4 Gründerzeitliches, zweiflügeliges Fenster (mit feststehendem Oberlicht
und zwei nach außen zu öffnenden Drehflügeln), Hannover, Gretchen-
straße.
5 Nachbau dieser gründerzeitlichen Fenster (mit feststehendem Ober-
licht, die mit einer „Wienersprosse" ausgestattet sind und nach innen zu
öffnenden Drehflügeln), Hannover, Gretchenstraße.
Die Oberlichter aller Typen sind in der Regel feststehend ausgebil-
det und durch Sprossen gegliedert, wobei neben der schlichten verti-
kalen Teilung auch aufwendige kleinflächige Unterteilungen vorkom-
men. Das Größenverhältnis zwischen Oberlicht und Fensterflügel
beträgt etwa ein Drittel zu zwei Dritteln. Die Kämpfer solcher Fenster
sind mit stark profilierten Wasserschenkeln versehen. Die Schlaglei-
sten der zweiflügeligen Fenster zeigen auch bei den schlichtesten
Ausführungen profilierte Leisten und weisen Verzierungen wie Kon-
sölchen, Kapitelle und Basen auf, die damals als Massenartikel produ-
ziert, nach dem Geschmack des Bauherren kombiniert werden konn-
ten. Bei den feststehenden Flügeln des drei- oder vierflügeligen Typus
sind die Setzhölzer (Pfosten) selten dekoriert.
Üblicherweise haben die Fenster der Zeit eine innen angeschla-
gene Blendrahmenkonstruktion. Sie sind mit einem Quetschfalz und
einfachem Deckfalz ausgestattet, ihre Einfachverglasung wurde außen
mit Leinölkit gegen Regen abgedichtet.
Der Verschlußmechanismus der nach außen aufgehenden Fenster
ist eine sogenannte „Krücke" zum Feststellen eines Fensterflügels und
ein Stangenverschluß als aufgesetzter Drehriegel zum Feststellen bei-
6 Das Foto zeigt unten ein originales gründerzeitliches, vierflügeliges Fen-
ster; oben einen Fenstersatz unter Wiederverwendung der originalen
Schiagleiste. Hannover, Wittekindstraße.
der Flügel. Sturmhaken verhindern ein Zudrücken der geöffneten Fen-
sterflügel auch bei starkem Wind.
Bei den dreiflügeligen Fenstern ist der nach innen zu öffnende Flü-
gel notwendigerweise mit einem Wasserschenkel ausgestattet, der
das Eindringen von Regenwasser verhindert. Bei diesem Fenstertypus
ist der aufgesetzte Drehriegel durch einen aufgelegten Stangenriegel
mit mittlerem Einreiber ersetzt Wird der Handgriff (nach ihrer
ursprünglichen Form als „Olive" bezeichnet) um 90° gedreht, schiebt
eine Zahnmechanik in dem aufgesetzten Kasten die Stangen nach
außen (zu) oder zieht sie zusammen (offen).
Die Farbe der Fenster war dunkel, allgemein in braunen oder grü-
nen Tönen gehalten. So, wie es bei der Gestaltung der Fassade
erhebliche Unterschiede im Aufwand des bauplastischen Stuckes von
simplen Gesimsbändern und profilierten Rahmungen bis zu Säulen-
ordnungen mit Karyatiden gibt, sind auch die Fenster mehr oder weni-
ger aufwendig gestaltet. Es gibt hervorragende Beispiele handwerkli-
chen Könnens, was sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Bau-
denkmale macht.
Fenster im Ensemble der zwanziger Jahre
Der bereits vor dem Ersten Weltkrieg bestehende eklatante Woh-
nungsbedarf wurde durch den Krieg verschärft (1917 allgemeines
Bauverbot). 1919 wurde ein Wohnungsfehlbestand von einer Million
Wohneinheiten geschätzt. Die in der Vorkriegszeit begonnenen woh-
nungs- und planungsreformerischen Aktivitäten fanden, nachdem die
Monarchie durch die Weimarer Republik ersetzt worden war, gesetz-
liche Verankerungen. In der Zeit von 1924 bis 1932 wurden beinahe
zwei Millionen Wohneinheiten als kleine Eigenheime oder Mietwoh-
nungen für minderbemittelte Bevölkerungsgruppen gebaut und
damit eine Verbesserung der Wohnungsituation erzielt. Träger des
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