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zu reiten (Schmidt, Nass. Ann. S. 80 f.). So verkehrten Fürst und Baumeister via Moeser
zunächst weiter brieflich, und erst im folgenden Jahr kam Rothweil nach Kirdtheim-
bolanden (Brief 44 und 47). Während der Abwesenheit Rothweils leitete der architekto-
nisch gebildete Gärtner Petri das Weilburger Bauwesen, der sich dabei „schlechterdings
und lediglidh nach dessen (Rothweils) Anordnung richten“ mußte 61. Wer in Kirchheim
dieses Amt innehatte, ist nicht mehr zu ermitteln. Als Petri, wohl auf Anregung des
Fürsten, sich einige selbständige Änderungen an den Plänen Rothweils erlaubte, war der
Architekt höchst erbost. In kräftigen Worten machte er seinem Zorn Luft: Die Ände-
rungen Petris seien völlig altmodisch, einem „scheuer thor gleich, für keinen bauern
wollte ich es also machen lassen“; er beharre auf seiner Planung, „anderer meinung
werde ich nicht werden“ (Brief 47; vgl. Schmidt, Nass. Ann. Bd. 60, 1943, S. 84). In
der Tat setzte Rothweil auch hier wie in Neuwied und Hachenburg gegenüber dem
Fürsten seine Ideen durch, ein Zeichen dafür, daß der etwa 75jährige Meister seine
künstlerische Energie noch nicht verloren hatte.

Allmählich aber begann der Stern Rothweils zu verblassen, weil ein anderer, jüngerer
Meister im Nassauischen Bauwesen aufstieg und sidi machtvoll ausbreitete, dabei auch
Anregungen von Rothweil empfangend: Friedrich Joachim Stengel. Fürst Karl August
hatte Rothweil aufgetragen, ein Rathaus und ein Badhaus für Kirchheimbolanden zu
entwerfen 62. Im August 1746 ritt der Künstler deshalb und wegen des Weilburger
Niderondel zum Fürsten; vermutlich besprach man auch den geplanten Ausbau der Stadt
Kirchheimbolanden. Mit welchem Entscheid Rothweil so „glücklich und gesund und bey
guthem wetter“ nach Waldeck zurückritt, bleibt unbekannt. Ober die Zwischenstationen
und Erlebnisse dieser Rückreise berichtet er ausführlich in Brief 50 (vgl. Lohmeyer, Nass.
Lebb., S. 153). Es war Rothweils letzte Reise in die rheinischen und nassauischen Lande.
Den Stadtausbau erlebte er nicht mehr, das Reithaus wurde nie gebaut, und wegen des
Badhauses rief der Fürst schon im Oktober Stengel nach Kirchheimbolanden, damit er
die Arbeit Rothweils korrigiere und neue Baurisse entwerfe 63. Rothweil mußte damit
einen seiner letzten Bauaufträge an Stengel abtreten. Die Gründe lagen vielleicht in
seinem hohen Alter; denn öfters spricht er in seinen späteren Briefen von drohender
Krankheit und Schwäche (44, 47, 50), und bei seinem letzten und vorletzten Besuch in
Kircbheim fürchtete er sehr, wieder von dem „handt und fuß fieber“, der „podagra“
(Gicht in den Gelenken), befallen zu werden. Doch weit eher sind die Gründe für das
Yerdrängen Rothweils, dessen geistige Regsamkeit doch noch keineswegs erschöpft war,
in seiner Kunst zu suchen, die in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts ihre große
Blüte gehabt hatte und nun in ihren festen Prinzipien erstarrt war und den bewegteren,
aufgeschlosseneren Formen des jüngeren Meisters weichen mußte.

Rothweih Tod

Das Todesdatum kann man an Hand der Marburger Akten ziemlich genau abgrenzen.
Franz Friedrich Rothweil erwähnt seinen Vater zum letzten Mal am 29. April 1749 61:
„mein alter Vatter“. Im Mai 1750 aber war er sdion längere Zeit tot; denn sein im

61 Akten wie in Anm. 60. über Joh. Mich. Petri vgl. Lohmeyer, Swdt. Gärten und Schmidt, Nass.
Annalen, S. 69.

62 Brief 46 und 47; St. A. Wiesbaden, Akte 168 A, VIIIb, 11. Lohmeyer, Nass. Lebb., S. 156.

63 Akte wie bei Anm. 61. Diese Akten enthalten eine reidie Korrespondenz Stengels, in der er ver-
schiedentlich vom „Herrn Obristleutnant“, d. i. Rothweil, spricht.

64 Brief Fr. Friedrich Rothweils aus Arolsen an den- abwesenden Fürsten. St. A. Marburg 118, 2875,
fol. 42 f.
 
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