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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Goettel, Jakobus: Die Planung gemeinnütziger genossenschaftlicher Siedlungen, sogenannter Gartenvorstädte, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0062
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Jakob
Goettel,
Stuttgart

Gartenseite der Sechshaus-
gruppe im Gronauer Wald.
(Vergl. Tafel ioi—102)

Sie kann — ich denke an den Orient — den
innersten Bedürfnissen des Menschen gemäß
nicht klar, voll und hoch genug aufgefaßt und
geschaffen werden; umgibt sie ihn doch fast
jede Stunde seines Lebens und wirkt bewußt
oder unbewußt nachhaltig auf ihn ein.
Die meisten und wichtigsten Lebensbedürf-
nisse des Menschen, auch die allerhöchsten, hat
die Baukunst einzukleiden, und eben darum kann
man sie nicht wichtig genug nehmen. Das Tausch-
mittel und die Konstruktion des Materials, neben
allem anderen ,Sachlichen', müssen wir be-
herrschen, dürfen aber nicht mit Leib und Seele
darin auf geh en oder richtiger gesagt untergehen,
wie die armen Materialisten und ,sachlichen'
Leute?
Es gibt glücklicherweise genug Künstler, welche
immer wieder zuerst als Künstler an ihre Auf-
gaben herantreten und sie erleben, bevor ein
moderner Konstrukteur die erste Multiplikation
fertig hat. Aber trotzdem stellen auch sie in
der Beherrschung aller modernen Hilfsmittel ihren
Mann!
Nun können wir also, ohne mißverstanden zu
werden, mit dem Wirtschaftlichen und Technischen
beginnen. Die Natur der Sache gönnt allerdings
auch beiden den Anfang nicht, sondern verlangt
zu allererst die Lösung der Frage nach geeignetem
Bauland. Dieser Gegenstand ist ohne weiteres
sinnlich wahrnehmbar und allein dauernd neben

betrachtet, doch zu billige
moderne Voraussetzun-
gen und Hilfsmittel zu
eigentlichen Kultur werten
von so weit umfassender
Bedeutung für das Tägliche
und Innerlichste der Men-
schen wie die der Haus-
bau- und Städtebaukunst,
als daß ich mich rein ka-
pitalistischen Neigungen und
der Technik gedankenlos
unterordnen könnte. Mo-
dernes übervorteilendes und
alle Ideale tötendes Wirt-
schaftsleben und höchste
Technik (bei aller Achtung
ihrer erreichten Höhe) lassen
uns doch nie innerlich berei-
chert werden, wie es wirkliche
Kultur vollbringen soll. Es
ist darum höchste Zeit, daß
mehr Lanzen gebrochen
werden für die höheren
menschlichen Lebenswerte
und somit auch für die
Baukunst — die Urkunst.

Jakob Wohnküche im Mitteltypus der
Goettel, Sechshausgruppe im Gronauer
Stuttgart Wald. (Vergl. Tafel 101—102)


Architektonische Rundschau 1914
Seite 50
 
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