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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Schink, G.: Werkstättenunterricht für Klempner an der Stuttgarter Gewerbeschule
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Klopfer, Paul: Darstellungsmethoden im gewerblichen Zeichenunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0092
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Ermittlung der nötigen Schablonen weiterbearbeitet
und das Muster kann dann vom Schüler in der Schul-
werkstätte angefertigt werden. Bessere Schüler
dürfen auch an die Ausführung eigener Entwürfe
gehen. So suchen wir jeden Schüler zu selbständiger
praktischer Arbeit zu erziehen. Es hat sich dabei
schon öfter herausgestellt, daß Schüler, welche dem
theoretischen Unterricht nur mit Mühe und Wider-
willen folgen konnten, bei der praktischen Betäti-
gung am Material Lust zum technischen Denken
bekommen haben. So befruchtet der Werkstatt-
unterricht nicht nur die praktische Tüchtigkeit des
Schülers, er wirkt auch fördernd auf den Fortgang
des theoretischen Unterrichts ein.
Nun zum Treibunterricht für Klempner! -— So-
fort nach Einrichtung dieses neuen Zweiges des frei-
willigen Werkstättenunterrichtes (Sommer 1913)
war die Schülerzahl sehr hoch. Es kann dies als Be-
weis dafür gelten, daß neben dem Architekten auch
der Handwerker es als Bedürfnis empfindet, große,
ebene Flächen an seinen Blecharbeiten durch Flächen-
ornamente zu beleben und zu gliedern. Rinnen-
kessel, Endigungen und Dachspitzen, Türfriese,
Füllungen, Heizkörperverkleidungen usw. mögen
noch so gute Blecharbeiten sein: ihre ebenen Blech-
flächen verlieren erst durch Anwendung einer guten
Treibarbeit die stumpfe, unschöne Wirkung. Blech-
arbeiten lassen sich so oft mit neuartigem Eindruck
da anbringen, wo sie ohne Oberflächengliederung und
-belebung strengstens zu vermeiden wären, vergleiche
ältere Gebäude!
Mit einfachen Punkten- und Linienornamenten
beginnend, lassen wir die Klempner ohne zeich-
nerische Vorübung am Material selbst arbeiten. Am

Arbeitsstück lernt er am besten die Wirkung seiner
Linien, Buckeln usw. zu beurteilen. Die Arbeit
gewinnt oftmals während der Ausführung durch
kleine Veränderungen und Ergänzungen ganz neue
Reize für den Schüler. Seine Phantasie wird dabei
mächtig angeregt. Er fühlt die innere Freude des
Schaffenden und geht mit immer neuem Eifer an
die schwereren Aufgaben heran.
Ohne weitausholenden, grundlegenden Unterricht
im Freihandzeichnen und Modellieren mit seinen
Opfern an Zeit und Mühe kann so der geschickte
Klempner auf einfache handwerksmäßige Art seine
Blecharbeiten schmücken. In wenigen Stunden
müssen die auf große Wirkung berechneten Orna-
mente entstehen, soll doch die ganze Übung auch
wirtschaftlich verwertbar sein. Der Reiz dieser
Flaschnertreibarbeiten liegt ja gerade darin, daß sie
mit der Kunst des Ziseleurs fast nichts gemein haben
wollen. Es soll unser Treibunterricht für Hand-
werker keineswegs ein Stück Kunstgewerbeschule
darstellen. Rein handwerksmäßig betrieben, soll er
den Blecharbeiter dazu befähigen, sein Material am
passenden Orte mit den einfachsten Mitteln material-
gerecht zu veredeln.
Mit dieser Handwerkerschulung, wie sie sich in
unserem Werkstättenunterricht für Klempner dar-
stellt und wie sie zweifellos mit der Zeit auch für
die übrigen Zweige des Bauhandwerkes eingeführt
werden wird, hoffen wir auch dem Architekten zu
dienen. Darf er doch dankbar sein, wenn ihm eine
genügende Zahl von Handwerkern zur Verfügung
steht, die mit gutem Verständnis und mit gewisser
Erfahrung an die Aufgaben herangeht, die er stellen
muß.

Darstellungsmethoden im gewerblichen Zeichenunterricht
Von Prof. Dr.-Ing. Klopfer, Referent für das gewerbliche Schulwesen im Großherzogtum Sachsen

Um nicht von vornherein falsch verstanden zu
werden, möchte ich betonen, daß das Wort
,,Methode“ im vorliegenden Falle nicht allzu eng
und streng begriffen werden soll. Eine Methode hat
etwas Erkaltendes. Sie nimmt den Schüler gefangen
und macht ihn befangen. Ich möchte aber gar nicht,
daß sie in dieser Art fertig als ,,Dea ex machina“
oder bewährtes Rezept vom Lehrer dem Schüler
empfohlen oder diktiert werde, sondern daß Lehrer
und Schüler sie gemeinsam aus der Aufgabe heraus-
entwickeln. Dann erst wird sie als ,,Methode“ dem
Schüler nützen, denn sie wird ihn befähigen, nicht
bloß Schulzeichnungen, sondern jede andere auch
von sich aus anzufertigen; und jede wird den Stempel
einer gewissen Eigenart, wenn nicht eines Reizes
tragen, der bei allen etwaigen Ungeübtheiten doch
immer freundlich und anziehend wirkt.
Denn das erscheint mir ja der Zweck der Methode
zu sein: die Darstellung soll nicht bloß zeigen, wie

das Haus, der Gegenstand aussieht, sondern sie
soll im Beschauer eine sekundäre Freude
an Form und Farbe auslösen, die er zum
Erfassen des Objektes unmittelbar nicht
nötig hat. Die Gefahr, besonders für jüngere,
werdende Kräfte, die Bilder mißzuverstehen, liegt
auf der Hand. Ich brauche darauf nicht näher
einzugehen; es soll genügen, auf den Wert der Dar-
stellung überhaupt hier kurz hingewiesen zu haben.
Bei den Bau- und Architekturschulen begann und
beginnt noch die Darstellungsfrage zumeist erst bei
der Perspektive. Der Schüler pflegte früher Lambert
und Stahl, pflegt heute Wilhelm Kreis, Schumacher
oder Tessenow herzunehmen und die Strichlagen
seinem Bild anzumodeln, und der Lehrer nimmt am
Ende mitleidig dem Verzweifelnden die Arbeit ab
und bringt ein Kauderwelsch aus seinen eigenen und
den herbeigezogenen Mitteln zusammen. Solche
Art zu zeichnen ist grundfalsch; denn in keinem

Architektonische Rundschau 1914
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