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da er so „gebombardirdt“ war, verlor er den Mut und war ganz verzweifelt. In den
eindrucksvollen Zeiten von Brief 20, die diese seelische und körperliche Niedergeschlagen'
heit widerspiegeln und in einer ganz ungewöhnlich unruhigen und schlechten Schriff ab-
gefaßt sind, klagt er dem Fürsten sein Leid. Denn gegenseitiges Vertrauen verband Fürst
Anton Ulrich und Rothweil miteinander; Rothweil vertraute auf die Gnade des Fürsten,
daß er nicht ihm, dem Verantwortlichen, sondern den wirklichen Umständen die Schuld
gab (Brief 14), und der Fürst vertraute auf die sichere und zuverlässige Arbeit des
Architekten. Allerdings ist auch anzumerken, daß Rothweil gelegentlich ungerecht gegen
seine Untergebenen handelte, um sich die Gunst seines Fürsten zu bewahren. So be-
schwerten sich die Rhodener Bürger während des Wiederaufbaus ihres abgebrannten Or-
tes, der Architekt wolle sie beim Fürsten wegen mangelnder Beachtung des „Bauregle-
ments“ anklagen und damit „seine etwaige eigene Negligenz und Connivenz bemän-
teln“ 55. Andererseits kündigte Fürst Anton Ulrich immer wieder seine „Ungnade und
willkührige Straffe“ an, wenn Rothweil nicht gewissenhaff im Sinne des Fürsten arbeite,
und er drohte ihm, falls „ein fehler verfallen sollte, solches alles auf seine Gefahr und
verantwortung kommen würde“ 56.

Unter Fürst Carl und mit dem reifenden Alter des Architekten entwickelte sich das
Vertrauen zwischen Fürst und Baumeister über alle höfischen Formeln hinweg zu einer
ganz persönlichen Beziehung. Rothweil ließ den Fürsten an seinen privaten Sorgen und
Freuden teilnehmen (Brief 40 und 44). Auch am Arolser Hof lebte der Künstler sehr
herzlich und freundschafllich, so wenn er „ohnbeschwert“ seinen „schönen Gruß an alle
guten Freunde“ des Hofes ausrichtete (Brief 12). Man muß solche Worte mit den
üblichen schwülstig-leeren Schlußformeln der Briefe einer barocken Hofges.ellschaft lesen,
um ihre schlichte Herzli'chkeit zu ermessen. Der Briefstil Rothweils ist überhaupt ein-
fach, unmittelbar und unkompliziert, so wie seine schlichte, mit Ornamenten sparsame
Kunst.

Am 10. November 1745, also mit etwa 70 bis 75 Jahren, heiratete Rothweil zum zwei-
ten Mal, und zwar in Pyrmont ein Freifräulein Catharina Juliana Malcomesim von
Reicheneck aus Hannover 57. Seine erste Frau starb zu einem unbekannten Zeitpunkt.

Hachenburg II

Gegen Ende des Jahres 1736 nahm Graf Georg Friedrich zu Sayn-Hachenburg wieder
die Verbindung mit Rothweil auf 30. Der Graf beabsichtigte den weiteren Ausbau seines
Residenzschlosses, den Bau des Lustschlosses Schöneberg und den Erweiterungsbau der
Kirche von Hamm. Genau wie in den 20er Jahren reiste Rothweil seit 1737 jährlich auf
zwei bis drei Wochen nach Hachenburg bis zum Abschluß der Bauarbeiten 1744.
Zwischen diesen Reisen lag ein umfangreicher und recht gut erhaltener Briefverkehr mit
den gewohnten architektonischen Angaben und gelegentlichen vertrauteren Mitteilungen.
Es fehlen aber auch nicht energische, selbstbewußte Worte, wenn Rothweil seine „inten-
tiones“ beim Bauherrn durchdrücken wollte, so bei seinem Entwurf für Schöneberg, des-
sen Einheit und „commodität“ er um „eines alten Keller willen“ keineswegs aufgeben
wollte; gegen die Meinung des Geafen bestand er >auf den Abbruch des Kellers (Brief 27).

55 St. A. Marburg 125, 1429, fol. 24 ff.

56 Fürstliche Ordre zum Bau der Schloßkuppel, Alcte 118, 2888, fol. 44.

57 Kirehenbuch von Bad Pyrmont-Oesdorf. Über die Bedingen und Gründe dieser Heirat vgl. die
Briefe 40 und 44. Über die Familie von Reicheneck vgl. Luschin v. Ebengreuth: Die Reichenecker
in Steiermark. In: „Inh. des Adler“, Wien 1889, S. 79 ff. sowie im „Deutschen Herold“, 1872 (S. 22),
1877 (S. 139), 1886 (S. 66), 1891 (S. 53) und 1900 (S. 137).
 
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