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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Rasch, Edgar: Naturtheater
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0053
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Theodor Richter (B.D.A.) & Arbeiterkolonie
Fritz Heß, Loschwitz b. Dresden bei Dresden


Naturtheater
Von Edgar Rasch, Stuttgart
(Mit Skizzen vom Verfasser. Vergl. Tafel 81-82)

ir brauchen Naturtheater! —
Das Naturtheater gehört in den neuen Volks-
park wie der Saal in den Saalbau, in das Volkshaus.
Es dient den gleichen Zwecken im Freien.
In Gärten und Parks so jämmerlichen künstleri-
schen Tiefstandes, wie sie in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts geschaffen wurden, Anlagen, die
ein durchaus würdiges Seitenstück zur Kultur der „gu-
ten Stube“ bilden, konnte weder ein Naturtheater ent-
stehen noch überhaupt eine vernünftige Idee wachsen.
Heute, wo wir Sport-, Spiel- und Planschwiesen,
Sonnenbäder, Wassersportgelegenheiten in den Volks-
parks schaffen, ist auch die Zeit gekommen, daran
zu denken, daß es mit einseitiger Körperausbildung
nicht getan ist, sondern daß auch Geist und Seele in
der Pflege nicht vernachlässigt werden sollen.
Bei der Schaffung derartiger Anlagen liegt es
nahe, zunächst bestehende ältere Naturtheater zu
betrachten und zu prüfen, ob und in welcher Weise
dieselben für Neuanlagen Anregungen geben können.
Die alten Naturtheater lassen sich, trotz einiger Misch-
formen, in zwei scharf ausgeprägte Typen scheiden.
Der eine ältere Typ, welcher sich besonders in
den nördlichen Mittelmeerländern findet, wo das
Klima mehr zum Leben im Freien einlud, nimmt das
klassische Amphitheater zur Grundlage, wobei die
Bühne, wie bei der alten „Orchestra“, in die Zu-
schauerkreise hineinragte und von ihnen sozusagen
umklammert wurde. Das Szenengebäude bildete mehr
den Hintergrund, von dem wohl das Spiel ausging,
doch letzteres entwickelte sich in vielen Stücken
sogar in der Hauptsache auf der Orchestra.

In den Naturtheatern der Gärten ist das Szenen-
gebäude zur Heckenwand, die Orchestra zum Par-
terre geworden. Für die Musik finden wir keinen
besonders gebauten Platz, da sie je nach Bedarf
untergebracht wurde, wo man es von Fall zu Fall
für vorteilhaft hielt. Diese Naturtheater dienten
wohl mehr größeren gesellschaftlichen Veranstal-
tungen, Hoffesten, und waren nicht für den öffent-
lichen Gebrauch da.
Einige andere wie die Wassertheater der Villa
d’Este in Tivoli, der Villa Pamfili zu Rom und das
Theätre d’Eau zu Versailles waren wohl nur künst-
lerische Schaustücke, in denen das Wasser selbst
„Theater spielte“.
Sonst zeigen die italienischen Gärten noch man-
ches edle Theater, so unter anderem die Villa Bor-
ghese und die Villa Pia zu Rom, der Giardino Boboli
zu Florenz, die Isola Bella im Lago Maggiore und
die Villa Garzoni in Collodi.
Lag diesen Theatern die Idee des Amphitheaters
zugrunde, so entwickelten sich später unter dem
Einfluß der von Norden her kommenden Haus-
theater mit ihrem Kulissensystem, ihrer Kasten-
bühne und entsprechendem Zuschauerraum in Mittel-
euro pa in den Barockgärten jene Kulissennaturtheater,
wie wir sie heute noch vielerorts in Hofgärten finden.
So in Belvedere bei Weimar, Herrenhausen bei Han-
nover, Veitshöchheim bei Würzburg und Biebrich.
Ein Stich des alten Schloß parks zu Marquardsburg
bei Bamberg zeigt ein Naturtheater, bei dem sich
die Kulissenhecken nach den Seiten und Rückseiten
zu einem regelrechten „Labyrinth“ entwickeln.


Architektonische Rundschau 1914
Seite 41
 
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