Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

DOI Artikel:
Haeuselmann, Johann Friedrich: Die Baukunst in der Schweiz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0033
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Alfons Rocco
(B.S.A.), Arosa

Berghaus Coaz-Wassali
in Inner-Arosa

Die Baukunst in der Schweiz
Von J. F. Haeuselmann, Stuttgart

„Es dient die Kunst dem Vaterhaus;
Ein Werk, das nicht die trauten Züge
Der Heimat trägt, mir dünkt es Lüge.“
C. F. Meyer.
Am schweizerischen Dichterhimmel leuchteten
XX im I9- Jahrhundert zwei große Sterne auf.
Conrad Ferdinand Meyer und Gottfried Keller
lauschten beide der Gewalt ihrer heimatlichen Natur
und legten ihre Empfindungen in vollendeten
Dichtungen nieder. Sie fanden eine Sprache, die
an Knappheit und Schlagkraft, aber auch an Schön-
heit des Aufbaues kaum zu überbieten sein wird.
Ein allgemeines Erwachen ging durch die Schweizer-
herzen, und die frische Saat ging in reicher Fülle auf.
Die Schweiz hat heute eine Malerei, die vom Grunde
ihrer Natur aus in stilistischer Spannkraft und klarster
Form neu aufsteigt, sie hat eine Bildnerei, die nach
edelster Gemeinschaft strebt, und als Kostbarstes
wohl, weil in größter Verbreitung erscheinend,
schließt sich die wiedererwachende Übung einer
heimischen Bauweise an.
Die heimische Bauweise der Schweiz füllt ein
großes Buch. Es ist unmöglich, im Rahmen einer
Einführung zu den in diesen Blättern wieder-
gegebenen neueren Arbeiten ihre Geschichte ein-
gehend zu würdigen. Ein kurzer Abriß wird vieles
erklären, wird den Kern der Kräfte aufdecken, die
ein wiedergefundener Weg zur Heimat in den Bund
schönster Gemeinschaft schlug. In straffer Organi-
sation erstreckt sich der Bund schweizerischer Archi-

tekten über das vielgestaltige Land. Mit einer ver-
schwenderischen Fülle an Naturschönheiten liegt
dieses im Herzen Europas ausgebreitet. Seine
Bodengliederung ist beinahe unerschöpflich in der
Abwechslung, ohne daß die überwältigende Macht
der Einheit verloren geht. Bei allem, was dies
Land an Naturwundern eigen hat, erregt doch
immer die Majestät der Alpenwelt das Tiefste, was
ein Mensch an Bewunderung von sich geben kann.
An durchaus selbständigen Werken ist die Bau-
geschichte der Schweiz nicht arm. Gleichsam der
baulich verkörperten Mundart freilich sind es vor-
wiegend die in die Alpen- und Juratäler, auf die
Weiden der Höhen und in die Wiesen des Mittellandes
gebetteten einfachen Gehöfte und Dörfer. Den wich-
tigsten Baustoff gaben die Rot- und Weißtannen, die
Buchen, Erlen, Ahorne, Arven und Lärchen ihrer
Wälder. Die Schweizer haben damit eine Holz-
bauweise hervorgebracht, die in ihren munteren
Erzeugnissen sich der frohen Landschaft anschmiegt.
Es fehlt hier das Düstere, Schwere der nordischen
Holzbaukunst; die Einförmigkeit der nordischen
Meeresküsten und Hochländer ist hier in liebliche
grüne Täler, in oft wohl etwas wilde Juraberge, aber
hauptsächlich in die schneeigen, vom blauen Himmel
überspannten Alpenländer vertauscht. Ferner hat
die Zersplitterung der Menschengruppen hier die
eigenartigsten Gemeindebilder hervorgebracht. Weit
verstreut über den Abhängen der Alpentäler liegen

Architektonische Rundschau 1914
Seite 21
 
Annotationen