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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Probleme der Monumentalarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0077
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Ignatius Taschner f Bildhauerarbeiten an der Heilanstalt Buch bei Berlin


Probleme der Monumentalarchitektur

Zwei Fälle aus der jüngsten Berliner Bau-
geschichte haben wiederum deutlich gezeigt,
mit welchem Mangel an Unbefangenheit und mit
welcher überraschenden Summe von Vorurteilen
heute noch immer die Probleme der Monumental-
architektur behandelt werden. Noch immer deckt
sich für die Architekturauffassung der Zeit der Be-
griff des Monumentalen völlig mit dem des Re-
präsentativen im Sinne jener dekorativen Fassaden-
kunst, die, ohne Rücksicht auf die innere Dynamik
des Bauwerks, nur auf blendende Schein- und
Kulissenwirkung abzielt. Das Programm für den
Neubau des Kgl. Opernhauses in Berlin fordert ein
Theatergebäude, das in jeder Hinsicht den viel-
fältigen Ansprüchen der modernen Bühnentechnik
genügen soll, und das ohne Zweifel mit seinen

verwickelten technischen und konstruktiven Pro-
blemen die schöpferischen Kräfte moderner In-
genieure zu äußerster Leistungsfähigkeit anspornen
wird. Das künstlerische Problem dieser Bauaufgabe
aber sieht man, unter dem verderblichen Einfluß
veralteter akademischer Überlieferungen, in dem
Entwurf eines effektvollen Architekturprospekts,
der mit pompösen Fassaden die unzähligen Bedürf-
nisse des modernen szenischen Apparates wirkungs-
voll umhüllen soll. Daß unter solchen Umständen
die Vorarbeiten für den Opernhausneubau bisher
einen unbefriedigenden Verlauf genommen haben,
sollte uns nicht wundernehmen. Der aufgeputzte
,,Paraderitt der verstandesmäßig erlernten hohen
Schule der Renaissance“, der uns immer wieder
von den Bearbeitern dieser schwierigen, aber keines-
wegs undankbaren Bauaufgabe vor-
geführt worden ist, kann den Weg
zu einer befriedigenden Lösung
nicht zeigen. Dennoch hat man
sich offenbar noch nicht die ent-
scheidende Frage vorgelegt, ob hier
nicht der vergebliche Versuch
gemacht wird, das Pferd am
Schwanz aufzuzäumen.
Die wenig erfreulichen Ergeb-
nisse, die die Entwurfbearbeitung
bisher gezeitigt hat, sollten uns zu
denken geben. Sie deuten darauf
hin, daß bei der Behandlung dieser
Bauaufgabe von falschen Voraus-
setzungen ausgegangen wird. Wenn
für die Lösung immer wieder das
Repräsentative im Sinne jener
dekorativen Scheinarchitektur ge-
fordert wird, wie sie das 18. Jahr-
hundert geübt hat, so vergißt man
dabei, daß sich für die Gegenwart
bereits ein neuer Begriff des Monu-

Paul Wallot f Selbstbildnis vom Jahre 1859


Architektonische Rundschau 1914
Seite 65
 
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