und des Materials zugleich. Es gingen damals die
uralten Erkenntnisse vom Materialstil als funkel-
nagelneue Forderungen um. Taschner erfüllte sie
mit angeborener Sicherheit. So kam es, daß er
schon 1903 einen Ruf an die Kunstgewerbeschule
in Breslau erhielt und annahm. Eine Fülle von
Arbeit harrte seiner. Besonders von Berlin her
suchte man sich dieser seltenen Kraft zu bemächtigen.
Im Herbst 1905 legte er sein Amt nieder und ging
in die Reichshauptstadt.
Kein Geringerer als Messel hat Taschner dorthin
gezogen, und der Wertheim-Palast stellte den
Bildhauer vor zahlreiche Aufgaben einer dekora-
tiven Architekturplastik. Mit vollendetem Stil-
gefühl, fast ohne zu schwanken, ging Taschner auf
die gotisierende Stimmung des Baues ein und verfiel
dennoch nicht in die gerade in Berlin so begünstigte
historische Stilmeierei. Er war der rechte Mann für
die feinen Absichten des Stadtbaumeisters Ludwig
Hoffmann, der Taschner ebenfalls reichlich zu
tun gab: an mehreren Gemeindeschulen, der Irren-
anstalt zu Buch, am neuen Rathaus und am Märki-
schen Museum wachsen die Taschnerschen Figuren,
die Reliefs und Simsbekrönungen aus dem Stein,
so frisch und naiv erfunden, so kraftvoll bewältigt
in der Form, daß man seine Freude daran haben
muß. Die Märchenfiguren des neuen großen
Brunnens am Friedrichshain haben erst kürz-
lich bei der Enthüllung das helle Entzücken der
Kleinen wie der Großen erregt. Wer an die
ersten Entwürfe auf der Berliner Ausstellung 1901
zurückdenkt, an den Einspruch des Kaisers und
die Konsequenzen, die
daraus drohten, der
muß doppelt froh sein,
daß die glückliche An¬
lage Hoffmanns durch
Taschners Kalkstein¬
figuren einen Schmuck
erhielt, der zum Köst¬
lichsten gehört, was Ber¬
lin überhaupt an öffent¬
licher Plastik besitzt.
Vielleicht hat sich der
Künstler mit diesen
Arbeiten selber das
schönste Denkmal in
tausend fröhlichen Kin¬
derherzen gesetzt.
Auch in seinen freien
Entwürfen für Brunnen
und Denkmäler hat er
gezeigt, daß er einer
der ersten unter den
modernen Bildhauern
war, die den funktio¬
nellen Raumzusammen¬
hang von Architektur
und Monument nicht nur rednerisch, sondern auch
praktisch begriffen haben. So steht in Breslau sein
Gustav-Freytag-Brunnen, 1905 vollendet und mit
schönen Reliefs geschmückt, in Posen ein Monu-
mentalbrunnen von 1908, in Würzburg ein einfaches
Kriegerdenkmal. Bei der Hochzeit des preußischen
Kronprinzen erhielt Taschner den Auftrag, das
Geschenk der deutschen Städte, ein silbernes Tafel-
zeug mit reichen Aufsätzen bis zu 60 cm Höhe, zu
modellieren. Bis kurz vor seinem Tode hat er daran
gearbeitet und auf Messels Wunsch die Ausführung
überwacht.
Er besaß überhaupt in hohem Maße die Fähigkeit,
aus dem Material sowohl ideelle wie rein handwerk-
liche Anregungen zu gewinnen. Die Handwerker,
die ihm in dem Dörfchen Mitterndorf bei Dachau
sein lustiges Landhaus bauen halfen, waren voller
Staunen, was dieser Kunstprofessor ihnen alles zu-
mutete, erklärte und — vormachte. Kein Wandbrett,
keinen Türdrücker und keinen Fensterladen, die er
nicht selber erdacht und auf seine Art gearbeitet
haben wollte. Was für prachtvoll gemütliche Kachel-
öfen von künstlerisch intimster Durchbildung, was
für anmutige Türfüllungen gibt es da („Die Plastik“,
1912/I, zeigte Abbildungen). Auch das Haus seines
Freundes L. Thoma in Rottach am Tegernsee hat
Taschner auf diese Art liebevoll eingerichtet, ob-
wohl er ja kein richtiger Baumeister war, noch sein
wollte. Wie er denn überhaupt unwirsch ablehnte,
seine Privateinfälle den neugierigen Ofenfabriken
oder den lerneifrigen Töpfern weiterzugeben.
Kapitalistisch dachte er nicht, trotzdem er in Berlin
den Betrieb des Geld-
verdienens aus nächster
Nähe studieren konnte.
Immer wieder zog es
ihn nach München zu-
rück, zum Fasching im
Winter, zum Dachauer
Moos im Sommer.
Bei alledem fand er
noch Zeit, Plaketten,
Medaillen, Möbel und
Ziergeräte aller Art zu
machen und Bücher zu
illustrieren, so nament-
lich ein paar von L.
Thoma in einem urwüch-
sig derben, köstlich lau-
nigen Stil. Man kann
sagen: es ging diesem
echt schöpferischen Men-
schen wie einem zweiten
König Midas: alles, was
er berührte, wurde unter
seinen Händen lautere
Kunst.
Eugen Kalkschmidt
Ignatius Taschner f,
Berlin
Brunnen in Buch
bei Berlin
Architektonische Rundschau 1914
Seite 40
uralten Erkenntnisse vom Materialstil als funkel-
nagelneue Forderungen um. Taschner erfüllte sie
mit angeborener Sicherheit. So kam es, daß er
schon 1903 einen Ruf an die Kunstgewerbeschule
in Breslau erhielt und annahm. Eine Fülle von
Arbeit harrte seiner. Besonders von Berlin her
suchte man sich dieser seltenen Kraft zu bemächtigen.
Im Herbst 1905 legte er sein Amt nieder und ging
in die Reichshauptstadt.
Kein Geringerer als Messel hat Taschner dorthin
gezogen, und der Wertheim-Palast stellte den
Bildhauer vor zahlreiche Aufgaben einer dekora-
tiven Architekturplastik. Mit vollendetem Stil-
gefühl, fast ohne zu schwanken, ging Taschner auf
die gotisierende Stimmung des Baues ein und verfiel
dennoch nicht in die gerade in Berlin so begünstigte
historische Stilmeierei. Er war der rechte Mann für
die feinen Absichten des Stadtbaumeisters Ludwig
Hoffmann, der Taschner ebenfalls reichlich zu
tun gab: an mehreren Gemeindeschulen, der Irren-
anstalt zu Buch, am neuen Rathaus und am Märki-
schen Museum wachsen die Taschnerschen Figuren,
die Reliefs und Simsbekrönungen aus dem Stein,
so frisch und naiv erfunden, so kraftvoll bewältigt
in der Form, daß man seine Freude daran haben
muß. Die Märchenfiguren des neuen großen
Brunnens am Friedrichshain haben erst kürz-
lich bei der Enthüllung das helle Entzücken der
Kleinen wie der Großen erregt. Wer an die
ersten Entwürfe auf der Berliner Ausstellung 1901
zurückdenkt, an den Einspruch des Kaisers und
die Konsequenzen, die
daraus drohten, der
muß doppelt froh sein,
daß die glückliche An¬
lage Hoffmanns durch
Taschners Kalkstein¬
figuren einen Schmuck
erhielt, der zum Köst¬
lichsten gehört, was Ber¬
lin überhaupt an öffent¬
licher Plastik besitzt.
Vielleicht hat sich der
Künstler mit diesen
Arbeiten selber das
schönste Denkmal in
tausend fröhlichen Kin¬
derherzen gesetzt.
Auch in seinen freien
Entwürfen für Brunnen
und Denkmäler hat er
gezeigt, daß er einer
der ersten unter den
modernen Bildhauern
war, die den funktio¬
nellen Raumzusammen¬
hang von Architektur
und Monument nicht nur rednerisch, sondern auch
praktisch begriffen haben. So steht in Breslau sein
Gustav-Freytag-Brunnen, 1905 vollendet und mit
schönen Reliefs geschmückt, in Posen ein Monu-
mentalbrunnen von 1908, in Würzburg ein einfaches
Kriegerdenkmal. Bei der Hochzeit des preußischen
Kronprinzen erhielt Taschner den Auftrag, das
Geschenk der deutschen Städte, ein silbernes Tafel-
zeug mit reichen Aufsätzen bis zu 60 cm Höhe, zu
modellieren. Bis kurz vor seinem Tode hat er daran
gearbeitet und auf Messels Wunsch die Ausführung
überwacht.
Er besaß überhaupt in hohem Maße die Fähigkeit,
aus dem Material sowohl ideelle wie rein handwerk-
liche Anregungen zu gewinnen. Die Handwerker,
die ihm in dem Dörfchen Mitterndorf bei Dachau
sein lustiges Landhaus bauen halfen, waren voller
Staunen, was dieser Kunstprofessor ihnen alles zu-
mutete, erklärte und — vormachte. Kein Wandbrett,
keinen Türdrücker und keinen Fensterladen, die er
nicht selber erdacht und auf seine Art gearbeitet
haben wollte. Was für prachtvoll gemütliche Kachel-
öfen von künstlerisch intimster Durchbildung, was
für anmutige Türfüllungen gibt es da („Die Plastik“,
1912/I, zeigte Abbildungen). Auch das Haus seines
Freundes L. Thoma in Rottach am Tegernsee hat
Taschner auf diese Art liebevoll eingerichtet, ob-
wohl er ja kein richtiger Baumeister war, noch sein
wollte. Wie er denn überhaupt unwirsch ablehnte,
seine Privateinfälle den neugierigen Ofenfabriken
oder den lerneifrigen Töpfern weiterzugeben.
Kapitalistisch dachte er nicht, trotzdem er in Berlin
den Betrieb des Geld-
verdienens aus nächster
Nähe studieren konnte.
Immer wieder zog es
ihn nach München zu-
rück, zum Fasching im
Winter, zum Dachauer
Moos im Sommer.
Bei alledem fand er
noch Zeit, Plaketten,
Medaillen, Möbel und
Ziergeräte aller Art zu
machen und Bücher zu
illustrieren, so nament-
lich ein paar von L.
Thoma in einem urwüch-
sig derben, köstlich lau-
nigen Stil. Man kann
sagen: es ging diesem
echt schöpferischen Men-
schen wie einem zweiten
König Midas: alles, was
er berührte, wurde unter
seinen Händen lautere
Kunst.
Eugen Kalkschmidt
Ignatius Taschner f,
Berlin
Brunnen in Buch
bei Berlin
Architektonische Rundschau 1914
Seite 40