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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 50.1925

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Winter, Franz: Der Ostgiebel des Zeustempels zu Olympia
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https://doi.org/10.11588/diglit.29494#0014
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FRANZ WINTER

der äußerlichen zur innerlichen Darstellung emporgestiegen \
Wie Außerordentliches mit dieser neuen Behandlung gewonnen
war, hatte Polygnot in seinen delphischen Gemälden, am ein-
drucksvollsten in dem von Trojas Untergang vor Augen gestellt,
das nicht, wie es vordem so oft geschehen war, den Vollzug
der Zerstörung in den Einzelvorgängen von Kampf, Mord und
Verfolgung schilderte, sondern die Stadt nach der Einnahme
mit den Scharen der Gefallenen und Gefangenen und inmitten
der Todesruhe, die nur durch den allein noch mordenden
Neoptolemos unterbrochen wurde, die Sieger zum Gericht
über Aias’ Frevel an Kassandra zusammentretend zeigte in
einer das Ganze in beziehungsvollen Gruppen erschöpfenden
Komposition, in der die Hauptpersonen, bedeutend charak-
terisiert, in großen kontrastreichen Situationen hervortraten 1 2.
Das Olympiabildwerk, durch den aus den sogenannten poly-
gnotischen Vasen erweislichen Stilzusammenhang, wie durch
die heute nach der Aufklärung, die Schraders Phidias gebracht
hat und die durch jenen Stilzusammenhang gestützt wird, nicht
mehr bei Seite zu schiebende Überlieferung über seinen dem
gleichen Kunstgebiete entstammenden Meister aufs engste mit
der durch Polygnot und seinen Kreis bezeichneten Kunst ver-
bunden, stellt sich dem delphischen Gemälde als nächstver-
wandtes, gleich monumentales Beispiel für die ethische Mythen-
darstellung zur Seite. Die Ostgiebelgruppe zeigt nicht die
Wettfahrt selbst, wie sie sich vollzieht, oder eine auf ihren
Vollzug bezügliche Handlung, sondern gibt ein Situationsbild
der zur Wettfahrt Versammelten und in diesem Bilde, in dem
nichts eigentlich vorgeht, mit der Charakterisierung der beiden
Haupthelden eine den ganzen Inhalt der Sage erschöpfende
Darstellung. Die Charakterisierung ist mit dem in dieser und
noch der nächstfolgenden Epoche allein dafür angewendeten,
aber zu stärkster und feinster Wirkung ausgebildeten Mittel
noch nicht des Gesichtsausdrucks, sondern der Körperhaltung
gegeben. Durch die Abkehr der Helden voneinander ist deutlich
gemacht, daß es sich um eine Gegnerschaft handelt, und zwar

1 Winter, Die Wirkung der Perserkriege auf die griech. Kunst, in
‘Ostergruß der Univ. Bonn an ihre Angehörigen im Felde’ 1916, 73.

2 Vgl. R. Schöne, Neue Jahrb. f. klass. Altert. 1912, 193f.
 
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