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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Engelhardt, Walter von: Der Sennefriedhof in Bielefeld
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0024
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Friedrich Schultz, Stadt- Verkaufshalle für Grabsteine und Särge
baurat in Bielefeld an dem Sennefriedhof in Bielefeld


Sehr mächtig, charaktervoll und würdig wirkt
der ernst monumentale Kapellenbau mit seiner
vollgewölbten Kuppel, die von einem Rund edel-
geformter kannelierter Tuffsteinsäulen getragen wird
(Tafel 21—23). Der Vorbau am Eingang schiebt sich
in wundervoll schlichten, energischen Formen als
architektonisch geschlossene Einheit vor, beugt sich
aber zugleich mit flach lagerndem Bogengiebel unter
die aufstrebende Wucht des kraftvollen Baues. Wir
treten hinein in den mächtigen, 16 m hohen Innen-
raum. Der ruhige Gleichtakt des aufwärtsstrebenden
Pfeilerkranzes, dessen Linien das Kassettenwerk der
Kuppel weiterführt, die stille Sprache der Wand-
flächen, die durch senkrechte Teilung und den hoch
angesetzten Lichtkörper sich steigernd nach oben zu
recken scheinen, dann der bunte Ring leuchtend
farbiger Glasbilder und auch das zur Wand hin sich
hebende Stufenwerk — alles das läßt den Beschauer
empfinden, daß er ,,tief unten“ ist, drängt ihn, hinauf-
zuschauen, und umfängt ihn durch die vornehme
Schlichtheit aller Bauteile und durch das Fehlen ge-
schwätziger Ornamentik mit feierlichem Schweigen.
Das äußere Gesamtbild der Kapelle kommt am
vorteilhaftesten zur Geltung, wenn man von Nord-
westen den Blick in die Längsachse des schmalen
rechteckigen Wasserbeckens richtet. Die ruhige
Spiegelfläche, umrahmt von geradlinigen Rasenufern,
die beiderseitigen Kieswege, von Kastanienreihen
begleitet, fügen sich mit dem Platz um die Kapelle
zu einer klaren, streng architektonischen Garten-

anlage zusammen, die durch langgezogene Futter-
mauern von dem höher gelegenen wilden Wald-
gelände in wohltuender Weise scharf getrennt ist.
Je schärfer und augenfälliger diese trennende Grenze
ist zwischen unberührter freier Natur und der durch
menschliches Kunstwollen bestimmten Bauform,
desto wirksamer werden beide einander entgegen-
gesetzten Charaktere nebeneinander zum Ausdruck
kommen. Das läßt sich immer wieder erfahrungs-
gemäß bestätigen, und ebenso läßt es sich nachweisen,
wie leicht durch unterschiedslose Vermischung dieser
beiden Formarten dem kritisch gebildeten Auge
Unbehagen bereitet wird. Bei der Verteilung der
Begräbnisplätze auf dem Sennefriedhof sind die
angeführten Gesichtspunkte, vielleicht unbewußt,
vielfach berücksichtigt worden. Auf Heidelichtungen,
umrahmt von Kiefernwald, sind Plätze für Grab-
stätten vorgesehen. Etwa 90 bis 150 Gräber soll eine
solche Waldnische bergen. Durch diese Beschrän-
kung der Gräberzahl innerhalb einer leicht über-
sehbaren waldumschlossenen Gräbergruppe ist eine
sehr wichtige Bedingung für die künstlerisch wohl-
tuende Raumwirkung geschaffen und den künftigen
Friedhofsbildern von vornherein der wünschens-
werte Stimmungscharakter stiller Geborgenheit auf-
geprägt. Eine weitere Gewähr für die ansprechende
und würdige Ausgestaltung dieser Gräbergruppen
ist ferner durch den bereits erwähnten künstleri-
schen Prüfungsausschuß geleistet, der über die
Zulässigkeit der Grabsteinformen entscheidet und

Architektonische Rundschau 1914
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