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— 136 —

Perkeo.


M'r lewe wirklich in d'r
sogenannte sauere Gurkezeit;
ken Wunner also, daß en ge-
wisser Herr Redaktär noch
allem greift, was em in de
Weg kummt, wie en Ertrinken-
der noch emme Schtrohhälml.
Nachdem sich der Herr e paar
Woche lang mit d'r Heidel-
berger Zeitung rumgebalgt,
un die em vernünftigerweis
ke Antwort mehr gewe Hott,
Hott er sich die Dääg an mich
„rannjedrängelt", um mir
wege der in d'r letschte Num-
mer mitgedheilte Schtudente-
affär die Lefitte zu lese. 'S
is sunscht nit mein Liebhawerei
mich mit Preßmensche vum
Schlag des Pälzerbottredaktärs
uff e Polemik einzulosse, dann
en Moor kann m'r bekanntlich
selbscht mit de allerbeschte Be-
weis- odder annere Mittel nit

weiß wäsche. Die geschtrig total Sunnesinschterniß war noch
hell gege em „Julius" vum „Pälzerbott" seiner Gsinnung
un weils bei denne Herrn erlaabt, ja landesüblich is, daß
ihr Ansichte in gar viel Sache grad so dunkel sinn, hieß es
Eule nach Athen trage, mit enne anzubinne. D'r kohlerawe
schwarze Julius nennt nämlich in seim geharnischte Artikel
mein Beschprechung d'r Schtudenteaffär e „Platte" un „geist-
lose", un deß loß ich m'r gfalle, dann ich bin e schlichter
Pälzer un hab Gott sei Dank noch nie Anschpruch uff so en
große Geischt odder Verschtand gemacht, wie die en so zu
sage schun mit uff die Welt bringe, wu schpäter aus'm Rhein-
land kumme, um in Alt-Heidelberg Pälzerbottredaktär zu
werre. So Leit müsse en colossale Geischt mitbringe, dann
's ganz Johr in alle Tonarte zu schenne un sich in alle
Fassone mit d'r Heidelberger Zeitung rumzubalge, erfordert
en Schpiritus der uff'm badische Bode äußerscht rar is. Um
awer uff die Sach selbscht zurückzukumme möcht ich de Herr
Julius doch druff uffmerksam mache, daß, wann er die Hiesige
Verhältnisse aach norr annähernd so gut kenne dhät wie ich, er
ganz entschiede e anneri Schtellung zu dere Schtudentegschicht
eingenumme hätt, zumool se sich total annerscht verhält, wie
er un sein Schprachrohr, d'r „Beowachter" in Karlsruh se
dargschtellt Hott. Wann's in dem Pälzerbott-Artikelche heeßt
ich dhät „die flegelhaften Ausschreitungen von Leuten, die in
betrunkenem Zustande vor einem Termine erscheinen, sich
dort vor dem Beamten des Gerichts zu einer Handlung Hin-
reißen lassen, für welche selbst die Trunkenheit keine mildernde
Umstände zuläßt" verdheidige, so kann ich die Behauptung
norr als e ganz „eenfältigi" bezeichne, trotzdem se vum
„geischtreiche" Julius uffgschtellt is, weil die ganz Gschicht
's reinscht Gflunker, weiter nix is, dann erschtens emool is
die Muck, die do zu emme Elephant gemacht werd, im Haus-
gang vum Amthaus, also noch dem Termin vor dem Be-
amten rumgfloge un hott der Herr, der die Ohrfeig kriegt
Hott weder mit dem Termin, noch mit de Schtudente was zu
dhun ghat. Er hott sich im kritische Aageblick uff eigeni Gfahr,
also durchaus nit in seiner Eigenschaft als Rechtspraktikant,
also Beamter, zu dene zwee Corschtudende in de Hausgang
begewe, un do die Ohrfeig kriegt, in dem Moment wo sich
die Schtudente gege die Verhaftung durch die Schutzleut ge-
wehri hawe. Die Ohrfeig is en also, wie m'r zu sage
^ft^^' ^^ ^^ ^^^^^tz.^ , Xv^vX ^ V^w. VVorD^VeL^ XX^ V^ ^^ftO

Hott. Wann m'r also aus ere Muck en Elephant macht, wie's
d'r edle Pälzerbott gedhan, so nimmt's sich wahrhaftig ganz
sonderbar aus, sich uff's Roß des sittlich Entrüschtete zu setze;
awer noch sonderbarer nimmt sich's aus, wann m'r e Vor-
kommniß, deß im Jntresse unserer Schtadt un uff ausdrückliche
Wunsch des Beleidigte hott unerörtert bleiwe solle geflissent-
lich breittret't, dann Anschpruch druff erhebt: „Im Interesse
der Hochschul un Schtadt ghandelt zu Hawe". For so Freind-
schaftsdienst zeigt sich die hiesig Einwohnerschaft ganz genau
so wenig dankbar, wie die meischte d'r Pälzerbott-Leser for
die „geischtreiche" Polemike mit annere Blätter, die em im-
portirte Julius sein Schteckepferd zu sein scheine. Er mag
sich awer schtelle wie er will un noch so e unschuldig Gsicht
mache, so guckt doch immer d'r Kühfuß, nämlich die Abon-
nenteschnapperei raus, die vum Bott bekanntlich gewissermaßen
als Sport betriewe werd. Non, ich sag als: „Loßt dem
Mann sein Acker" un domit Gott beföhle Herr Julius, wann
se widder was brauche, kumme se norr unschenirt zu m'r,
ich hab noch viel kräftigeres im Peffer liege: awer — nur
keene Feindschaft nich! Ich hab owe schun angedeut't, daß die
geschtrig Sunnefinschterniß e Schneeflock gewest wär, gege de
Julius, un grad uff die Schneeflock hawe sich so viel Leit
gfreet, Große un Kleene, insbsundere die letschtere, weil ewe
so e Totalfinschterniß doch selte vorkummt. Großi Enttäu-
schung Hott se iwrigens hervorgerufe, weil die Finschterniß
en elende Rege als Begleiter ghat un se sich durch den sozu-
sage unsichtbar gemacht Hott. Mir un manch Annerem Hott
ewe der Rege en große Schtrich durch die Rechnung gemacht,
weil m'r newer die Totalfinschterniß kumme sin. So hawe
sich in ere benachbarte Schtadt geschtern die Schüler vun
ere höhere Lehranschtalt, versehe mit mütterliche Ermahnunge
uff emme bschtimmte Platz eingfunne, um mit ihre Lehrer
die geplant Rees dohin anzutrete, wo m'r die Finschterniß
gänzlich sieht. Die junge Aschtronome hawe ungeduldig uff's
Fortgehn geharrt, wie uff emool, wie en Blitz aus heiterem
Himmel die Worte des Direktors in die reiseluschtig Gsell-
schajt gfahre sin: „Da die Wetter-Prognose äußerst ungünstig
ist, bleiben wir hier." E grausamen Enttäuschung hätt dere
junge Schaar nit bereit't werre könne, dann die wär gern
fortgfahre ob's Schauschpiel so ere Finschterniß hätt beowacht
werre könne odder nit. Wie so en kleener Knirps betrübten
Herzens widder heemkumme is un sein, nit mit aschtrono-
mische Jnschtrumente, dagege ere Mass' Lewensmittel aller
Art gfülltes Ränzele vor seiner erschtaunt dreinblickende Mutter
hingelegt hott, seggt er halbweinerlich: „Der Herr Direktor
hott die Sunnefinschterniß in Folge des schtarke Regens ab-
bschtellt, sie is zwar norr verschowe, bis uff de 30. Februar,
Wo se jeder vunn daheem aus gemüthlich ansehe un bewunnere
kann." So utzt ewe die Finschterniß die Menschheit, muß
sich's awer oft gfalle losse, aach geutzt zu werre.

Räthsel.
Die Erste ein Trank.
Die Letzte ein Sang.
Durch's Ganze, das lehrt,
Man wohl erfährt
Auch, wie man trinkt
Und wie man singt.

Zweisilbige Charade.
Blumen geraubt is die Erst', oft stützt auch Blumen die Zweite;
Sieh' wie am Weihnachtsbaum siill sich das Ganze verzehrt.
Verantwortlicher Redakteur: Philipp Klausner, Heidelberg.
Druck und Vertag uqn Wurm L Pfeffer in Heidelberg.


^ ^ E-sch^d-n«Sonntag, den 2ft August. V^m^ . ^7.

Um Rang und Reichthum.
Dem Englischen frei nacherzählt von Leo Sonntag.
14) Fortsetzung.
„Es ist also wie ich gefürchtet, Herr Doctor?" fragte sie-
Er antwortete nicht sogleich.
„Sie können ruhig darüber mit mir sprechen," fuhr sie
fort. „Ich habe es schon vor einiger Zeit gemerkt und habe
sie überredet hierherzugehen. Ich bin ihre einzige Freundin
und voraussichtlich die einzige Person, die ihr helfen kann."
„Wer ist sie?"
„Das ist ihr Geheimniß, nicht das meine."
Laura war unterdessen mit ihrem Schmerz allein ge-
blieben. Was sollte sie thun, wenn das Entsetzliche wirklich
eintraf? Zurück zu Robert konnte sie nicht, und ihr Onkel
— o Gott! mit Schimpf und Schande würde er sie von
seiner Schwelle jagen, sobald er erfuhr, welches Vergehens
sie sich schuldig gemacht.
„Was soll ich anfangen?" flüsterte sie vor sich hin. „Ich
bin verloren, wenn es wahr ist, aber es kann nicht wahr
sein, es ist unmöglich, ich will es nicht glauben!"
Sie sah zu dem Arzte auf, der eben wieder eintrat.
„Herr Doctor, ich bitte Sie, sagen Sie mir, daß es
nicht wahr ist, oder ich werde wahnsinnig! Sie begreifen nicht,
Sie können nicht begreifen, wie entsetzlich elend Ihre Worte
mich gemacht!"
„Armes Kind," erwiderte er mitleidig. „Wie kann ich
Ihnen mit Wissen und Willen eine Lüge sagen? Kann ich
Ihnen nicht auf andere Weise helfen? Haben Sie keine
Mutter mehr?"
„Nein," schluchzte sie, „meine Mutter ist todt."
„Und sind Sie wirklich nicht verheirathet ?"
Statt aller Antwort hielt sie ihm ihre Hände hin. Köst-
liche Juwelen schimmerten an ihren Fingern, aber der einfache
Goldreif, der höchste Schmuck der Frau fehlte.
Er seufzte.
„Und Haben Sie keine Freunde, denen Sie sich anver-
trauen könnten?"
Nein, nein! Auf der ganzen weiten Welt ist Niemand,
der Mitleid mit mir hätte, wenn ich ihm meine Geschichte
erzählte!"
„Ich sehe wohl, daß hier ein Geheimniß vorliegt," ver-
setzte Dr. Hennig, „und ich möchte Ihnen gerne helfen, armes j

Kind; aber was kann ich thun? Ich kann Ihnen nur einige
Verhaltungsmaßregeln geben und Sie bitten, mich rufen zu
lassen, wenn Sie mich brauchen!"
Sie sah ihn dankbar an und reichte ihm die Hand.
Das glänzende Honorar, das sie dabei in der seinen
zurückließ, überzeugte den Dr. mehr und mehr, daß er hier
kein gewöhnliches, irregeleitetes Mädchen vor sich habe, son-
dern eine vornehme Dame, die in irgend eine geheimnißvolle
Geschichte verwickelt war.
„Wenn ich Ihnen nur helfen könnte," sagte er noch einmal.
„Ich werde keine Hilfe brauchen," versetzte sie traurig,
„die Angst wird mich tödten!"
Auf dem Heimweg sprach sie kein Wort mit Pattie, sie
konnte nichts denken, nichts Hören, als die schrecklichen Worte,
die der Arzt ihr gesagt. Und Pattie schwieg auch, sie wußte
daß der Tag kommen mußte, an dem ihre Herrin sie in ihr
Vertrauen zog, und sie war fest entschlossen, ihr zu helfen,
wie schwer es auch sein möge.
Zu Hause fiel es Laura ungeheuer schwer, ihre Auf-
regung vor ihrem Onkel zu verbergen. Der Marquis war
so gütig gegen sie, er Hatte ihr wieder neue prächtige Schmuck-
sachen mitgebracht, neue moderne Metten bestellt; er er-
zählte ihr von dem glänzenden Leben? das sie in England
führen sollte, — und sie mußte sich sagen, daß Alles ein
Ende Haben werde, sobald er ihr Geheimniß erfuhr. Ihre
Lage war schrecklich, doch es gelang ihr, sich so weit zu be-
herrschen, daß der Marquis an den vorgeschützten Kopfschmerz
glaubte, und keinen Verdacht schöpfte.
Für den Abend Hatte er glücklicklicherweise eine Einla-
dung, so daß das unglückliche junge Wesen endlich in ihr
Zimmer flüchteten, und sich ihrem Schmerz und ihrer Ver-
zweiflung rückhaltlos hingeben konnte.

j16. Kapitel.
Was sollte sie thun? Was sollte sie thun? Das War
der einzige immer wiederkehrende Gedanke, den die unglück-
liche junge Frau fassen konnte. War denn der Kummer, den
sie selbst durchgemacht, die Sorge und Schande, die sie über
den geliebten Mann gebracht, war das Alles umsonst gewesen?
Sollten ihre Träume von einer glänzenden Zukunft schon jetzt
enden? Und selbst wenn sie diese schönen Träume aufgeben
wollte, stand ihr eine Rückkehr in ihr vergangenes Leben noch
offen? Würde Robert ihr vergeben, sie wieder aufnehmen in
sein Haus und an sein Herz?"
 
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