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Jüngere Schafstallgebäude


Abb. 168: Gyhum, Lkrs. Rotenburg/W., Federzeich-
nung eines Außenschafstalles, ehemals Querdurch-
fahrtsscheune. Autor: Heini Branschen, 1954
Bodenluke und Fußgängertür sind erkennbar.
Abweichend vom üblichen Schafstalltypus
hatte dieses Gebäude eine traufseitige Ein-
fahrt besessen. Dicht neben diesem Stall hat
ein weiteres Gebäude gleichen Zuschnittes
und gleicher Funktion gelegen, und noch
heute befindet sich in etwa 300 m Abstand -
in gleicher Entfernung vom Dorf - eine
typische Querdurchfahrtscheune, wie sie als
Feldscheune in dieser Gegend früher regel-
mäßig anzutreffen war. Es ist somit wahr-
scheinlich, daß der Schafstall ebenfalls eine
Feldscheune gewesen ist, die nach dem Ver-
lust ihrer Funktion am Ursprungsort verblieb
und schließlich ihrer letzten Nutzung zuge-
führt wurde. Bei dieser Gelegenheit ist wohl
auch das durch sein Pfannendach als jüngerer
Anbau erkennbare offene Schauer angefügt
worden. Dieser Anbau entspricht einer Bau-
mode der Mitte des 19. Jahrhunderts, die für
mehrere Schafställe der Nachbardörfer
nachzuweisen ist. Seine Nutzung als Stapel-
und Trocknungsplatz für die nur langsam
trocknende gehauene Einstreuheide ist für
diese Dörfer mündlich überliefert und auch
auf alten Fotos gelegentlich zu erkennen.
Unter welchen Umständen es zu der Umnut-
zung einer Scheune zum Schafstall kommen
konnte, mag noch ein anderes Beispiel be-
leuchten. Im Borcheler Moor, das als eines
der letzten Moore des Landkreises Rotenburg
„in heiler Haut“ lag, wurde von Hesedorf
aus Anfang des 20. Jahrhunderts eine
Kolonistenstelle gegründet, wobei zur
Beweidung der Heideflächen eine größere
Heidschnuckenherde angeschafft wurde. Der
Schafstall dieses Siedlerhofes läßt sich auf

einem alten Foto identifizieren <220>; es
handelt sich ebenfalls um einen quererschlos-
senen Wandständerbau. Ein sehr alter Ein-
wohner Hesedorfs wußte noch zu berichten,
daß er selbst um 1920 beim Abzimmern des
Gebäudes geholfen hat, welches man an
einem anderen Ort abgebaut hatte. Auch hier
war eine ehemalige Feldscheune - mit unver-
änderter Querdurchfahrt - umgesetzt und als
Schafstall umgenutzt worden.

Daß auch Hofscheunen am ursprünglichen
Standort zur Unterbringung einer - vielleicht
nicht allzu großen - Schnuckenherde verwen-
det werden konnte, wurde bereits bei der
Untersuchung über die Verwandtschaft
zwischen Ställen und Längsdurchfahrtsscheu-
nen dargelegt. Auf einer Abbauerstelle des
frühen 19. Jahrhunderts in Wittkopsbostel
liegt neben dem Großtürgiebel des Hauses
eine kleine ortsübliche Scheune mit
Querdurchfahrt (Abb. 169). Auf der rechten
Seite ist zu einem späteren Zeitpunkt eine
dichte Trennwand zwischen Durchfahrt und
Bansenraum eingefügt worden; hier waren
zuletzt die Schafe aufgestallt.


Abb. 169: Wittkopsbostel, Lkrs. Rotenburg/W.,
Querscheune auf Abbauerstelle mit späterer
Schafstallnutzung

Solche erst in jüngerer Zeit als Schafstall
genutzte Scheunen spielen für die älteren
kultur- und bauhistorischen Zusammenhänge
natürlich keine Rolle und wurden deshalb im
Rahmen unserer Untersuchungen weder
systematisch erfaßt noch in die Kartierung
aufgenommen. Die in quererschlossenen
Gebäuden neben der Durchfahrt liegenden
Räume eignen sich übrigens nicht gut als
Schafstall, weil in ihnen das Einbringen des
Einstreus und das Aufladen des festgetre-
tenen Schafmists auf den Düngerwagen viel
mühsamer ist.
 
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