Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

DOI Artikel:
Voepel, Otto: Ausbildung und Prüfungen des Architekten, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0027
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schule begegnete, innerhalb des amtlichen Lehr-
planes Statik von vier, Baukonstruktionslehre von
drei verschiedenen Dozenten gelehrt werden muß,
die sich dann naturgemäß auch in die Prüfungen
teilen, so kann dies nur zum Nachteil einer plan-
mäßigen und einheitlichen Ausbildung geschehen.
Auch hier liegt ein Vergleich mit den medizinischen
Fakultäten nahe, an denen der Unterricht in der all-
gemeinen Anatomie durchweg in der Hand eines
Dozenten liegt, während für tieferes Eingehen auf
einzelne Gebiete— außerhalb des für die Prüfung
Nötigsten — durch Sondervorlesungen hervorragen-
der Spezialisten Gelegenheit geboten wird. Dem-
entsprechend wären an den Technischen Hoch-
schulen zu wünschen: ein Lehrstuhl für allgemeine
Baukonstruktionslehre in ihrem ganzen Umfange;
daneben möglichst viele Sondervorlesungen über
Einzelgebiete: Spezialkonstruktionen in Theatern,
Banken, Geschäftshäusern, Installationen, Isolie-
rungen, Techniken des Innenausbaues, der feineren
Holzbearbeitung usw.
An derartigen praktisch ungemein wertvollen
Sondervorlesungen, die erst das Studium der Bau-
konstruktionslehre an der Technischen Hochschule
gegenüber der Baugewerkschule auf eine höhere
Stufe heben würden, fehlt es leider noch fast über-
all. Der junge Diplomingenieur muß sich, nachdem
er diesen Mangel in seiner theoretischen Ausbildung
entdeckt hat, die fehlenden Kenntnisse mühsam aus
Büchern und Zeitschriften zusammensuchen. Die
Hochschule, die sie ihm bieten sollte, hat versagt.
Der geschilderte Unterricht in der Baukonstruk-
tionslehre müßte ferner weit mehr, als es jetzt der
Fall ist, durch praktische Anschauung belebt werden.
Was nützt dem Studierenden eine noch so genaue
Beschreibung der einzelnen Arbeitsvorgänge! Er
muß sie unter sachverständiger Führung gesehen,
miterlebt haben, wenn er sie später selber anordnen
und leiten soll. Deshalb wäre überhaupt das Schwer-
gewicht des Unterrichtes in der Baukonstruktions-
lehre nicht in den Hörsaal, sondern auf den Bau-
platz zu verlegen. Fortwährende Besichtigungen
von Neubauten in allen Stadien der Ausführung, von
Werkstätten, Steinbrüchen, Zimmer plätzen, Skiz-
zieren an Ort und Stelle ergeben ein weit anschau-
licheres Bild als der Vortrag an der Wandtafel, der
natürlich als Ergänzung keineswegs zu entbehren ist.
Bei letzterem würde eine kinematographische
Vorführung wichtiger Arbeitsvorgänge den Vortrag
so wesentlich unterstützen und beleben, daß man
sich eigentlich darüber wundern muß, daß von
diesem zeitgemäßen Unterrichtsmittel an den Pfleg-
stätten modernster Technik immer noch kein Ge-
brauch gemacht wird.
Auf der Voraussetzung einer so gewonnenen
absoluten Beherrschung der grundlegenden Fächer
würde sich dann freier und entwicklungsfähiger als
bisher die eigentliche höhere Ausbildung des Archi-

tekten im Entwerfen auf bauen, auf das jetzt vier
Semester hindurch alle Kräfte konzentriert werden
können, ohne daß durch die daneben betriebenen all-
gemein bildenden Fächer (Kunst- und Baugeschichte
und Volkswirtschaftslehre) eine schädigende Ab-
lenkung zu befürchten wäre. Auf das Entwerfen,
die freie Anwendung aller während des Studiums er-
worbenen Kenntnisse und Fähigkeiten, hätte sich
dann auch die akademische Abschlußprüfung in
erster Linie zu erstrecken. Also etwa während
mehrtägiger Klausur Bearbeitung mehrerer Auf-
gaben, mit Detaillieren, statischen Berechnungen,
Veranschlagen, alles möglichst genau den Verhält-
nissen der Praxis entsprechend; so daß diese Prüfung
tatsächlich einen Maßstab für das erworbene Können
abgeben kann. Daneben eine mündliche Prüfung in
allgemeiner Kunstgeschichte mit besonderer Berück-
sichtigung der Baukunst sowie in Volkswirtschafts-
lehre, die bis jetzt unbegreiflicherweise völlig vernach-
lässigt wird und doch für den Privatarchitekten wie
für den Baubeamten von großer Bedeutung ist.
Die Prüfungsvorschriften der süddeutschen Hoch-


Friedrich Schultz,
Stadtbaurat
in Bielefeld

Einzelgrab auf dem
Sennefriedhof
in Bielefeld

Architektonische Rundschau 1914
Seite 15
 
Annotationen