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— 76 —

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„Es wankt der Grund,
auf dem wir bauen", die Worte
Männer hott unser unver-
geßlicher Dichterferscht, d'r
Schiller-Fritz nit umsunscht
schun im Staufacher in seim
„Tell" in de Mund gelegt;
er muß e Vorahnung vun dem
ghat hawe, was schpäter en
Mann, der ken Dichterferscht,
wohl awer en ganz bedeuten-
der, ich möcht schier sage epoche-
machender Aschtronom un Erd-
beweforscher is, was also der
berühmte Oeschtreicher R.Falb
der früherMönch war, jetzt awer
als Gelehrter in Leipzig lebt,
entdeckt un gschriwe Hott vun
de „Umwälzunge im Weltall."
Der Mann seggt mit Bezug
uff die Zukunft d'r Erd', daß
se mit d'r Zeit „in die Sunn
—schterze dhät", notabene nit in
die mit emme Werrthsschild
versehe; grad wie e Nachtfalter in immer enger gezogene
Kreise die Flamm, oder's Licht umflattert, bis er in se nein-
schterzt un verbrennt, so müßt aach die Erd in immer engere
Schpirale um die Sunn kreise un endlich in se schterze, un
verbrenne — un dann stn m'r futsch. So wie die Erd um die
Sunn wannert, so kreist awer aach d'r Mond um die Erd.
Der is unser nächschter Nochbar, der sich durch Schwärm
vun Meteore Bahn bricht. Die Bahn werd awer aach immer
enger un enger, deß heeßt d'r Mond muß sich d'r Erd nähere
un endlich emool uff se schterze, wie mir in die Sunn. 'S
Näherkumme vum Mond müßt sich awer früher bemerkbar
mache, dann, weil Ebbe un Fluth durch die Anziehung vum
Mond hervorgebracht Werre, so muß, je näher d'r Mond zu
d'r Erd kummt um sich in se zu schterze, desto höher 's
Wasser zur Fluthzeit schteige. Die Meereswell werd vun
Johrhunnert zu Johrhunnert die Kuschte tiefer iwerfluthe,
bis 's Wasser sein Bett verläßt un mit furchtbarer Gewalt
ins Feschtland wannert. Die großartige Bewegunge d'r
Wassermasse Werre awer aach die gleichmäßig, ruhig Achseum-
drehung d'r Erd schtöre, d'r Daag werd bedeutend länger
Werre. Die Athmosphär werd vun schreckliche Blitze durch-
zuckt, d'r Bode unner denne heftige Erschütterunge erdröhne,
alle vulkanische Schornschte dhäte geöffnet un die feurige Ein-
geweide d'r Erd ausgeworfe Werre. Endlich dhät der ferchter-
lich Moment eintrete, in dem d'r Schturz vum Mond uff
die Erd un dodermit der Unnergang aller lebende Wese er-
folgt; dann wär also alles futsch! Weil awer aller gute
Dinge drei sin, so schteht uns außer denne zwee letschte
Oelunge noch e dritti bevor, nämlich d'r unvermeidliche
Zammeschtoß unserer Erd mit irgend emme Komet. Die
Komete, gleichsam Zigeuner im Himmelsraum, stn durch Zer-
trümmerung vun Planete entschtanne un zwar so, daß se sich
beim Zammetreffe mit d'r Erd wie en Petroleum- odder
Benzinrege iwer se ergieße. Sodele Leitcher! jetztkwißt'r, was
uns Mensche dereinst bevorsteht. Der Mann un große Ge-
lehrte fantasiert nit, dann all sein Provezeiunge iwer Erd-
bewe ezetera hrwe sich merkwürdigerweis all, un zwar uff
de Daag erfüllt un die »um Weltunnergang erfüllt sich gewiß
aach, ob mir's awer grad erlcwe, sell is e anneri Frog.
Ich glab, daß mein Been wenigschtens zu korz sin, um eni
vun denne drei owe bschriwene Weltunnergangsreise mitzu-

mache. D'r berühmte Prophet Noschtradamus Hott jo be-
kanntlich de Weltunnergang schun usss letscht Johr ange-
kündigt ghat, un m'r schtreite uns heut noch um die Berg-
bahn, dann:

Wie Nostradamus hochgescheidt,
Vor vielen Jahren prophezeit,
Sollt' letztes Jahr mit einem Schlag,
Gerade auf Johannistag
Die Welt -— die immerhin noch schön —
In großen Nöthen untergeh'n,
So daß manch ängstlich Menschenkind,
Das nicht mocht end'gen so geschwind,
Vorm letztjähr'gen Frohnleichnamstag
Für sich gezittert haben mag.
Die Mehrzahl hat wohl überhaupt
An solchen Unsinn nicht geglaubt;
Es zeigt auch bald sich offenbar,
Daß dies der rechte Glaube war:
Die Welt bleibt steh'n mit Mann und Maus
Und hälts wohl Wh^ein Weilchen aus!
Ich über solche Sehe'rgab
Geb aber nur das Urtheil ab:
„'S is e Kameel bis an sein Grab."

Der Ost-Stadt ems'ge, wackre Schaar
Hält stets getreue Wacht fürwahr,
Wodurch ihr manches auch gelingt,
Was ihrem Viertel Vortheil bringt;
Sie sinnt und sorgt wo's irgend geht,
Soviel in ihren Kräften steht,
Obgleich, wie man allhier es liebt
Der Heidelberger Witz sich übt
An ihr mit lust'gen Schelmerei'n
Weil die Erfolge auch mal klein!
So strebt sie jetzt ne Bergbahn an,
Vom Kornmarkt bis zum Schloß hinan;
Daß jeder Fremde leicht erräth
Wo's nach dem „Prinz Karolus" geht
Und sich dann der Verkehr vermehrt,
Den man im Osten schwer entbehrt:
Sie weisen, das ist schon Gewinn
Auf den „verlass'nen" Stadttheil hin,
Der um gar manchen Nutzen kam,
Den ihm die Weststadt „fröhlich" nahm.
Drum sei's gesagt, zu ihrem Preise:
„Sie thun uns halt doch ebbes Weise."

Charade.
Am Purpurkleid, in Feuersgluth,
Im Rosenhain, im Rebenblut
Stellt sich dir meine Erste dar.
Die Zweite ziert den Mann fürwahr,
Sei vornehm er, sei er gering —
Stets ist sie ihm ein kostbar Ding.
Das Ganze lebt im Sagenkleid
Noch heut im deutschen Volke fort,
Es galt mit Recht vor langer Zeit
Wohl als sein treu'ster stärkster Hort.

Auflösung der Charade in No. 17:
Mittelpunkt.

Verantwortlicher Redakteur: Philipp Klausner, Heidelberg.
Druck und Verlag von Wurm L Pfeffer in Heidelberg.


^19 °^tj°^ Sonntag, den 8. Mai, , 1887.
Noch eine Minute und Alles war vorbei. Kaum zwanzig
Schritte waren seine Verfolger noch entfernt.
Plötzlich — Gant-de-Fer stieß ein wildes Freudenge-
schrei aus — der Riegel wich, die Pforte flog auf und blitz-
schnell war er mit Hortense durch den Ausgang verschwunden,
aber ebenso schnell folgten ihm Dalberg, Coupe-Vent und der
Kommandant Alphons de Logny.
„Dort ist er!" ries Dalberg, seinen Revolver auf den
Fliehenden richtend.
„Halten Sie ein!" rief Coupe-Vent ihm zu. „Halten
Sie ein! Sie laufen ja Gefahr, das Fräulein de Roqueville
zu tödten!"
„Aber sehen Sie denn nicht, daß er uns entkommt, wenn
wir ihn nicht zurückhalten!" rief Henri voll Angst und Zorn
zugleich.
Die ganze Scene war das Werk eines Augenblicks und
Gant-de-Fer würde auch seine Flucht bewerkstelligt Haben,
wenn nicht der Kommandant Alphons de Logny im ent-
scheidenden Moment aus seiner Jagdflinte, welche er bei sich
führte, einen Schuß auf ihn abgefeuert hätte, der seines
Zieles nicht verfehlte.
Gant-de-Fer schwankte. Ein Blutstrom quoll aus seiner
Brust Hervor.
„Getroffen!" schrie der Banditenkönig mit schriller
Stimme auf, doch sich gegen seine Angreifer wendend, fuhr
er drohend fort : „Wenn Ihr es wagt, Euch mir auch nur
um einen Schritt zu nähern, so ist Hortense eine Leiche!"
Bei diesen Worten richtete er den blitzenden Dolch auf
die Brust seines unglücklichen Opfers.
Bestürzt wichen die drei Männer vor dieser entsetzlichen
Alternative zurück.
„Rührt Euch nicht vom Fleck!" raunte Coupe-Vent
seinen Begleitern zu. „Ich kenne den Elenden, er würde
sein Wort Halten und sie erbarmungslos niederstoßen."
Henri wollte, den Eingebungen seines Zornes folgend,
nichtsdestoweniger gegen den Schurken vorgehen, wurde aber
von dem Kommandanten Alphons de Logny zurückgehalten.
„Ueberlassen Sie mir das Weitere!" flüsterte er dem
jungen Künstler zu und mit zitternder Stimme ergänzte err
„Auch ich habe mit dem Frevler eine alte Rechnung aus-
zugleichen!"
Kaum Hatte er dies geäußert, als er mit der Kaltblütig-
keit eines alten Soldaten, ohne lang zu zielen, so zu sagen
auf's Gerathewohl, sein Gewehr zum zweiten Mal abfeuerte.

ilant-äe-^ör, der Lalon-VandiL.
Pariser Polizei-Roman von Henri Demesse.

34) (Schluß.)
Mit einem Triumphschrei, der an das Geheul eines
wilden Thieres erinnerte, sprang jetzt Gant-de-Fer empor.
Eiligste Flucht galt es, es sollte dennoch nicht Alles umsonst
sein. Die von Bas-les-Pattes ausgeftoßeuen Hilferufe waren
zweifelsohne gehört worden und schon eilten die Häscher her-
bei, um sich seiner zu bemächtigen.
Mit kräftigen Armen hob Ribauval, welcher trotz des
Rekontres mit Bas-les-Pattes seine Geistesgegenwart bewahrt
Hatte, Hortense auf, und wandte sich der geheimen Pforte zu.
Noch einige Schritte — und er war frei.
Frei! Ein Freudestrahl glänzte in seinen Augen auf den
Vortriumph, als Sieger aus dem entsetzlichen Kampfe her-
vorzugehen.
Entschlossen rüttelte er an der Pforte, welche mittelst
eines eisernen Riegels verschlossen war. Mit starker Hand
suchte er denselben zurückzuschieben, aber — welch' ein Ver-
hängniß — er wollte nicht weichen. Er verdoppelte seine
Anstrengung, jedoch ohne Erfolg.
Er, welcher so viele Hindernisse beseitigt Hatte, wurde
durch dieses scheinbar so geringe Hemmniß an seiner Flucht
verhindert!
Und in diesem Moment entdeckte er auch, daß er sich
nicht getäuscht hatte. Hinter seinem Rücken vernahm er
bereits die Fußtritte seiner Herbeieilenden Feinde, die kamen,
um ihm Hortense zu entreißen. Um keinen Preis durfte
das geschehen.
Wie ein Wahnsinniger rüttelte er an dem Riegel, welcher
sich indessen nicht von der Stelle bewegen ließ.
Und näher und näher kamen die Gefährten Bas-les-
Pattes!
Ribauval schäumte vor Wuth.
So nahe dem befreienden Ausgang und doch nicht ent-
fliehen zu können. Sobald der Riegel wich, sobald die Pforte
aufsprang, war er gerettet.
Gerettet! Was hätte er nicht darum gegeben, wenn
dieser Ausgang offen gestanden hätte. Wie rasend strengte
er seine riesigen Kräfte an, doch nutzlos!
 
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