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Kanzeltreppe
Der aus massivem Eichenholz gefertigte Treppenauf-
gang besteht aus einer Spindeltreppe und der Trep-
penbrüstung, die aus den karyatidenförmigen Dar-
stellungen der Fünf Sinne gebildet ist. Die Trittstufen
sind in der Mitte in die Spindel, den sogenannten
Mönch, und außen in die Treppenwange eingezapft.
Die Futterstufen sind von hinten aufgenagelt - wahr-
scheinlich eine Zutat aus jüngerer Zeit. Die Treppen-
brüstung ist als Rahmen mit dem gleichen Drall der
Treppe zusammengefügt und ebenfalls in die Trep-
penwange eingezapft. Der Handlauf, ein mehrteiliges
zusammengesetztes Gesimsprofil, schließt oben die
Treppenbrüstung ab. Als Antritt dienen drei verzierte
Balken mit aufgedoppelten Trittstufen, die von
Wangen mit Maskenzier eingefasst sind (Abb. 81).
Schnitztechnik
Werktechnik
An den Schnitzereien sind werktechnische Spuren
erkennbar, die in dieser prägnanten Form so üblicher-
weise nicht nachweisbar sind. Die Figuren zeigen
Dellen, die sich bei genauerer Betrachtung als Mess-
punkte erweisen. Münstermann nutzte wahrschein-
lich ein damals gängiges Punktierverfahren, um die
Figuren im Holzblock anzulegen. Zum Punktieren
bzw. Messen benutzte er unter anderem einen Zirkel,
dessen Spuren an den ornamentalen Reliefs sichtbar
sind.
Mit dem „Zirkelmessverfahren" wurden allerdings
meistens nur einfache und flache Schnitzwerke her-
gestellt (Abb. 82). Sollten Figuren in verdrehter kon-
trapostischer Stellung oder ganze Figurenszenen
gefertigt werden, kam ein weiteres, übersichtlicheres
Verfahren ergänzend zur Anwendung. Auch dieses
lässt sich an den Arbeiten Münstermanns an nicht ver-
putzten oder zu tiefen Bohrungen nachvollziehen.
Dass er als Vorlagen Grafiken benutzt hat, ist nach-
weisbar (vgl. den Beitrag Königfeld, S. 44 ff.), ob auch
plastische Modelle, eine Weiterentwicklung der Bild-
hauertechnik des 14. Jahrhunderts,2 kann man nur
vermuten. In solchen zuweilen „Klötzchen" genann-
ten Vorbildern wurden in den Werkstätten besonders
häufig vorkommende Gruppen oder Bewegungsmo-
tive ohne feinere Durcharbeitung festgehalten und
immer wieder verwendet.3
Werkzeuge
Anhand der Spuren von Schnitzeisen lassen sich
Rückschlüsse auf die Schneideformen ziehen. So kann
man in Bohrungen und großen Vertiefungen Anhalts-
punkte für runde Stiche finden. Münstermann be-
nutzte auch „links-" und „rechtsseitig" schief ange-
schliffene Hohlmeißel, um besonders schmal zulau-
fende Faltenwürfe herzustellen (Abb. 83). Eisen mit

81 Spindeltreppe.


82 Zirkeleinstich (vgl. Pfeil in der Abbildung).
 
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