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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Goettel, Jakobus: Die Planung gemeinnütziger genossenschaftlicher Siedlungen, sogenannter Gartenvorstädte, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0064
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nötige Durchlüftung der Siedelung leidet. Das hat
spürbaren Einfluß auf die Heizung der Häuser und
auf den gefürchteten Zug in Straßen, an Ecken
und in Bauwichen.
Überhaupt sind alle möglichen, oft scheinbar ge-
ringen Ursachen, welche später zu Klagen führen
und das Unternehmen verhängnisvoll in Frage
stellen können, sehr zu überlegen.
Eine kleinere Siedelung auf einem freien Berg-
rücken anzulegen, halte ich aus verkehrstechnischen
und wirtschaftlichen Gründen für gewagt.
Nicht zuletzt ist die Landschaft zu berück-
sichtigen, die nähere wie die weitere: Wald, Wiese,
Feld, Fluß oder Bach. Ferner sind große Einzel-
bäume, Baumgruppen und Obstbäume in den
Stücken oder am Wege für die Erscheinung und
den Ruf der Siedelung gleich von vornherein
höchst wertvoll. Besonders betonen möchte ich
den Wert von WTasser bei oder besser noch in der
Siedelung in Form eines größeren Teiches, den ein
Wasserlauf bildet oder den man damit noch bilden
kann. Das bringt Helligkeit, Heiterkeit und doch
wieder klingende Stille in die Natur und — ins
Gemüt.
Sind die gestreiften Bedingungen alle erfüllt, so
muß der Architekt, bevor er einen Strich am Be-
bauungsplan tut, die Haustypen möglichst im
Maßstab i : 50 entwerfen und schon ziemlich genau
die Baukosten feststellen. Als Programm erhält er
von der Genossenschaft bzw. von deren Mitgliedern
ausführliche und gewissenhaft ausgefüllte Frage-
bogen über Anzahl, Größe und Bestimmung der
Räume, Möbel, die Kinderzahl, Alter usw. Nun
hat er das Typische aus diesen Angaben heraus-
zuziehen und die kleinsten Typen gewissermaßen
um die Möbel nach ihrem Gebrauchszweck und -ort
herumzubauen. Dazu ist ein eingehendes Studium
der örtlichen Wohnweise unerläßlich, ihr Gutes
ist beizubehalten und Unmögliches fallen zu lassen.
Alles das ist so früh als möglich zu tun, damit die
Entwürfe bei dem unmenschlichen Tempo heute
bis zur Ausführung im einzelnen noch ausreifen
können.
Typisch wiederkehrende Fehler aus Überstürzung
der Projektarbeit, besonders bei einer gleich großen
ersten Bauperiode, können die Genossenschaft wirt-
schaftlich und in ihrem Werben schwer schädigen.
Vor allem dienen auch die jetzt einmal festgelegten
Breitenmaße, besonders der kleinen Reihenhaus-
typen, zur Festlegung der wirtschaftlich möglichen
und notwendigen Baublockformen und -großen, vor-
nehmlich aber ihrer Tiefen.
Mit der Gartengröße, die zu einer einigermaßen
einträglichen Gemüsezucht nicht unter 120 qm sein
sollte, kann die Miete bis zu einem gewissen Grade
noch reguliert werden. Überhaupt kann die Genossen-
schaft erst auf Grund reifer Hausbaupläne und eines
daraufhin in jeder Beziehung sehr sorgfältig aus-

gearbeiteten Bebauungsplanes einen genauen
Verzinsungsplan aufstellen, welchen die Geldgeber
nicht früh und genau genug in Händen haben
können.
Bevor ich auf das Entwerfen des Bebauungs-
planes zu sprechen komme, möchte ich doch das
Wesentliche einiger Haustypen beleuchten.
Je nach dem Einkommen und Vermögen der
Bewerber sind neben Einzel- und Doppelhäusern,
Dreihaus- usw.gruppen Reihenhäuser unumgäng-
lich, soll die Miete der Unbemittelten und Mindest-
besoldeten nicht 1/5 ihres Einkommens übersteigen.
Das tut sie sicher bei Einzel- oder Doppelhäusern,
sobald der Preis baureifen Geländes 3,50 M. für den
Geviertmeter übersteigt. Bei den meisten heutigen
Bodenpreisen und noch unvollkommenen Verkehrs-
verbindungen ist den ärmsten Bevölkerungsschichten
mit Doppel- oder gar Einzelhäusern nicht zu dienen.
Sie sind aber auch aus künstlerischen und wirt-
schaftlichen Gründen unratsam. Wir kommen
beim Bebauungsplan noch darauf zurück.
Allgemein ist über die Form und Grundriß-
bildung von Kleinhaustypen zu sagen, daß für volle
Familienverhältnisse, also mit drei bis fünf Kindern,
bei Reihen-, Doppel- und Einzelhäusern das ganz
zweigeschossige Haus mit Dachzimmer das wirt-
schaftlichste und besonders bei Städten auch das ge-
suchteste ist. Die anderthalbstöckige Hausform
kommt an und für sich meist so teuer wie die
zweistöckige, oft gar noch teurer (Siedelung Stock-
feld bei Straßburg). Weitere Verteuerung entsteht
durch die ungleich höheren Unterhaltungskosten der
nötigen großen Dachdurchdringungen. Auch macht
sie besonders guter Wärmeschutz der Dach-
schlafräume teuer, ohne den die Temperatur im
Winter und Sommer unleidlich ist, zuviel Hei-
zung kostet und besonders Säuglingen gefährlich
ist. In Gegenden, wo viel mit Holz gefeuert wird,
und bei großen Gärten ist im anderthalbstöckigen
Haus der Speicher für Brennmaterial und Früchte
zu knapp.
Künstlerisch sind die anderthalbstöckigen, klei-
nen Typen, auch die Reihenhäuser, mit einer
wünschenswert großen Lichtöffnung zur Straße und
zum Hof schwer ganz einwandfrei zu lösen. Inson-
derheit bei ganz schmalen und tiefen Reihentypen,
wo große Dachaufbauten sich stoßen oder anein-
andergebracht zu einer unerquicklichen Verkappung
der rein zweistöckigen Bauweise führen (Hellerau
und Karlsruhe).
Ich greife nur bei zwei- bis dreizimmerigen sog.
Alteleutetypen zur anderthalbstöckigen Form, welche
zwei Zimmer unten und nur eines im Dachgeschoß
umfaßt. Als Dach kann auch ein konstruktiv günstiges,
gebrochenes Dach gelten ohne Kehlbrett mit einer
Neigung des oberen Dachteils von nur 30 Grad.
Der untere Teil muß aber hier sehr schräg genommen
werden, so daß ein sehr stumpfer Whnkel am Bruch

Architektonische Rundschau 1914
Seite 52
 
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