typus „Schafstall mit einseitiger
Kübbung“ verbreitet gewesen. Noch heute
lassen sich mehrere entsprechende Gebäude
auffinden, die eine Art Entwicklungsreihe mit
der Tendenz einer zunehmenden Verbrei-
terung der Kübbung und einer entsprechen-
den konstruktiven Differenzierung erkennen
lassen.
Einen Höhepunkt der hier angedeuteten
Entwicklung stellt der reichhaltig ausge-
staltete Stall vom Hof Pietz bei Heber dar,
den schon Traber < 154> abbildete. Der
erhebliche Überstand des Balken-Stamm-
endes an der Innenständerreihe wird von
einem großen Nackenkopfband gestützt. Die
Kübbung ist in diesem Falle - und anders als
in Vahlzen - von beiden Giebelseiten durch
eine Fußgängertür erschlossen gewesen; doch
bestand auch hier an der Innenständerreihe
kein fester Wandabschluß, es lag vielmehr
Luft- und zum Teil Raumeinheit zwischen
Kübbung und Hauptstall vor. Das Baujahr
dieses Stalles ist durch eine Inschrift bezeugt,
und zwar (im Gegensatz zu Traber, der die
Inschrift mit 1650 deutete) das Jahr 1750.
Besonders beachtlich war die sorgfältige
Bohlenfüllung der Wände und der
knaggengestützte Dachüberstand, der das
zweizeilige Fachwerk des Krüppelwalms
schützte. Letzterer war ohne jede Füllung
offen geblieben, ebenso wie die mittlere Luke
zum Bodenraum (Abb. 65a). Die offenen ein-
 
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