Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
22

Bei der Kirdhe von Hamm setzte er sich über die nach seiner Meinung künstlerisch
nicht allzu verständnisvollen Forderungen der Gemeinde einfach hinweg (Brief 35). Diese
sichere Oberzeugung von der eigenen künstlerischen Leistung spricht auch aus den
Schlußwendungen seiner Briefe. Wenn Rothweil 1719 (Brief 6) noch auf die „plaison
a votre exelance“ hoffte („jespere“), so konnte er es 1739 „nicht anders glauben“ (Brief
33). Diese beiden, zwanzig Jahre auseinanderliegenden Formulierungen deuten die
innere Entwicklung des Künstlers an. Ähnlichen, etwas handfesteren Nachdruck ent-
wickelte er bei rückständigen Zahlungen, wie z. B. mit den unmißverständlichen Worten
von Brief 34.

Weilburg 11

Fürst Karl August, Sohn und Nachfolger des Grafen Johann Ernst (von 1719 bis 1753
regierend, 1737 gefürstet), residierte vorwiegend in der kleinen linksrheinischen Enklave
Nassau-Weilburgs, der Herrschaft Kirchheim und Stauf mit der Hauptstadt Kirchheim-
bolanden. Nur wenige Wochen im Sommer hielt er sich in Weilburg auf, sonst blieb sein
Hof in Kirchheimbolanden. Karl August hatte deshalb dort 1734 bis etwa 1744 ein
neues Schloß erbauen lassen 58. Lohmeyer schrieb dieses leider nur verstümmelt erhaltene
Werk Rothweil zu (Swdt. Gärten S. 129, Nass. Lebb. S. 153). Doch schon das Inventar
von 1938 (Lill S. 172) schreibt G. de Hauberat die „Bauleitung“ zu, ebenso Schmidt
1943 (Nass. Ann. S. 76 f.); eine Durchsicht der Bauakten bestätigte die Zuschreibung an
Hauberat. Dieser Architekt, den Robert de Cotte nach Bonn geschidtt hatte und der seit
1726 in kurpfälzischen Diensten am Mannheimer Hof tätig war, arbeitete seit 1731
nebenamtlich für Karl August (Schmidt, Nass. Ann. Bd. 60, 1943, S. 74). Die franzö-
sische Erziehung des Fürsten und die Freundschaft zwischen Weilburg und Kurpfalz
mögen Hauberat an den Weilburger und Kirchheimer Hof gebracht haben.

Karl August plante nach dem Weilburger Vorbild seines Vaters einen systematischen
Ausbau seiner Residenz Kirchheimbolanden, der sich nicht nur auf das Schloß, sondern
auch auf die Kirche und die Stadt erstrecken sollte. Dazu aber genügte ihm Hauberat
nicht, sondern er berief den bei seinem Vater schon so bewährten Architekten Rothweil.
Am 13. Januar 1738 war zum ersten Mal von der neu geplanten Stadt- und Schloß-
kirche die Rede 59. Diese Kirche St. Paul ist archivalisch zwar nicht für Rothweil nach-
weisbar, denn der Aktenbestand über das Kirchheimer Bauwesen ist nur bruchstückhaft
erhalten. Aber da der Stilzusammenhang mit der Weilburger Kirche offensichtlich ist,
wurde seit Lohmeyer (Stengel 1911) an der Autorschaft Rothweils nie mehr gezweifelt.
Rothweil trat in das gleiche Dienstverhältnis zu Karl August wie früher von Weilburg
aus zu Neuwied oder Arolsen: der Künstler ritt jährlich einmal nach Weilburg, zuerst
im Juli 1739 (Brief 33), ein reger Briefwechsel ergänzte die Reisen. Regierungsrat Moeser
in Weilburg vermittelte zwischen dem Baumeister und dem in Kirchheimoblanden resi-
dierenden Fürsten. Als jedoch der Fürst nach Vollendung seines Kirchheimer Schlosses
1744 gewillt war, auch das Renaissanceschloß in Weilburg umbauen zu lassen, bat er
den Architekten persönlich zu sich und Iieß ihm gar „ein Pferd . . . bis Cassel entgegen
schicken“ 601. Rothweil kam daraufhin auch nach. Weilburg. Aber sein Waldedter Fürst
hatte ihm wegen der drohenden Kriegsunruhen nicht erlaubt, in linksrheinisches Gebiet

58 Lill, 1938, S. 172; Schmidt, Nass. Annalen, Bd. 60/1943, S. 80. St. A. Speyer 205 und St. A. Wies-
baden 168 A, VIII b, 7.

59 Die Alcte referiert bei Lill, S. 131. Rothweil trat also nidit erst 1740, wie Schmidt (S. 80) glaubt,
in Beziehung zu Fiirst Karl August.

60 St. A. Wiesbaden 152, 716, fol. 46 f. und fol. 52 f. Vgl. die eingehende Auswertung des Akten-
materials bei Sehmidt, Nass. Annalen, Bd. 60, 1943, S. 80 f.
 
Annotationen