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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Probleme der Monumentalarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0079
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unmittelbarer Ausdrucksfähigkeit das architektonische
und dekorative Beiwerk bei weitem. Die riesigen,
über 13 Stockwerke verteilten Bücherspeicher des
neuen Hauses bieten ausreichenden Raum für die
Aufstellung und Aufbewahrung von nicht weniger
als 6 Millionen Bänden. Diese Magazine gruppieren
sich um einen großen Lesesaal, der im Interesse der
Übersichtlichkeit ohne Stützen bleiben sollte und
deshalb mit einem riesigen Kuppelgewölbe über-
deckt worden ist. Diese Kuppel ist ohne Schalung
hergestellt, in Eisenbeton konstruiert und zwar
derart, daß ihre Meridianrippen auf dem Saalfuß-
boden in Gipsformen hergestellt und dann auf
einem in der Mitte des Saales errichteten Versetz-
turme hochgezogen wurden. Die unteren Enden
der Rippen wurden in den Kugellagern eingelassen
und die freien oberen Enden zunächst auf dem
Mittelgerüst aufgelagert. Inzwischen wurden die
auf dem Werkplatz ebenfalls in Kunststein her-
gestellten, steinmetzmäßig bearbeiteten Paralell-
rippen und die Kassetten des Kuppelgewölbes hoch-
gezogen und so versetzt, daß sie auf dem unteren
Flansch der mit I-förmigem Querschnitt gearbeiteten
Meridianrippen aufgelegt wurden. Schließlich ist
auch der breite Oberlichtring der Kuppel, der gleich-
zeitig als Druckring der sich freitragenden Rippen
dient, oben auf dem Mittelgerüst eingestampft
worden.
Diese Ingenieurleistung ist bis in alle Einzel-
heiten erfüllt von starkem, schöpferischem Geist,

und angesichts einer so gewaltigen und groß-
artigen Kraftäußerung möchte man glauben, eine
Zeit, die Dinge von so überwältigender Großartigkeit
hervorzubringen vermag, müßte auch auf archi-
tektonischem Gebiet zu Wunderleistungen produk-
tiver Tätigkeit befähigt sein. An diesem Glauben
aber wird man wieder irre gemacht, sobald man
die Fassaden und architektonischen Dekorationen
betrachtet, die der Architekt um dieses vortrefflich
durchdachte und bis ins letzte durchgearbeitete
technische Gerüst gelegt hat. Er hat weder aus der
besonderen Eigenart der Bauaufgabe lebendige An-


Architektonische Rundschau 1914
Seite 67
 
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