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Kübbungsschafställe mit jüngeren Unterrähmgefügen

etwa gleich weit entfernt liegen im Bereich
des Amtes Harburg unser „Riepshöfen“ mit
zwei Hofstellen, südlich davon „Riepen, ins
Amt Rothenburg gehörig“, damals ebenfalls
aus zwei Höfen bestehend. Die Namensüber-
einstimmung ist wohl kaum zufällig, sondern
deutet für beide Ortschaften eine besondere
Lage und vielleicht Funktion als jeweiliger
Grenzhof an. In unserem Zusammenhang ist
es interessant, daß auch in Riepe, wie der Ort
heute heißt, eine für die dortige Region unge-
wöhnliche Besonderheit festzustellen ist, näm-
lich ein Kübbungsschafstall im Bereich der vor-
herrschenden Wandständerställe (Abb. 133).


Abb. 133: Riepe, Lkrs. Rotenburg/W., Kübbungs-
schafstall, heute Wohnnutzung

Freilich handelt es sich dabei um ein eher
junges Bauwerk, eventuell aus dem begin-
nenden 19. Jahrhundert stammend. Doch
machen solche Beobachtungen nachdenklich
in Hinblick auf die Möglichkeit eines lange
nachwirkenden kulturellen Austausches in
Grenzgebieten, aber auch in Hinblick auf die
kulturgeographische Prägung selbst so pro-
faner Nutzbauten, wie es die Schafställe sind.
Als ein „grenzüberschreitender“ Sonderfall
kann schließlich auch die Situation in Witt-
kopsbostel bezeichnet werden. Dieses Dorf
liegt im nördlichen Abschnitt des Kirchspiels
Scheeßel, der bis in das 19. Jahrhundert in
seiner Zugehörigkeit zwischen dem Verdener
Amt Rotenburg und dem Bremischen Amt
Zeven strittig war. In benachbarten Dörfern
des Kirchspiels Scheeßel fanden wir ganz
überwiegend Wandständerställe, teils auch als
Ausgleichsform die vereinzelten Einküb-
bungsbauten. Auf einem Hof in Wittkopsbo-
stel steht, wie schon beschrieben, ein typi-
scher Zweiständer- Kübbungsschafstall in

Ankerbalkenbauweise, dessen Vorkommen
jedoch noch relativ leicht erklärbar ist, da er
aus zweitverwendeten Gefügeteilen eines
ehemaligen Wandständergebäudes zusam-
mengesetzt worden ist.
Zu einem anderen Hof Wittkopsbostels aber
gehört ein Gebäude in der Feldmark, bei dem
es sich mit Sicherheit um einen ursprüng-
lichen Kübbungsschafstall gehandelt hat, wie
sich aus der Anordnung der Riegel und aus
dem völligen Fehlen von Spuren ehemaliger
Wandausfüllungen am Innengefüge ergibt.
Hinsichtlich der äußeren Beschaffenheit ist
als Besonderheit zu verzeichnen, daß sich die
obligate Luke nicht als Einschnitt in der
Dachfläche sondern in einem Krüppelwalm
über dem Tor befindet. Als Merkmal einer
jüngeren Bauepoche sind auch die wand-
hohen Streben (Sturmbänder) der Giebel-
wände einzustufen. Der rückwärtige Giebel
hatte ein Vollwalm, aber keine Einfahrt. Auch
war das Fachwerk aller Außenwände bereits
ursprünglich mit Backsteinen ausgemauert.
Das Innengefüge weist dagegen ungewöhn-
liche und teilweise altertümlich wirkende
Merkmale auf (Tafel 41). Zwar sind auch hier
einige Details, zum Beispiel die Bearbeitung
der Ständer, Riegel und Kopfbänder, die
Zimmermannszeichen und die geringe Stärke
der Holznägel recht „modern“; vor allem die
Tatsache, daß der Balkenüberstand von
Nackenkopfbändern gestützt wird, läßt in
dieser Region an ein sehr spätes Kübbungs-
bauwerk denken, vor allem in Analogie zu
dem Behrensschen Schafstall in Tiste, der
wohl erst um 1850 errichtet worden ist und in
dem reichlich Weichholz verbaut wurde (s.o.
Abb. 127). Auch in dem Stall von Wittkops-
bostel bestehen die Sparren aus unterschied-
lich dimensionierten, teilweise zweitverwen-
deten, geradezu wie zusammengesucht
wirkenden Nadelhölzern. Sie sind aber „im
ungebundenen System“ auf eine Weichholz-
Sparrenschwelle gesetzt. Eine derartige
Dachkonstruktion ist bei Bauernhäusern des
Landkreises Rotenburg zwar die Regel,
kommt aber bei keinem anderen der uns
bekannten Schafställe vor. Das Hauptgefüge
dieses Stalles besteht vollständig aus Eichen-
holz, wobei zusätzlich zu den Balken des
normalen Gefüges sogenannte freie oder
„Lügenbalken“ in der Mitte jeden Faches auf
die Rähme gelegt wurden.
 
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