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Jedenfalls scheint dies sicher: Rothweil wurde unmittelbar in Paris ausgebildet, das
bezeugt der Stil seiner Werke. Da sich nirgends in seinem doch ziemlich genau verfolg-
baren Lebensablauf ein Hinweis auf eine Parisfahrt findet, da sich ferner seine franzö-
sischen Kunstprinzipien bereits eindeutig in Hanau abzeichnen, muß Rothweil vor 1700
in Paris gewesen sein. Der Hanauer Hof pflegte schon im 17. Jahrhundert engste Be-
ziehungen zu Paris, und so ist es auch denkbar, daß Rothweil direkt von Paris nach
Hanau kam.
Rothweil war Offizier und Baumeister. In Weilburg und Waldeck stand er in militä-
rischen und architektonischen Diensten, wie aus den Archivangaben mehrfach hervorgeht
(vgl. S. 11, 20 und 23). Der Künstler gehörte damit zu der Gruppe der „Militärarchi-
tekten“ oder „Ingenieuroffiziere“, ähnlich wie L. v. Hildebrandt, M. v. Welsch und
B. Neumann. Der militärische Rang bestimmte den offiziellen gesellschafllichen Stand
innerhalb des Hoflebens und die Honorierung. Die künstleriscbe Leistung erbrachte die
weitere Schätzung und Förderung des Bauherrn und den Ruhm zu weiteren Aufträgen.
Diese Vereinigung zweier Ämter in einer Person bildete einerseits für die kleinen, nicht
allzu begüterten Territorien die einzige Möglichkeit, einen „Baudirektor“ anzustellen;
andererseits bot sie dem Architekten in auftraglosen Zeiten eine Lebensgrundlage. Die
Ingenieuroffiziere gingen zumeist vom Festungsbauwesen aus, das ihnen gute bautech-
nische Grundlagen vermittelte. Ein exakt mathematisch-technisches Wissen zeichnete
daher die lngenieuroffiziere häufig vor den Kavalierarchitekten aus.
Im Festungsbauwesen ist vermutlich auch die Herkunft Rohtweils zu suchen, vielleicht in
Straßburg, der Festung Ludwigs XIV. Rothweils konstruktiv-technisches Können be-
zeugen seine Bauten in Hanau, Weilburg und Hachenburg mit ihren komplizierten
Substruktionen. Seine festungstechnischen Fähigkeiten deuten Brief 17 und der Ausbau
von Schloß Pyrmont an. Seine Kenntnisse im Stadtbau, der ja seit der Renaissance mit
dem Fortifikationswesen verknüpft war, hatten vielleicht ebenfalls in seinem Pionier-
beruf ihre Wurzel. Schon in den Hanauer Akten wird er „Ingenieur“ genannt.
Hanau
Der Hanauer Hof war einer der frühesten streng an Frankreich orientierten Fürsten-
sitze in Westdeutschland. Das begann mit der Erziehung des Grafen Philipp Reinhard.
1675/78 studierte er in Straßburg. Als er 1679/84 mit seinem Bruder eine Reise nach
Italien, Frankreich, England und Holland unternahm, war das Hauptziel ein zwei-
jähriger Aufenthalt in Paris am königlichen Hof und an den Adelshöfen der Stadt und
ihrer Umgebung. In Paris trafen die beiden Grafen viele deutsche Adelige, u. a. die
Grafen von Waldeck und von Weilburg. Also lange ehe Rothweil seine französisierende
Kunst entfalten konnte, waren seine Bauherren in Paris schon einander begegnet 5. So ist
es verständlich, daß Philipp Reinhard sich eine Residenz französischen Musters anlegen
wollte und dazu einen Architekten rein französischer Schulung berief. Der Graf war ein
umsichtiger und ordnungsliebender Regent und begann den Bau erst, nachdem die äuße-
ren Umstände und das 'Wohl des Landes geregelt waren. J. A. Bernhard berichtet für
das Jahr 1700: „Unser Graf gab seine succession bey damaliger Ehe (mit Maria Claudia
von der Pfalz-Birkenfeld) verlohren und sann auf andere weise sich ein nahmens ge-
dächtnis zu setzen. Dieses sollte der- Bau eines Schloßes seyn“ (S. 713). Nach seinem
5 Das kultur- und kunsthistorisch bedeutsame, aber viel zu wenig beachtete Tagebuch der Reise der
beiden Hanauer Grafen durch Europa mit aufschlußreichen Angaben über Reiseweg, Aufenthalts-
orte und Besichtigungen ist auszugsweise veröffentlicht im Hanauischen Magazin 1780, Bd. III.
Jedenfalls scheint dies sicher: Rothweil wurde unmittelbar in Paris ausgebildet, das
bezeugt der Stil seiner Werke. Da sich nirgends in seinem doch ziemlich genau verfolg-
baren Lebensablauf ein Hinweis auf eine Parisfahrt findet, da sich ferner seine franzö-
sischen Kunstprinzipien bereits eindeutig in Hanau abzeichnen, muß Rothweil vor 1700
in Paris gewesen sein. Der Hanauer Hof pflegte schon im 17. Jahrhundert engste Be-
ziehungen zu Paris, und so ist es auch denkbar, daß Rothweil direkt von Paris nach
Hanau kam.
Rothweil war Offizier und Baumeister. In Weilburg und Waldeck stand er in militä-
rischen und architektonischen Diensten, wie aus den Archivangaben mehrfach hervorgeht
(vgl. S. 11, 20 und 23). Der Künstler gehörte damit zu der Gruppe der „Militärarchi-
tekten“ oder „Ingenieuroffiziere“, ähnlich wie L. v. Hildebrandt, M. v. Welsch und
B. Neumann. Der militärische Rang bestimmte den offiziellen gesellschafllichen Stand
innerhalb des Hoflebens und die Honorierung. Die künstleriscbe Leistung erbrachte die
weitere Schätzung und Förderung des Bauherrn und den Ruhm zu weiteren Aufträgen.
Diese Vereinigung zweier Ämter in einer Person bildete einerseits für die kleinen, nicht
allzu begüterten Territorien die einzige Möglichkeit, einen „Baudirektor“ anzustellen;
andererseits bot sie dem Architekten in auftraglosen Zeiten eine Lebensgrundlage. Die
Ingenieuroffiziere gingen zumeist vom Festungsbauwesen aus, das ihnen gute bautech-
nische Grundlagen vermittelte. Ein exakt mathematisch-technisches Wissen zeichnete
daher die lngenieuroffiziere häufig vor den Kavalierarchitekten aus.
Im Festungsbauwesen ist vermutlich auch die Herkunft Rohtweils zu suchen, vielleicht in
Straßburg, der Festung Ludwigs XIV. Rothweils konstruktiv-technisches Können be-
zeugen seine Bauten in Hanau, Weilburg und Hachenburg mit ihren komplizierten
Substruktionen. Seine festungstechnischen Fähigkeiten deuten Brief 17 und der Ausbau
von Schloß Pyrmont an. Seine Kenntnisse im Stadtbau, der ja seit der Renaissance mit
dem Fortifikationswesen verknüpft war, hatten vielleicht ebenfalls in seinem Pionier-
beruf ihre Wurzel. Schon in den Hanauer Akten wird er „Ingenieur“ genannt.
Hanau
Der Hanauer Hof war einer der frühesten streng an Frankreich orientierten Fürsten-
sitze in Westdeutschland. Das begann mit der Erziehung des Grafen Philipp Reinhard.
1675/78 studierte er in Straßburg. Als er 1679/84 mit seinem Bruder eine Reise nach
Italien, Frankreich, England und Holland unternahm, war das Hauptziel ein zwei-
jähriger Aufenthalt in Paris am königlichen Hof und an den Adelshöfen der Stadt und
ihrer Umgebung. In Paris trafen die beiden Grafen viele deutsche Adelige, u. a. die
Grafen von Waldeck und von Weilburg. Also lange ehe Rothweil seine französisierende
Kunst entfalten konnte, waren seine Bauherren in Paris schon einander begegnet 5. So ist
es verständlich, daß Philipp Reinhard sich eine Residenz französischen Musters anlegen
wollte und dazu einen Architekten rein französischer Schulung berief. Der Graf war ein
umsichtiger und ordnungsliebender Regent und begann den Bau erst, nachdem die äuße-
ren Umstände und das 'Wohl des Landes geregelt waren. J. A. Bernhard berichtet für
das Jahr 1700: „Unser Graf gab seine succession bey damaliger Ehe (mit Maria Claudia
von der Pfalz-Birkenfeld) verlohren und sann auf andere weise sich ein nahmens ge-
dächtnis zu setzen. Dieses sollte der- Bau eines Schloßes seyn“ (S. 713). Nach seinem
5 Das kultur- und kunsthistorisch bedeutsame, aber viel zu wenig beachtete Tagebuch der Reise der
beiden Hanauer Grafen durch Europa mit aufschlußreichen Angaben über Reiseweg, Aufenthalts-
orte und Besichtigungen ist auszugsweise veröffentlicht im Hanauischen Magazin 1780, Bd. III.