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bei Waldecker Kirchen des 17. Jahrhunderts bekannt (z. B. Herbsen und Strothe. Die Stadt-
kirche von Arolsen (Abb. 139ff), die Plan 119 (Abb. 134), durch ein Querschiff erweitert,
erinnert sehr an holländische Bauten des 17. Jahrhunderts, etwa Burg im Zeeland, 1671
bis 1674 erbaut 142, oder an den Entwurf Pieter Posts 1652 für die Kirche von Dinteloord
in Nordbrabant 143. Doch während Pieter Post durch das Querschiff die Kirche zum Zen-
tralbau weitet, verschließt Rothweil das Querschiff durch die Logen des Hofadels und
sondert damit das Querschiff als Raumkörper vom Gesamtraum der Kirche ab. Indem
Rothweil außerdem noch den Altar in die Vierung vorrückt, entsteht trotz des traditio-
nellen Kreuzgrundrisses ein protestantisch klarer, saalartiger Innenraum von weiter und
einfacher Wirkung. Die spätere Ausgestaltung der Kirche nach dem Tode Rothweils
verwischt die ursprünglichen Raumgedanken des Künstlers. Die Entwicklungsstufen von
Plan 80 iiber Plan 79 bis zur Ausfiihrung zeigen, wie Rothweil zunächst einen kürzeren,
zenralen Raum (Abb. 139) anstrebte, diesen dann vergrößerte und die Emporen (Abb.
140) dadurch weniger raumstörend einbauen, in der Ausführung sogar weglassen konnte
(Abb. 141). Gleichzeitig gestaltete er das äußere Umrißbild der Kirche flüssiger und har-
monischer; die abgeschrägten Edten von Chor und Querschiff liegen beispielsweise in
einer Geraden. Der klassizistische Stil Rothweils erstrebte stets, sowohl bei Kirchen wie
bei Profanbauten (z. B. Weilburger Reithalle), ein eindeutiges, überschaubares, durch
keine Einbauten kompliziertes, hallenartig weites Raumbild. Der einheitliche, allseitig
gleich durchgeformte Außenbau steht immer in einem baulichen Bezug zur Umgebung.
Rothweil gestaltete diesen Bezug an der Arolser Kirche sinnvoll im Zusammenhang mit
dem letzten Stadtprojekt (Abb. 123): die Turmfassade der zum Schloß führenden Haupt-
straße zugewandt, in den Kreuzarmen die abzweigenden Querstraßen angedeutet, das
Chorpolygonal als rückwärtigen Abschluß entsprechend der gestuften Verjüngung des
Platzes (Abb. 131). Die Kreuzform der Kirche wurde also schon durch die Stadtplanung
nahegelegt.
Genau wie Weilburg war Arolsen Stadt- und Hofkirche. Auch in Arolsen bestand die
Spannung zwischen herrschaftlicher Loge und den Gemeindebänken. Aber die Arolser
Anlage erreicht den großen Wurf von Weilburg nicht annähernd.
STADTBAUKUNST
W eilburg
Für die Nassauischen Stadtplanungen des 17. Jahrhunderts ist charakteristisch: a) ein
System aus rechteckigen größeren Baublöcken, b) ein oder zwei quadratische bis recht-
eckige Marktplätze, c) ein einheitlicher, vorwiegend zweigeschossiger Häusertyp, selten
mehrere Häuserformen in einer Stadt (so aber z. B. in Usingen), d) keine betonte
axiale Lage des Schlosses, da sowohl Schloß wie Stadt an viel ältere, meist mittelalter-
liche Gelegenheiten gebunden sind. Diese Städte untersdieiden sich also — abgesehen
von den entwickelteren Einzelformen — grundsätzlich nicht von den älteren Hugenotten-
gründungen, deren Anlageschemen sie weiterführen.
Die ersten drei geschilderten Punkte treffen auch auf Weilburg zu. Allerdings bestand
bei dieser Stadt die Schwierigkeit darin, nicht eine Neustadt in freier Komposition an
eine Altstadt anzufügen, sondern eine bestehende und geographisch eng umgrenzte Alt-
142 F. A. Vermeulen: Die Geschiedenis der Nederlandsche Bouwkunst, Bd. III, Den Haag 1928, Taf. 854.
143 Der vom Aufienbau her nicht zu erwartende Grundriß ist abgebildet bei Vermeulen a. a. O. III
Abb. 309.
bei Waldecker Kirchen des 17. Jahrhunderts bekannt (z. B. Herbsen und Strothe. Die Stadt-
kirche von Arolsen (Abb. 139ff), die Plan 119 (Abb. 134), durch ein Querschiff erweitert,
erinnert sehr an holländische Bauten des 17. Jahrhunderts, etwa Burg im Zeeland, 1671
bis 1674 erbaut 142, oder an den Entwurf Pieter Posts 1652 für die Kirche von Dinteloord
in Nordbrabant 143. Doch während Pieter Post durch das Querschiff die Kirche zum Zen-
tralbau weitet, verschließt Rothweil das Querschiff durch die Logen des Hofadels und
sondert damit das Querschiff als Raumkörper vom Gesamtraum der Kirche ab. Indem
Rothweil außerdem noch den Altar in die Vierung vorrückt, entsteht trotz des traditio-
nellen Kreuzgrundrisses ein protestantisch klarer, saalartiger Innenraum von weiter und
einfacher Wirkung. Die spätere Ausgestaltung der Kirche nach dem Tode Rothweils
verwischt die ursprünglichen Raumgedanken des Künstlers. Die Entwicklungsstufen von
Plan 80 iiber Plan 79 bis zur Ausfiihrung zeigen, wie Rothweil zunächst einen kürzeren,
zenralen Raum (Abb. 139) anstrebte, diesen dann vergrößerte und die Emporen (Abb.
140) dadurch weniger raumstörend einbauen, in der Ausführung sogar weglassen konnte
(Abb. 141). Gleichzeitig gestaltete er das äußere Umrißbild der Kirche flüssiger und har-
monischer; die abgeschrägten Edten von Chor und Querschiff liegen beispielsweise in
einer Geraden. Der klassizistische Stil Rothweils erstrebte stets, sowohl bei Kirchen wie
bei Profanbauten (z. B. Weilburger Reithalle), ein eindeutiges, überschaubares, durch
keine Einbauten kompliziertes, hallenartig weites Raumbild. Der einheitliche, allseitig
gleich durchgeformte Außenbau steht immer in einem baulichen Bezug zur Umgebung.
Rothweil gestaltete diesen Bezug an der Arolser Kirche sinnvoll im Zusammenhang mit
dem letzten Stadtprojekt (Abb. 123): die Turmfassade der zum Schloß führenden Haupt-
straße zugewandt, in den Kreuzarmen die abzweigenden Querstraßen angedeutet, das
Chorpolygonal als rückwärtigen Abschluß entsprechend der gestuften Verjüngung des
Platzes (Abb. 131). Die Kreuzform der Kirche wurde also schon durch die Stadtplanung
nahegelegt.
Genau wie Weilburg war Arolsen Stadt- und Hofkirche. Auch in Arolsen bestand die
Spannung zwischen herrschaftlicher Loge und den Gemeindebänken. Aber die Arolser
Anlage erreicht den großen Wurf von Weilburg nicht annähernd.
STADTBAUKUNST
W eilburg
Für die Nassauischen Stadtplanungen des 17. Jahrhunderts ist charakteristisch: a) ein
System aus rechteckigen größeren Baublöcken, b) ein oder zwei quadratische bis recht-
eckige Marktplätze, c) ein einheitlicher, vorwiegend zweigeschossiger Häusertyp, selten
mehrere Häuserformen in einer Stadt (so aber z. B. in Usingen), d) keine betonte
axiale Lage des Schlosses, da sowohl Schloß wie Stadt an viel ältere, meist mittelalter-
liche Gelegenheiten gebunden sind. Diese Städte untersdieiden sich also — abgesehen
von den entwickelteren Einzelformen — grundsätzlich nicht von den älteren Hugenotten-
gründungen, deren Anlageschemen sie weiterführen.
Die ersten drei geschilderten Punkte treffen auch auf Weilburg zu. Allerdings bestand
bei dieser Stadt die Schwierigkeit darin, nicht eine Neustadt in freier Komposition an
eine Altstadt anzufügen, sondern eine bestehende und geographisch eng umgrenzte Alt-
142 F. A. Vermeulen: Die Geschiedenis der Nederlandsche Bouwkunst, Bd. III, Den Haag 1928, Taf. 854.
143 Der vom Aufienbau her nicht zu erwartende Grundriß ist abgebildet bei Vermeulen a. a. O. III
Abb. 309.