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32 —

Perkeo.


Männer m'r lewe wirk-
lich innere bolitisch arg be-
wegte Zeit, dann m'r sin
mitte drinn im Wahlmonö-
wcrire. Wer die beseht Ma-
schin Hott, gewinnt am nächschte
Montag, gschmiert werrd hiwe
un driwe genug, so daß es
am Gang der Reichsdaags-
maschin nit fehle kann, awer
wie gsagt, wer am beschte
manöwerirt un 's gröscht
Personal uff die bolitische
Dopp'lschine bringt, der ge-
winnt, wie awer dann, wann's
Heeßt de Wahlkreiszug ghörig
an Ort un Schtell, also noch
Berlinnit noch Baris zu bringe
der vun uns gewählt Zug-
führer hinfährt, müsfe m'r halt
in Gottes Name ihm un seiner
Pflicht iwerlosfe. Was den
große Kriegslärme anbelangt
un die ausgschtellte schöne

Karte d'r französische Truppenvorschiewunge sowie de französische
Rewanschkarakterkopp Bulanschee un Kunsorte haw ich de
Grundsatz „bange machen jilt nich, kommt nur Männekens,
wir sind ooch da." Ernscht is zwar die Zeit immer noch
un unser geschtern entlassene Reseroischte sin nit umsunscht so
elend kurranzt worre, sie wäre noch 12 Daag in d'r Kasern so
gut Widder gedrillt, daß m'r gemeent Hott, sie hätte se noch
ihrer 3jährige Dienschtzeit noch gar nit verlosse ghat, so daß
en Sachverschtändiger, der die Leit exerziere un Griff Hott
sehe mache gsagt hott: „Die Reseroischte könnes meiner Seel
fascht besser, wie die Linietruppe, wo den Kroom alle Daag
mache müsse. Also wann noch so viel mit de Säwel gerasselt
werd, liegt vorläufig doch noch ken ernschtlicher Grund zu
emme Krieg for uns vor, wann's schun nix schade kann, daß
m'r uffbasse wie die Häftlemacher un schtramm gerüscht do-
schtehn. Ich for mein Dheel faß awer die ganz bolitisch
Laag so ernscht wie se scheint, als noch so uff, wie se sich
anfänglich gebild't Hott un bsing die dunkle Wolke die sich am
bolitische Horizont gezeigt hawe ungfähr so:

Wenn hinten weit in der Türkei
Es in den Köpfen braust,
Dann bleibt der Deutsche sorgenfrei
Und liest in seinem — „Faust,"
Drinn schrieb vor vielen Jahren schon
Ein ganz berühmter Mann:
Das ist uns Alles ganz egal,
Das geht uns gar nichts an!

Wohl steht mein gutes Oesterreich
Im Osten auf der Wacht,
Ein Posten ruft dem and'ren zu:
„Hoab Acht, auf Russ', hoab Acht!"
So lang in Ruh' man aber läßt
In Belgrad Freund Milan,
Ist ihm das And're ganz egal,
Und geht ihn goar nix an!
Ganz Frankreich steht in Wehr, gestützt
Aufs neuste Chassepots,
Doch für verschied'ne Zwecke geht
Nicht eine Flinte los.
Ich warte, bis an Deutschland ich

Ganz Revanch' nehmen kann,
Das Andre ist mir bonb egal,
Das geht mich gar nichts an!
John Bull die Achseln zuckt und spricht:
Rückt Keiner von euch aus,
Dann bleib auch ich — dock savs tüs Hnssn —
Voll frohen Muths zu Haus.
Wer mich jetzt finden will, der such'
Am Nil mich, der Balkan,
Der ist mir heute ganz egal,
Der geht mich gar nichts^an!
Der Presse will die Politik
Durchaus nicht in den Sinn,
Auf Frankreichs, Rußlands Ländergier,
Weist sie mit Fingern hin.
Die sprechen: „Nehm'n wir uns allein
Jetzt ganz Europiens an,
Den Kameraden ist's egal,
Wer da der „Herr" sein kann!"
Also jedes Reich dhut for sein Zwecke rüschte Männer,
un jedes mehnt ihm dhät bei den zu erwartende Kämpf
goldene Schtern schtrahle, ich awer sag weil morge die Faaß-
nacht anfängt:
Ein Reich nur gibt's in diefen düst'ren Zeiten
Wo man die Rüstung frohen Sinn's gewahrt,
Weil man sich nur zu schönen Festlichkeiten
Auf eine kurze Zeit zusammenschaart;
Wo es nur Lust und Freude will bereiten,
Da hat das Rüsten doch auch eine Art!
Und dieses Reich der tollen Jubeltöne,
Das ist das Narrenreich, das ewig schöne!
Hier kann man froh noch in die Zukunft schauen,
Weil sie im Narrenreiche rosig ist;
Man kann auch in der That dem Frieden trauen
Und hält ihn nicht für bloße Galgenfrist!
Wer wollte da nicht gerne Hütten bauen,
Wo man die blasse Wirklichkeit vergißt?
Zeigt doch der immer ros'ge Narrenhimmel
Stadt Nebelgrau ein strahlend Sterngewimmel.
Wenn gute Kräfte sich der Sache weihen,
Da muß es gut bestellt um Fasching sein,
Und Großes kann mit Recht man prophezeien
Wo schon seit Wochen glänzt der gold'ne Schein;
Wie wird das Narrenreich mit Ruhm gedeihen,
Kehrt erst die Narrheit wirklich bei uns ein:
Dies Reich ist dann in Lust so gut berathen,
Wie keiner mehr von allen and'ren Staaten.
Deß Männer wär also mein Faaßnachtsgruß, dann
morgen gehts los, morgen ist Herrnsaaßnacht,
„Un do is alles ganz egal,"
Jwermorgen: „Do is jo die Wahl"
Am Dienschdaag gibt's Halt „Narre ohne Zahl"
Un am Mittwoch: „Aeschermittwochsqual."
„Egal, Wahl, Zahl, Qual," Herrgott's Konunerohr, do
werd m'r jo ganz — feudal, radikal, horizontal odder sunscht
neutral; geht m'r also mit dem Kroom eweg un seid ihr
närrisch die Dääg, ich muß es 's ganz Johr so wie so sein,
sunscht heeßt's, deß is en trauriger, schtatt en luschtiger
närrischer Perkeo! Also recht vergnügti Faaßnacht!
Verantwortlicher Redakteur: Philipp Klausner, Heidelberg.
Druck und Verlag von Wurm L Pfeffer in Heidelberg.


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Erscheint jeden -Sonntag als
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smit Haupt-Blatt 10 Pfg.

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Ouut-äe-l'sr, der Lalon-Nandit.

Pariser Polizei-Roman von Henri Demesse.

28) (Fortsetzung.)
Einige Jahre lebte ich nun glücklich bei Dir. Du
mißhandelst mich nicht, wie mein bisheriger Peiniger, das
kettete mich an Dich. Man Hatte Dir das Geheimniß ver-
kauft, und Dank dieses Geheimnisses trugst Du Dich lange
Zeit auf großem Fuße. Du nanntest Dich einfach Raoul
Vernet. Eines schönen Tages aber nahmst Du den wohl-
klingenden Namen eines Grafen de Ribauval an. Nichts
einfacher als Dies. Du hattest in meinem Hotel zu Havre
die Papiere des wirklichen Grafen de Ribauval geraubt, eines
jungen Menschen, welcher in Amerika erzogen war und welchem
nur ein altersschwacher Onkel in Frankreich lebte, der seinen
Neffen nie gesehen Hatte. Man begrub Raoul Vernet, und
der Graf de Ribauval begab sich nach Paris, wo er die bei-
spiellose Unverschämtheit bekundete, sich allenthalben unter
seinem falschen Namen einzuführen. Ich wurde, damals
fünfzehn Jahre alt, von Dir in eine Pensionsanstalt geschickt,
weil ich Dir unbequem wurde. Mit achtzehn Jahren ließ
ich mich von Dir bethören, Deine Geliebte zu werden.
Was spiegeltest Du mir nicht alles vor, um Deine nichts-
würdigen Ziele zu erreichen! Du wolltest mich an Deine
Fersen Heften, mich zur Theilhaberin Deiner Verbrechen
machen, — und ich, ich willigte in alles, denn ich liebte
Dich bis zum Rasendwerden. So gingen zwei Jahre dahin.
O, wenn ich mir diese Zeit in's Gedächtniß zurückrufe!
doch gehen wir darüber hinweg. Nur eine einzige Thatsache
hieltest Du gefliffentlich vor mir verborgen ... das Ge-
heimniß meiner Geburt! Ich weiß nur, daß mein Vater eine
sehr hohe Persönlichkeit ist. Ich weiß, daß ich die Zwillings-
schwester eines Bruders bin, den Du heimlich hast erziehen
lassen, und ich niemals gesehen habe. Aber den Namen
meines Vaters habe ich nie aus Deinem Munde vernommen.
Eines Abends warst Du verschwunden. Man theilte mir
mit, daß Du Frankreich verlassen und Dich nach Amerika
einzeschifft hättest, um dort dringende Familienangelegenheiten
zu ordnen und eine Erbschaft zu erheben. Ich blieb drei
Monate lang ohne jegliche Nachricht von Dir, von Dir, den
ich anbetete. Ich stellte Nachforschungen an und fand Deine
Spur, Du hattest Frankreich wirklich verlaffen. Das war

vor drei Jahren. Ich ordnete meine Angelegenheiten und
langte zwei Monate später in Newyork an. Ich verfolgte
Dich zwei Jahre lang, allein vergeblich, denn Du wußtest
Dich meinen Nachforschungen aufs Geschickteste zu entziehen.
Schließlich erfuhr ich, daß Du Dich wieder nach Frankreich
begeben hättest. Ich konnte nicht abreisen, denn es fehlte
mir an Reisegeld, aber es glückte mir, dasselbe unter Vor-
spiegelung falscher Thatsachen zu erlangen. So kehrte ich
denn nach Frankreich zurück, ich sand Dich wieder — Dn
versetztest mir einen Dolchstoß und wie leblos sank ich zu Boden
aber ich war nicht tobt. Kaum wieder hergestellt, suchte
ich Dich von Neuem auf, aber Du weigertest Dich, mich
vorzulassen. Bei späteren Wiederholungen erging es mir
nicht besser.
Paquita fuhr fort: „Ich setzte Himmel und Hölle in
Bewegung, um Dich an mich zu fesseln. Weil ich wußte,
daß Marvoix mit Dir verkehrte, bevorzugte ich ihn scheinbar
unter der großen Zahl meiner thörichten Anbeter. Der Ver-
blendete überhäufte mich mit Gold, indem er glaubte, daß
ich ihn liebte; aber er war für mich nur das Mittel zum
Zweck, mich mit Dir wieder zu vereinigen. Sein Gold sollte
mir zur Ausführung meiner Rachepläne dienen. Ich betrat
die Bühne um Dich wiederzusehen, jedoch Du wohntest keiner
einzigen Vorstellung, in welcher ich beschäftigt War, bei. Ich
drang in Marvoix, bis der Zufall Dich heute mir in die
Hände spielte. Nun habe ich Dich und Halte Dich fest.
Üm Dich zu finden, habe ich zu jeglicher List meine Zuflucht
genommen. Hier in Paris lebt ein junger Maler, Namens
Henri Dalberg —" das Antlitz Ribauvals bedeckte sich mit
kaltem Schweiß. Der Graf zitterte, als er den Namen seines
Nebenbuhlers aussprechen hörte.
„Dieser Maler", fuhr Paquita fort, „arbeitet zur Zeit
an dem Porträt eines jungen Mädchens ... des Fräuleins
Hortense de Roqueville."
Ribauval zuckte aufs Neue fieberhaft zusammen.
„Er bedurfte eines Modells für das erwähnte Gemälde.
Ich wußte, daß ich Dich in sein Atelier führen könnte, weil
Ihr Beide dem Marquis Besuche abstattet. So bot ich mich
ihm zu diesem Zwecke unter verändertem Namen an und
wurde angenommen. Wenn ich aber bislang mit solcher
Hartnäckigkeit nach Dir gefahndet habe, so geschah es, um
Dich zu entlarven, um mich an Dir zu rächen, um meinen
Rachedurst an Dir zu stillen, denn ich hasse Dich, ich ver-
fluche Dich, Elender!"
 
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