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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Engelhardt, Walter von: Der Sennefriedhof in Bielefeld
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0025
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auch das Recht hat, für bestimmte Teile des Fried-
hofs Art und Form der Gedenkzeichen vorzuschreiben.
Es kommt noch dazu, daß die gärtnerische Aus-
schmückung der Gräber allein von der Friedhof-
verwaltung und nicht von Handelsgärtnern über-
nommen werden kann, so daß damit auch in dieser
Hinsicht die Stadt sich das Recht vorbehalten hat,
den Spielraum der Möglichkeiten zu begrenzen.
Diese Maßnahmen mögen allzustreng und bevor-
mundend erscheinen, besonders wenn man bedenkt,
daß die Ausgestaltung eines Grabes nahestehender
Verstorbener mehr als andere Dinge ausschließlich
dem persönlichen Geschmack der Angehörigen über-
lassen bleiben müßte. Andererseits lehrt uns aber
die Erfahrung, daß in den meisten Fällen weit weniger
der schlechte Geschmack der Angehörigen als viel-
mehr ihre Ratlosigkeit und Unkenntnis an der Fülle
von Häßlichkeiten auf unseren Friedhöfen schuld
ist. Denn diese Ratlosigkeit und Unfähigkeit, künst-
lerisch zu wählen oder gar zu bestimmen, wird von
Grabmalfirmen bezw. Handelsgärtnern oft nur in
kaufmännischem Interesse in schlimmster Weise
ausgenutzt, indem unter diesen günstigen Handels-
bedingungen jedes, auch das unwürdigste Machwerk
mit Erfolg an den Mann gebracht werden kann.
Um diesen Übelständen wirksam zu begegnen, ist
es geboten, den Geschmack des Publikums durch
Ausstellung verschiedenster schöner Grabstein-
muster in Verkaufshallen oder im Freien mit
geschmücktem Grabhügel zu bilden und dem
skrupellosen Treiben der in Betracht kommenden
Handelsfirmen kraftvoll Einhalt zu tun, ihnen
aber gleichzeitig unter wohlüberlegten Bedingungen
eine kulturell fördernde Mitarbeit bei der Reform
unseres Friedhofwesens zu ermöglichen. Beides
hat die Stadt Bielefeld getan und allem Anschein
nach mit wachsendem Erfolg. Sie hat auch er-
freulicherweise bei der Anlage des Friedhofes —
was vielleicht nicht überall in dem Maße angängig sein
wird — auf die übliche ,,tunlichste Ausnutzung der
Flächen für Gräberfelder“ zugunsten eines würdigen
und stimmungsvollen Friedhofsgepräges verzichtet.
Dieser Verzicht verliert aber — ich glaube sogar bei
einseitig materieller Beurteilung — den Anschein
üppiger Verschwendung, wenn man bedenkt, daß
der Kiefernwald und die Heide im Gegensatz zu so-
genannten ,,gärtnerischen Anlagen“, wie sie andere
sparsam aufgeteilte Friedhöfe aufweisen, keinerlei
Pflege und daher auch keine Geldmittel beanspruchen,
und daß durch eine solche künstlerisch feine und
großzügige Ausgestaltung ein überaus reizvoller
Aufenthaltsort für die Stadtbewohner geschaffen
ist, der viele teure ,,Schmuckanlagen“ entbehrlich
macht.
Wenn man den lauschigen Wegen des Friedhofes
folgt und die waldumschlossenen Gruppen der Reihen-
gräber überblickt, von denen einige mit schlichten
Gedenkzeichen in Stein oder mit einem blumigen

Hügel geschmückt und viele andere nur durch eine
unscheinbare Nummertafel gekennzeichnet, aber
mit Heidekraut überdeckt sind wie der Boden des
lichteren Waldes — wenn man hier oder da an
einem stillen Eck des Waldrandes oder, angelehnt
an den Stamm einer Kiefer, einen reicher ausgestatte-
ten Grabstein antrifft — oder wenn man auf dem
langgestreckten, geradlinig aufgeteilten Gelände die
alten Formen der Holzkreuze mit freundlich bunter
Farbenzier und weiter die kunstvollen eisernen
Formen im heiteren Blumenschmuck auftauchen
sieht — dann empfindet man Freude über solches
Gelingen. Wenn auch stellenweise in der Art der
Pflanzenausschmückung, besonders in der Auswahl
der Gehölze, die ein Grab umrahmen sollen, Fehler
entstanden sind durch störende Eingriffe in den
Charakter des Kiefernwaldes, so ist das erklärlich;
denn bei dieser neuen Schaffensart kann erst neue
Erfahrung Lehrmeisterin sein.
Im engen Rahmen dieser Erörterung konnten
leider nicht alle nennenswerten Dinge und inte-
ressanten Fragen behandelt werden, die den auf-
merksamen Besucher des Sennefriedhofes beschäf-
tigen. Nicht die Bilder, geschweige denn das ge-
schriebene Wort, dürfen den Anspruch erheben, die
Werte, die Bielefeld hier durch seinen Stadtbaurat
geschaffen hat, dem Leser restlos zu übermitteln; sie
sollen aber jeden, der im Friedhofwesen tätig ist,
anregen, das alte Schablonengeleise zu verlassen und
in idealer Richtung wirkliche Kulturarbeit zu leisten.

Friedrich Schultz, Brunnen auf dem
Stadtbaurat Sennefriedhof
in Bielefeld in Bielefeld


Architektonische Rundschau 1914
Seite 13
 
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