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Primäre Kübbungsschafställe mit Ankerbalkengefüge

Man muß in diesen Gefügen eine Sonder-
entwicklung sehen, die zu der sonst üblichen
Bauweise geradezu gegensätzlich verlief. In
diesem Zusammenhang ist nochmals hervor-
zuheben, daß in unserer Region bei den
Zweiständer-Wohnstallhäusern, die in ihrem
Dielenteil den Kübbungsschafställen ja
weitgehend ähnlich sind, in keinem Falle ein
Ankerbalkengerüst vorkommt. Das gilt auch
für die kleinsten Wohnstallgebäude, etwa
Häuslingshäuser, deren Balken durchaus
keine größeren Spannweiten als die der
Schafställe aufweisen.
Als wesentlich ursächlich für die Entstehung
der hier behandelten besonderen Schafstall-
gefüge ist wahrscheinlich die verbreitete
Zweitverwendung von Bauholz anzusehen.
Bei einigen der Kübbungsställe mit Anker-
balkengefüge gelang der Nachweis ihrer
Entstehung aus Wandständerschafställen, bei
denen diese Bauweise ja üblich war
(Goldbeck, Schmalenfelde, Vahlde, eventuell
auch Hohenhausen und Stemmen). In diesem
Zusammenhang ist auch noch einmal auf die
EinkübbungsStälle von Hesedorf hinzu-
weisen, deren Kübbungen zur Raum-
erweiterung sekundär an ein Wandständer-
Ankerbalkengefüge angehängt worden
waren.
In mehreren weiteren Fällen war eine Zweit-
verwendung von Teilen ehemaliger Wand-
ständergebäude zu erkennen, zu denen auch
Scheunen gezählt haben könnten. Es ist leicht
vorstellbar, daß es sich um Hofscheunen
gehandelt hatte, die größeren Bauten weichen
mußten, oder daß ehemals in der Feldflur
gelegene Kornscheunen ihre Funktion verlo-
ren hatten; so hätten Teile dieser abgerissenen
Gebäude beim Bau von Schafställen, nach
denen offenbar zur gleichen Zeit ein stärkerer
Bedarf bestand, wiederverwendet werden
können. Es ist naheliegend, daß besonders
die Wiederverwendung von Balken ange-
strebt worden ist. Allerdings lassen sich
Balken aus Ankerbalkengebäuden nur um
den Preis einer erheblichen Verkürzung in der
üblichen Weise als Dachbalken verwenden.
Um eine Verschwendung des kostbaren
Bauholzes zu vermeiden, wird man sie also
meistens wieder als Ankerbalken eingebaut
haben, sozusagen unter Mißachtung der
seinerzeitigen zimmereitechnischen Traditio-

nen und außerhalb einer „bauhistorischen
Kontinuität“, wie sie einem Gefügeforscher
vorschweben mag. Daß ein solches, vielleicht
zunächst nur an praktischen Gegebenheiten
orientiertes Vorgehen wiederum Schule
machen und sogar zu einer regionalen Tradi-
tion führen konnte, zeigen die doch recht
zahlreichen angeführten Beispiele, bei denen
es auch ohne die Vorgabe einer Zweit-
verwendung von älteren Bauhölzern zu der
Bauweise mit eingehälsten Ankerbalken an
Innengefüge-Schafställen gekommen ist. -
Karte VI zeigt alle von uns aufgefundenen
Ställe dieses Typs.
Immerhin besteht bei einem Abweichen von
traditionellen und erprobten Handwerker-
Techniken die Gefahr von Fehlern.


Abb. 96: Klein Ippensen, Lkrs. Rotenburg/W.,
Kübbungsschafstall, eingehälster Nadelholzbalken
mit Bruchstelle

Die Funktion der Ankerbalken in Scheunen
ist wegen der bodenlastigen Erntestapelung
eine andere als diejenige der Balkenlage
eines Zweiständerstalles, bei dem eine bal-
kenlastige Lagerung von Futter und Einstreu-
material vorgesehen ist. Hierin gleichen die
Kübbungsschafställe den Bauernhäusern, in
 
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