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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Haeuselmann, Johann Friedrich: Die Baukunst in der Schweiz
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0035
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Bildhauer Hermann
Hubacher, Bern


Putten in der Schalterhalle der
Eidgenössischen Bank in Bern


Dächern, deren Traufen bis auf Manneshöhe her-
unterreichen.
Das Holz für die Alpenhäuser gibt meistens
die Lärche. Es ist dem Wurmfraß nicht ausge-
setzt, verfault wenig und wird in wagrecht über-
einander gelegten Balken, mit eichenen Dübeln
verankert, aufgeschichtet. Die Berührungsflächen
der Balken werden gehöhlt und mit Moos gefüllt.
Die Dachdeckung besteht in großen Schindeln, die
mit Steinen belastet werden. Die Innenräume sind
schlicht. Die Fenster bekamen früher Butzen-
scheiben; die Hauptzierde des großen Raumes (oft
ist es überhaupt nur einer) ist der Ofen, derbe
Möbel, oft geschnitzt, stehen darinnen. Der Kamin
ist meist in Holz ausgeführt. Die Mauerflächen des
Engadiner Hauses haben kleine Fenster mit schrägen
Leibungen und große Torbogeneingänge mit Bild-
hauerei. Hier tritt auch die Sgraffitomalerei auf,
und die Tessiner Häuser haben oft etwas städtisch
angehauchte Beigaben.
Durch die Mulde des Mittellandes fegt ein scharfer
Ostwest. Die Bauernhäuser dieses Landstriches ge-
winnen bedeutend an Ausdehnung, die Gestaltung
der Hausseiten und des Daches erhält die durch
viele einzelne Zutaten wieder gelichtete, schwere
Form des schweizerischen Bauernhauses. Das Dach
bleibt aber auch hier ziemlich flach und weit aus-
ladend, die Stirnseite des Hauses erfährt ihre be-
sondere Ausbildung, und unter dem Dachrand wölbt
sich der charakteristische Bogen. Später erfahren
dann auch die Seiten eine Steigerung durch die
Lauben, die dort stockwerksweise übereinander an-
gebracht werden. Das Berner Oberländer Haus ist
vielleicht der reinste Typ dieser Bauernhäuser. Im
Berner Mittelland erfahren sie oft leichte Verände-
rungen, am regenreichen Vierwaldstätter See werden

die Dächer steiler, erhalten weniger Ausladung, und
über die Hausflächen ziehen von Stockwerk zu
Stockwerk kleine Klebedächer. Die Fenster werden
in breite Bänder gekuppelt, sind meist als Schiebe-
fenster ausgebildet und werfen das Licht in die mit
Kachelöfen, Vertäfelung und massiven Möbeln aus-
gestatteten 2,1 bis 2,6 m hohen Wohnräume. Be-
sonders auffallend sind hier die derben Arbeiten
der Türbeschläge.
In den Straßen der kleinen Ortschaften klingt
die Bauweise dieser Einzelhäuser unverändert nach.
Die Berner Oberländer Orte sind vielfach nur eine
durch Aneinanderreihen dieser Haustypen gebildete
einzelne Wohnstraße. In den größeren Orten und
kleinen Städten wird das Holz jedoch durch Stein-
mauern ersetzt. Es kehren dann hauptsächlich die
Dachformen in den Straßenbildern wieder, an Stelle
der Lauben treten zu ebener Erde Laubengänge.
Auf diese Weise entstanden die ungewöhnlich ge-
mütlichen Straßenzüge, als deren reizvollste Dar-
stellung wohl die alten Berner Gassen vom Bahnhof
bis zum Bärengraben gelten können. Als Baustoff
findet sich dort meistens ein grünlicher Sandstein,
der diesen durch Türme und Brunnenplätze unter-
brochenen Gassen einen weichen Farbenton gibt.
Die Zugabe von kleinen Einzelheiten, Erkerchen,
Türmchen, Schildern und dergleichen mehr, die
Art der Benutzung der offenen Laubengänge ver-
helfen hier zu Erscheinungen, wie sie als Kleinodien
mittelalterlicher Kabinettkunst einzig dastehen.
Würdig schließen sich hier die hölzernen Brücken
an, deren schönstes Beispiel wohl die Reuß in
Luzern überspannt. In der Ostschweiz werden oft
die Giebellinien plötzlich geschwungen, die Haus-
wände werden in Fachwerk ausgeführt, langsam
kündigt sich gegen die Landesgrenze der deutsch-

Architektonische Rundschau 1914
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