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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das Fenster im Baudenkmal — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 12.1994

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Gärtner, Dieter; Gärter, Dieter: Grundsätze zur Fenstersanierung
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https://doi.org/10.11588/diglit.51143#0051
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Grundsätze zur Fenstersanierung

Dieter Gärtner
Das Fenster
Seine Primäraufgaben: Belichtung, Belüftung.
Seine Sekundäraufgaben: Wärmeschutz, Lärmschutz, Wandver-
schluß, Fassadengestaltung, Kontaktmedium zur Umwelt, Raumgestal-
tung, ...
Das Fenster muß mehreren Ansprüchen des Menschen gerecht
werden. Zu Beginn der Fensterentwicklung reichte es ihm, wenn es den
Erfordernissen von Belichtung und Belüftung entsprach. Im Laufe der
Zeit wurden weitere Ansprüche an das Fenster gestellt. Es mußte als
Wandverschluß Sicherheit gewährleisten, den Kontakt nach außen
ermöglichen, es sollte eindringenden Regen verhindern und als Gestal-
tungselement der Fassade Eindruck erwecken. Form, Gestaltung und
Material des Fensters entsprachen den jeweils zur Verfügung stehen-
den Erkenntnissen, Fertigkeiten, Werkzeugen und Rohstoffen (siehe da-
zu: Historische Fenster l-VII; Arbeitsblätter des Fortbildungszentrums für
Handwerk und Denkmalpflege, Propstei Johannesberg, Fulda; erschie-
nen in Ausgaben der Zeitschrift »Bauhandwerk« 1987/88).
Aufgrund der Energieknappheit und erhöhten Lärmbelästigung
gelangten Anfang der siebziger Jahre Wärme- und Lärmschutz durch
die Fenster zu größerer Bedeutung. Das Fenster als gestaltendes Ele-
ment der Hausfassade wurde in den Hintergrund gedrängt. Für die
noch original erhaltenen Fenster bedeutete dieses Umdenken zumeist
den »Tod«.
Neue Techniken ermöglichten es, preiswerte Fenster herzustellen,
die den Ansprüchen »guter Wärme- und Schalldämmung« entspra-
chen - z.B. die verbesserten isolierverglasten Fenster. Eine Überprü-
fung auf die Eignung für den historischen Altbau fand nicht statt. Die
kurzfristig kostengünstigste Lösung der Fenstersanierung wurde
gewählt - der Fensteraustausch.
»Brief an Frau Saubermann:
Liebe Fau Saubermann, sicher ist eine Glatze pflegeleichter. Lassen Sie
sich deshalb ihre prachtvollen Locken scheren? Wenden Sie nicht
gerne Zeit und Mühe auf für Ihr Äußeres, damit Ihnen der Blick in den
Spiegel Spaß macht und wir unsere Freude an Ihnen haben? Wir
gehen auch an Ihrem Haus vorbei und begreifen es einfach nicht, daß

der Putzlumpen und der Aufwand von einer Viertelstunde mehr für
Sie Argument genug waren, einen so barbarischen Kahlschlag anzu-
ordnen. Und eine der schönsten Fassaden im Ort zu verstümmeln. Vor
drei Tagen erst haben Sie die Riesenscheiben geputzt, all Ihre Blumen-
töpfe beseite geräumt. Und dann wäre Ihnen das Ungetüm beim Kip-
pen fast auf den Kopf gefallen. Jetzt ärgert Sie schon wieder der viele
Staub und die Ränder der Tropfen. Das alles hätten Sie bei den alten
Sprossenfenstern völlig übersehen. Da stört der Schmutz lange nicht
so, der verspielt sich. Das ist so wie mit Ihrem hochglanzplastikbe-
schichteten Tisch. Sie sehen jeden Makel. Sie wischen kürzer, aber
öfter. Und das läppert sich mit der Zeit. Hochglanz will immer auf
Hochglanz sein. Mit dieser lästigen Forderung ärgert er Sie wie ein
tropfender Wasserhahn.« [1]
Das Fenster als originales Bauteil
Denkmäler vermitteln als lebendige Zeugnisse Kenntnisse über Fertig-
keiten der Menschen in vergangenen Epochen. Der Bedeutung dieses
kulturellen Erbes tragen die Verantwortlichen in der Bundesrepublik
durch die Denkmalschutzgesetzgebung und -durchführung in den
einzelnen Ländern national als auch durch gemeinsame Verträge und
Erklärungen (z.B. Charta von Venedig) international Rechnung.
Wesentliche Elemente eines Baudenkmals sind seine originalen
Bauteile, die entsprechend zu schützen und zu pflegen sind wie das
Bauwerk selbst. Das heißt, nicht nur der Baukörper, sondern auch z.B.
die Fenster sind Denkmal. So sind Häuser teilweise aufgrund der noch
original vorhandenen Fenster unter Denkmalschutz gestellt worden,
d. h, die Denkmalschutzgesetze erstrecken sich ebenso auf sie wie die
Regeln der Restaurierung und Sanierung.
»Grundsätze denkmalgerechter Sanierung
1. Sorgfältige Bestandsaufnahme in formaler und technischer Hinsicht
2. Beschränkung der Eingriffe auf das unbedingt Notwendige
3. Erhaltung auch nicht sichtbarer Teile
4. Ausführung aller Reparaturen und Austauschteile in authentischen
Materialien, Formen und authentischer Handwerkstechnik
5. Reversibilität« [2]

1 Vergleich des ursprünglichen und des neuen Fensters in einer Fassade.


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