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Archäologie und Informationssysteme
ASPEKTE DER DATENBEREITSTELLUNG
Freie Daten für freie Bürger -
Ein Essay über archäologische Daten, die Öffentlichkeit und open data
Ulf Ickerodt
Das Verhältnis von archäologischer Denkmalpflege zu
ihren Daten ist ambivalent und durch ein als indivi-
dualisiertes Besitzstreben zu bezeichnendes Selbstver-
ständnis gekennzeichnet. Wem gehören die erhobe-
nen Daten? Dürfen Daten überhaupt herausgegeben
werden? Kann ein Laie, sei es ein Laienforscher oder
ein Raumplaner, mit unseren archäologischen Daten
überhaupt etwas anfangen? Im Rahmen solcher Dis-
kussionen wird häufig auch der Verweis auf Sonden-
gänger und Raubgräber als nahezu klassisch zu be-
zeichnendes Argument bemüht. In dem Tourismus-
land Schleswig-Holstein ist aber auch eine Vielzahl der
eingetragenen Denkmale weiträumig ausgeschildert
und wird touristisch beworben. Warum also solche
Daten geheim halten?
Um sich in diesem Geflecht aus Fachwissen, prakti-
schen Erfahrungen, rechtlichen Rahmenbedingungen
und subjektiven Standpunkten zurechtzufinden, lohnt
es, einen Schritt aus der Diskussion herauszutreten
und einen Blick von außen zu wagen. Dabei zeigt sich
sehr schnell, dass diese als fachspezifisch-archäolo-
gisch geführte Diskussion Bestandteil eines überge-
ordneten Diskurses ist. Dieser koppelt wissenschaftli-
ches Selbstverständnis mit gesellschaftspolitischen
Grundannahmen, die wiederum vor dem Hintergrund
eines gesellschaftlichen Wandels zu sehen sind. Um
dieses alles inhaltlich besser durchdringen zu können,
werden im Folgenden drei Untersuchungsbereiche
herausgestellt.
Den übergeordneten Bezugspunkt bildet die „Öffent-
lichkeit", mit der archäologische Denkmalpflege als
wissenschaftsorientierte Verwaltungsstruktur in einer
Wechselbeziehung steht. Damit sind bereits einige
grundlegende Erwartungshaltungen festgelegt. Wohl
nicht erst mit der Neuzeit setzt die Erkenntnis ein,
dass, abstrakt ausgedrückt, die Teilhabe an Infor-
mationen - auch in Demokratien - zum einen ein
Machtinstrument und zum anderen in den modernen
Massengesellschaften gerade auch deswegen ein
Demokratiekriterium sein kann. Dem steht die
Erkenntnis der wissenschaftlichen Fachwelt „archäo-
logische Denkmalpflege" gegenüber, dass wissen-
schaftliche Fakten und Daten und damit Wissen
immer auch von politischen Entscheidern oder
Wirtschaftsunternehmungen missbraucht werden
können. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die
ebenfalls berechtigte Forderung der Wissenschaft
nach der Kontrolle über die eigenen Daten. Diesem
Anspruch entgegnet die öffentliche Hand, als Geld-
geber und Finanzier archäologischer Forschung und
denkmalpflegerischer Arbeit, mit dem ebenfalls be-
rechtigten Anspruch, den Einsatz von Geldmitteln
kontrollieren zu wollen. Den übergeordneten Bezugs-
rahmen dieser Gesamtdiskussion bildet der mit der
Industrialisierung einsetzende gesellschaftliche Um-
strukturierungsprozess von einer agrarorientierten zu
einer kapitalistisch orientierten Industrie- und Dienst-
leistungsgesellschaft. Bereits in dieser skizzenhaft zu-
sammenfassenden Einführung deutet sich eine Viel-
schichtigkeit an, der in der Folge nachgegangen wer-
den soll.
Open data und die Informationsgesellschaft
Vielleicht ist das, was wir heute als Informations-
gesellschaft bezeichnen, ein Produkt von sich arbeits-
teilig organisierenden Gesellschaften. Sicher haben
die modernen Kommunikationsmedien und die
Entstehung der IT-Technik zu einem gewaltigen Aus-
bau von Informationen, deren Vernetzung sowie zum
individualisierten Gebrauch dieser Möglichkeiten bei-
getragen. Ich möchte diese Entwicklung an einem Ge-
gensatzpaar verdeutlichen. Während der Aufwand,
archäologische Fachdaten aus herkömmlichen Publi-
kationen zusammenzutragen, beträchtlich war (da
mit Bibliotheksgängen, Exzerpieren usw. verbunden),
finden sich heute bereits beim einfachen „googeln"
vielfältige, weltweite wissenschaftliche Publikationen
des 19. Jahrhunderts. Viele der hier enthaltenen Da-
ten sind bereits in unterschiedlichen Datenbanken
(oder zumindest in Listen erfasst) und können im Rah-
men einfacher Datenbankabfragen analysiert werden.
Die Auswertungsmöglichkeiten der modernen ar-
chäologischen Denkmalpflege/Forschung wird nur
durch die Quantität und Qualität der Daten begrenzt
und findet ihren Niederschlag in den gegenwärtigen
Forschungsvorhaben.
Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund eines
anderen Phänomens zu sehen. Bedenkt man, dass der
allergrößte Teil der Bevölkerung im 19. Jahrhundert in
Landwirtschaft und Industrie durch massiven Arbeits-
einsatz gebunden war, so steht dieser Situation heute
Archäologie und Informationssysteme
ASPEKTE DER DATENBEREITSTELLUNG
Freie Daten für freie Bürger -
Ein Essay über archäologische Daten, die Öffentlichkeit und open data
Ulf Ickerodt
Das Verhältnis von archäologischer Denkmalpflege zu
ihren Daten ist ambivalent und durch ein als indivi-
dualisiertes Besitzstreben zu bezeichnendes Selbstver-
ständnis gekennzeichnet. Wem gehören die erhobe-
nen Daten? Dürfen Daten überhaupt herausgegeben
werden? Kann ein Laie, sei es ein Laienforscher oder
ein Raumplaner, mit unseren archäologischen Daten
überhaupt etwas anfangen? Im Rahmen solcher Dis-
kussionen wird häufig auch der Verweis auf Sonden-
gänger und Raubgräber als nahezu klassisch zu be-
zeichnendes Argument bemüht. In dem Tourismus-
land Schleswig-Holstein ist aber auch eine Vielzahl der
eingetragenen Denkmale weiträumig ausgeschildert
und wird touristisch beworben. Warum also solche
Daten geheim halten?
Um sich in diesem Geflecht aus Fachwissen, prakti-
schen Erfahrungen, rechtlichen Rahmenbedingungen
und subjektiven Standpunkten zurechtzufinden, lohnt
es, einen Schritt aus der Diskussion herauszutreten
und einen Blick von außen zu wagen. Dabei zeigt sich
sehr schnell, dass diese als fachspezifisch-archäolo-
gisch geführte Diskussion Bestandteil eines überge-
ordneten Diskurses ist. Dieser koppelt wissenschaftli-
ches Selbstverständnis mit gesellschaftspolitischen
Grundannahmen, die wiederum vor dem Hintergrund
eines gesellschaftlichen Wandels zu sehen sind. Um
dieses alles inhaltlich besser durchdringen zu können,
werden im Folgenden drei Untersuchungsbereiche
herausgestellt.
Den übergeordneten Bezugspunkt bildet die „Öffent-
lichkeit", mit der archäologische Denkmalpflege als
wissenschaftsorientierte Verwaltungsstruktur in einer
Wechselbeziehung steht. Damit sind bereits einige
grundlegende Erwartungshaltungen festgelegt. Wohl
nicht erst mit der Neuzeit setzt die Erkenntnis ein,
dass, abstrakt ausgedrückt, die Teilhabe an Infor-
mationen - auch in Demokratien - zum einen ein
Machtinstrument und zum anderen in den modernen
Massengesellschaften gerade auch deswegen ein
Demokratiekriterium sein kann. Dem steht die
Erkenntnis der wissenschaftlichen Fachwelt „archäo-
logische Denkmalpflege" gegenüber, dass wissen-
schaftliche Fakten und Daten und damit Wissen
immer auch von politischen Entscheidern oder
Wirtschaftsunternehmungen missbraucht werden
können. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die
ebenfalls berechtigte Forderung der Wissenschaft
nach der Kontrolle über die eigenen Daten. Diesem
Anspruch entgegnet die öffentliche Hand, als Geld-
geber und Finanzier archäologischer Forschung und
denkmalpflegerischer Arbeit, mit dem ebenfalls be-
rechtigten Anspruch, den Einsatz von Geldmitteln
kontrollieren zu wollen. Den übergeordneten Bezugs-
rahmen dieser Gesamtdiskussion bildet der mit der
Industrialisierung einsetzende gesellschaftliche Um-
strukturierungsprozess von einer agrarorientierten zu
einer kapitalistisch orientierten Industrie- und Dienst-
leistungsgesellschaft. Bereits in dieser skizzenhaft zu-
sammenfassenden Einführung deutet sich eine Viel-
schichtigkeit an, der in der Folge nachgegangen wer-
den soll.
Open data und die Informationsgesellschaft
Vielleicht ist das, was wir heute als Informations-
gesellschaft bezeichnen, ein Produkt von sich arbeits-
teilig organisierenden Gesellschaften. Sicher haben
die modernen Kommunikationsmedien und die
Entstehung der IT-Technik zu einem gewaltigen Aus-
bau von Informationen, deren Vernetzung sowie zum
individualisierten Gebrauch dieser Möglichkeiten bei-
getragen. Ich möchte diese Entwicklung an einem Ge-
gensatzpaar verdeutlichen. Während der Aufwand,
archäologische Fachdaten aus herkömmlichen Publi-
kationen zusammenzutragen, beträchtlich war (da
mit Bibliotheksgängen, Exzerpieren usw. verbunden),
finden sich heute bereits beim einfachen „googeln"
vielfältige, weltweite wissenschaftliche Publikationen
des 19. Jahrhunderts. Viele der hier enthaltenen Da-
ten sind bereits in unterschiedlichen Datenbanken
(oder zumindest in Listen erfasst) und können im Rah-
men einfacher Datenbankabfragen analysiert werden.
Die Auswertungsmöglichkeiten der modernen ar-
chäologischen Denkmalpflege/Forschung wird nur
durch die Quantität und Qualität der Daten begrenzt
und findet ihren Niederschlag in den gegenwärtigen
Forschungsvorhaben.
Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund eines
anderen Phänomens zu sehen. Bedenkt man, dass der
allergrößte Teil der Bevölkerung im 19. Jahrhundert in
Landwirtschaft und Industrie durch massiven Arbeits-
einsatz gebunden war, so steht dieser Situation heute