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Architektonische Rundschau
Seite IX
ginnen läßt, über die Jahrtausende bis zur Han-Dynastie, die
im dritten Jahrhundert v. Chr. die politische Einheit Chinas be-
gründete, und wieder bis zur Gegenwart; denn auch die be-
deutenden Männer der jüngsten Vergangenheit, von denen ja
noch Li-Hung-Tschang uns allen vor nicht langen Jahren wohl
bekannt war, haben ihre Gedächtnistempel gefunden, die sich
würdig den alten anschließen. Freilich sind solche, die wirklich
aus weiter entfernten Zeiten stammen, wohl nirgends mehr er-
halten. Vielmehr wird es sich bezüglich der ältesten nur um
die charakteristische Anlage handeln können, die sich dort um
einiges von der späteren Art unterscheidet, und etwa um einige
alte Steinmauern, die vom Ursprünglichen geblieben sind. Gar
manches von diesen Gebäuden, das seit alters das Andenken
eines Helden verherrlicht, der vor mehr als zweitausend Jahren
höchsten Ruhm erwarb, ist viele Male gründlich zerstört, ver-
brannt, verfallen und zuletzt vielleicht vor zwanzig Jahren neu
erstanden, doch im ganzen stets auf den alten Fundamenten.
Das leichte Baumaterial hat dies selbstverständlich auf das
stärkste begünstigt.
Trotz alledem ist die Reihe der wenn auch vielfach er-
neuerten mächtigen Tempelanlagen dieser Art eine imposante
und in Schönheit prangende. Werke großartigster Anlage treten
auf, die mit den Städten, die sie zieren, zu einem Ganzen ver-
schmolzen sind; so das städtebaulich ganz hervorragende K’ufu
mit den Tempeln und der Grabstätte des Konfuzius. Dieser
größte Geist des alten China ist überhaupt in zahllosen Bau-
werken gepriesen, wie jeder Staatsmann, Krieger, Dichter und
sonst hervorragende Mann in solchen seine Verherrlichung fand.
Was uns neben der märchenhaften Phantastik des Aufbaus
und der Ausstattung künstlerisch aber am meisten fesselt, sind
die Grundrisse dieser Anlagen; unter ihnen befinden sich zahl-
reiche von wahrhaft großartiger Gestaltung, von dem Tempel
der drei mythischen Kaiser bei P’ing-yang-fu und dem herrlichen
Örl-lang-miao bis zu dem riesenhaften Konfuziustempel in K’ufu,
dessen Grundriß mit dem der größten altägyptischen Tempel-
anlagen zu vergleichen sein mag. —
Fortsetzung auf Seite X
Aufnahme von Kirche in Kemnitz
L. Peters, Neukölln (Pommern)
Bücherbesprechungen (Fortsetzung)
ist als etwa die europäische, ja daß sie gewissermaßen nur
eine einzige, allerdings mehrtausendjährige Stilepoche umfaßt, wie
solche im Westen alle hundert Jahre durch neue abgelöst wurden.
In China hängt der Schluß des zweiten Jahrtausends n. Chr. mit
dem ersten Jahrtausend, ja noch älterer Zeit, künstlerisch viel enger
zusammen als unsere Zeit etwa mit dem achtzehnten Jahr-
hundert. Die künstlerischen Ideale aus längst vergangenen
Blütezeiten des Reiches herrschen heute noch, freilich in erkenn-
barer Degeneration. — Und wenn in dem neuen Bande dann
die Tempel behandelt sind, die den Großen der Vergangenheit
und den Ahnen bis zur Gegenwart zur Verehrung errichtet
wurden, eine Sitte, die doch im ältesten chinesischen Wesen
wurzelt, während jene Insel P’ut’oshan ein buddhistisches Heilig-
tum ist, also einer jüngeren Auffassung angehört, so finden wir
die künstlerische Aufgabe in diesen verschiedenen Gedanken-
kreisen dabei in ganz gleichartiger Weise behandelt und gelöst;
etwa wie bei uns sich Katholizismus und Protestantismus ganz
derselben Stilarten wie Systeme zum Kirchenbau bedienen.
Hier erstrecken sich nun der Überlieferung nach die Bau-
werke über einen ungeheuren Zeitraum; von der Periode der
fünf Kaiser, die die Überlieferung im Jahre 2852 v. Chr, be-
Aufnahme von Kirche in Bessin
L. Peters, Neukölln auf Rügen
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Architektonische Rundschau
Seite IX
ginnen läßt, über die Jahrtausende bis zur Han-Dynastie, die
im dritten Jahrhundert v. Chr. die politische Einheit Chinas be-
gründete, und wieder bis zur Gegenwart; denn auch die be-
deutenden Männer der jüngsten Vergangenheit, von denen ja
noch Li-Hung-Tschang uns allen vor nicht langen Jahren wohl
bekannt war, haben ihre Gedächtnistempel gefunden, die sich
würdig den alten anschließen. Freilich sind solche, die wirklich
aus weiter entfernten Zeiten stammen, wohl nirgends mehr er-
halten. Vielmehr wird es sich bezüglich der ältesten nur um
die charakteristische Anlage handeln können, die sich dort um
einiges von der späteren Art unterscheidet, und etwa um einige
alte Steinmauern, die vom Ursprünglichen geblieben sind. Gar
manches von diesen Gebäuden, das seit alters das Andenken
eines Helden verherrlicht, der vor mehr als zweitausend Jahren
höchsten Ruhm erwarb, ist viele Male gründlich zerstört, ver-
brannt, verfallen und zuletzt vielleicht vor zwanzig Jahren neu
erstanden, doch im ganzen stets auf den alten Fundamenten.
Das leichte Baumaterial hat dies selbstverständlich auf das
stärkste begünstigt.
Trotz alledem ist die Reihe der wenn auch vielfach er-
neuerten mächtigen Tempelanlagen dieser Art eine imposante
und in Schönheit prangende. Werke großartigster Anlage treten
auf, die mit den Städten, die sie zieren, zu einem Ganzen ver-
schmolzen sind; so das städtebaulich ganz hervorragende K’ufu
mit den Tempeln und der Grabstätte des Konfuzius. Dieser
größte Geist des alten China ist überhaupt in zahllosen Bau-
werken gepriesen, wie jeder Staatsmann, Krieger, Dichter und
sonst hervorragende Mann in solchen seine Verherrlichung fand.
Was uns neben der märchenhaften Phantastik des Aufbaus
und der Ausstattung künstlerisch aber am meisten fesselt, sind
die Grundrisse dieser Anlagen; unter ihnen befinden sich zahl-
reiche von wahrhaft großartiger Gestaltung, von dem Tempel
der drei mythischen Kaiser bei P’ing-yang-fu und dem herrlichen
Örl-lang-miao bis zu dem riesenhaften Konfuziustempel in K’ufu,
dessen Grundriß mit dem der größten altägyptischen Tempel-
anlagen zu vergleichen sein mag. —
Fortsetzung auf Seite X
Aufnahme von Kirche in Kemnitz
L. Peters, Neukölln (Pommern)
Bücherbesprechungen (Fortsetzung)
ist als etwa die europäische, ja daß sie gewissermaßen nur
eine einzige, allerdings mehrtausendjährige Stilepoche umfaßt, wie
solche im Westen alle hundert Jahre durch neue abgelöst wurden.
In China hängt der Schluß des zweiten Jahrtausends n. Chr. mit
dem ersten Jahrtausend, ja noch älterer Zeit, künstlerisch viel enger
zusammen als unsere Zeit etwa mit dem achtzehnten Jahr-
hundert. Die künstlerischen Ideale aus längst vergangenen
Blütezeiten des Reiches herrschen heute noch, freilich in erkenn-
barer Degeneration. — Und wenn in dem neuen Bande dann
die Tempel behandelt sind, die den Großen der Vergangenheit
und den Ahnen bis zur Gegenwart zur Verehrung errichtet
wurden, eine Sitte, die doch im ältesten chinesischen Wesen
wurzelt, während jene Insel P’ut’oshan ein buddhistisches Heilig-
tum ist, also einer jüngeren Auffassung angehört, so finden wir
die künstlerische Aufgabe in diesen verschiedenen Gedanken-
kreisen dabei in ganz gleichartiger Weise behandelt und gelöst;
etwa wie bei uns sich Katholizismus und Protestantismus ganz
derselben Stilarten wie Systeme zum Kirchenbau bedienen.
Hier erstrecken sich nun der Überlieferung nach die Bau-
werke über einen ungeheuren Zeitraum; von der Periode der
fünf Kaiser, die die Überlieferung im Jahre 2852 v. Chr, be-
Aufnahme von Kirche in Bessin
L. Peters, Neukölln auf Rügen
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