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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Thiersch, August: "Refinements" in der Baukunst der Altertums und Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0097
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Erwin Kurz, Majolikareliefs an einer Miet-
München hausgruppe in München


„Refinements“ in der Baukunst des Altertums und Mittelalters
Von Prof. August Thierseh, Schönau bei Berchtesgaden

Gewisse Feinheiten des griechischen Tempelbaues,
bestehendhauptsächlich in der leichten Krüm-
mung aller horizontalen Linien (den Kurvaturen),
sind seit ihrer Entdeckung und Bekanntmachung
durch Baurat Hoffer*) in Athen im Jahre 1838 der
Gegenstand des Streites unter den Kunstgelehrten
und Architekten gewesen.
Wiederholte Messungen haben die Tatsache un-
zweifelhaft festgestellt, daß diese Abweichungen von
der Geraden und vom Lot ursprüngliche und wohl
beabsichtigte sind. Aber über den Zweck und die
ästhetische Wirkung solcher mühsamen und kom-
plizierten Maßnahmen sind die Meinungen immer
noch nicht geklärt.
Der hochangesehene amerikanische Kunstgelehrte
W. H. Goodyear**) tritt nun mit einem Prachtwerk
auf, welches nicht nur die griechischen Tempel mit
ihren Kurvaturen in schönen und korrekten photo-
*) Hoffer, Joseph, Wiener (Förster’s) Bauzeitung, 1838.
**) Goodyear, W. H., Greek Refinements. Studies in tem-
peramental architecture, London 1912.

graphischen Aufnahmen darstellt, sondern auch
ägyptische und römische Monumente mit ähnlichen
Eigenschaften zur Anschauung bringt, und endlich
alle bisherigen Erklärungsversuche zusammenfaßt
und einer kritischen Untersuchung unterwirft. Wenn
es ihm auch dabei nicht gelungen ist, das ganze Ge-
heimnis der Schönheit griechischer Baukunst zu ent-
schleiern, so hat er doch durch die Darlegung der
tief dringenden Beobachtungen und Gefühlsäuße-
rungen die Erkenntnis des wahren Grundes vor-
bereitet und erleichtert für alle, welche von warmem
Interesse für die Antike erfüllt sind. Hoffer hatte
bereits in der Bekanntmachung seiner Entdeckung
(im Jahre 1838) das Gekrümmtsein von Stufen und
Gebälk am Parthenon in Athen nicht nur durch Ver-
messungen nachgewiesen, sondern auch durch op-
tische und ästhetische Gründe erklärt. Durch die
noch tiefer eindringenden Messungen des Engländers
Penrose*) 1845 wurde die Aufwärtskrümmung der
*) Penrose, Fr. Cr., An invertigation of the principles of
Athenian architecture, London 1851.

Architektonische Rundschau 1914
Seite 85
 
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