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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Voepel, Otto: Ausbildung und Prüfungen des Architekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0013
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Fritz Bräuning, Joachimsthalsch.es Gymnasium in Templin (Mark).
Berlin-Tempelhof Alumnatsgebäude (Grundriß auf Tafel 7)


Ausbildung und Prüfungen des Architekten
Von Dipl.-Ing. Otto Voepel (B.D.A.), Stuttgart - Eßlingen a. N.

Es ist heute auch dem tüchtigsten Architekten
nicht möglich, in verantwortlichen Staats-
und Gemeindeämtern zu wirken, wenn er nicht den
vorschriftsmäßigen Studiengang an einer Techni-
schen Hochschule durchgemacht und die Diplom-
bzw. Baumeisterprüfung abgelegt hat. Der Staat
verzichtet also grundsätzlich auf eine Auslese aus der
Gesamtheit der Baukünstler lediglich nach dem
Maßstabe der bewiesenen künstlerischen Leistungs-
fähigkeit; er betrachtet das bestandene Examen und
einige Probejahre im Staatsdienst als genügenden
Befähigungsnachweis. Das mag berechtigt sein, so-
lange der Architekt für ihn als Verwaltungsbeamter
zu wirken hat. Völlig versagt hat aber diese Be-
wertung bei dem vor wirkliche baukünstlerische
Aufgaben gestellten Beamten; denn die schöpfe-
rische Befähigung läßt sich nicht durch irgend-
welche Prüfungen feststellen, sondern nur vor dem
selbständig geschaffenen, dem Urteil aller sich dar-
bietenden Werke. Nur die völlige Verkennung der
künstlerischen Lebensaufgabe des Architekten
konnte überhaupt dazu führen, ihn als Beamten
gegen festes Gehalt und Pensionsberechtigung
schaffen zu lassen, seinen Genius in das Geschirr
des Bureaubetriebes zu spannen. Hat man je
davon gehört, daß Maler oder Bildhauer lebens-
länglich angestellt wurden, um alle innerhalb eines
gegebenen Wirkungskreises sich darbietenden Auf-
gaben kraft ihres Amtes zu ,,erledigen“ ? Oder daß
man von ihnen ein Examen verlangte, ehe man
ihnen selbständige Arbeiten übertrug?

Der hohen Bewertung des Examens durch den
Staat steht eine auffallende Geringschätzung seitens
der Privatarchitekten gegenüber. Höchstens aus
Repräsentationsrücksichten stellt der Bureauchef
einen Diplomingenieur oder Regierungsbaumeister
an. Aber viel schärfer als beim Staat wird hier die
Auslese auf Grund persönlicher Tüchtigkeit gehand-
habt. Und man kann nicht selten Architekten, die
selber als Künstler arbeiten, die Überzeugung äußern
hören (auf Grund ihrer praktischen Erfahrung),
daß ihnen ein technisch und geschäftlich bewährter
Baugewerkschulabsolvent auf ihrem Bureau lieber
ist als ein junger Diplomingenieur, da ja doch die
Hochschulausbildung den Bedürfnissen der täglichen
Praxis so wenig angepaßt sei.
Woher diese entgegengesetzte Wertung? Be-
trachten wir einmal das Hochschulstudium und die
Diplomprüfung näher in ihrer Beziehung zur eigent-
lichen Berufstätigkeit des Architekten: zur prakti-
schen Baukunst.
Man kann die einzelnen Fächer, aus deren Stu-
dium sich die Ausbildung des Architekten zu-
sammensetzt, unter diesem Gesichtspunkte unter-
scheiden in:
1. Vorbereitende Fächer: Physik, Chemie, dar-
stellende Geometrie, Statik, Baukonstruktionslehre,
Baumaterialienlehre, Bauformenlehre.
2. Eigentliche Hauptfächer: Baukunde (Stadt-
und Landbau), Entwerfen und Detaillieren.
3. Allgemein bildende Fächer: Kunst- und Bau-
geschichte, Volkswirtschaftslehre.

Architektonische Rundschau 1914
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