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von nun an im Winter, wenn alle Bauarbeiten ruhten, in dem Kurort, im Kommandan-
tenhaus des Schlosses, Er befehligte die Schloßwache, wobei ihn Leutnant Dalwig im
Sommer vertrat, und verwaltete das Kriegsgut des noch immer, wenn auch nur nominell
als Festung geltenden Schlosses, wie Gewehre, Steinbüchsen, Kanonen, Granaten und sehr
viel Pulver 62.

Pyrmont war seit dem Ende des 17. Jahrhunderts durch den fürsorgenden Eifer Fürst
Georg Friedrichs zu einem der bekanntesten und gelobtesten deutschen Bäder geworden.
Seine Heilkraft war ebenso beriihmt wie die Eleganz und die Ausgewähltheit seiner Ge-
sellschaft. Eine Trinkkur bedeutete weit mehr ein gesellschaftliches als ein gesundheit-
liches Ereignis. Man prominierte „bey dem Trinken“ über die Allee, wo „von einer
geschickten Gesellschafl Hautboisten eine angenehme Musik gemacht“ wurde und man
„einen durchgehends beliebten und veränderlichen Umgang mit allerley Personen hohen
und niederen Standes“ hatte. „Ein jeder conferiret frey, gesellet sich zu wem er will“.
Abends aber traf man sich zu großen „Assembleen und Bällen“ 63
So aufschlußreich dieses Leben und die dadurch angeknüpften Beziehungen für einen
Barockkünstler sein mußten, so lernte es Rothweil doch nur am Rande kennen, da er
Iediglich von September bis Februar, also außerhalb der Kurzeit dort weilte (Brief 50:
„winterquartier“), zu einer Zeit, wo es in dem Bad öde und langweilig war. Nur ganz
selten kam er im Sommer dorthin (z. B. Brief 22). Sonst lebte er in Arolsen oder be-
fand sich auf Reisen durch das Waldecker Land und übte seine zweite Hachenburger
und Weilburger Tätigkeit aus. In Arolsen plante er 1729 für sich und den Hofkom-
missar Prevost ein Haus für die Sommermonate, das aber aus unbekannten Gründen
nicht gebaut wurde (vgl. Baugeschichte, 5. Stadtprojekt).

Am 20. April 1743 ernannte Fürst Carl „den ehren- und mannhaften Julius Ludwig
Rothweil in ansehung seiner uns geleisteten vieljährigen Dienste und dadurch erlangten
Erfahrung und Wissenschaft zu unserem Obristlieutenant“ 64. Mit dieser Ernennung er-
reichte der etwa 70jährige Künstler seinen höchsten gesellschaftlichen und beruflichen
Rang. Weit wertvoller aber mögen ihm das Vertrauen und die Achtung gewesen sein,
die der Fürst ihm auf diese Weise bezeugte. Ober die Beziehung von Fürst und Archi-
tekt sagen die Briefe einiges. Rothweil war ehrlich bestrebt, den Fürsten, der ihn mit
so großen Aufgaben betraute, nicht zu enttäuschen, sondern sich durch Können und
Leistung dankbar zu erweisen und so seinem Herrn zu „contentiren“ (Brief 14). Mit
Verantwortungsbewußtsein erfüllte er seine Pflicht und reiste nicht eher nach Hachen-
burg, bis in Arolsen alles geregelt war und er. wußte, daß während seiner Abwesenheit
die Bauarbeiten glatt weitergingen (Brief 12). Aber auch während seiner Reisen, moch-
ten sie privater (Brief 40) oder beruflicher (Brief 12) Natur sein, dachte er stets an das
Waldecker Bauwesen. Nöte und Sorgen blieben ihm nicht erspart, besonders wegen des
„leidigen“ Geldmangels, der ihn oft in eine heikle Lage brachte. Der Fürst zürnte ihm,
wenn die Arbeit stockte, und die Handwerker verweigerten die Arbeit, wenn der Lohn
allzu lange ausblieb; sie waren oft so erzürnt, daß Rothweil sich nicht auf der Baustelle
sehen lassen konnte (Brief 10). Besonders arg stand es im Juli 1726. Das Baumaterial
zum Schloß fehlte, die schlecht bezahlten Handwerker Iiefen davon, das Landbauwesen
ging auch nicht voran, Rohtweil selbst war krank, und alle hatten ihn fast verlassen;

52 Die Schilderung der Pyrmonter Geschehnisse fußt auf folgenden Akten des St. A. Marburg: 118,
Nr. 2879, Nr. 5315 (besonders fol. 13, 18 ff. und 23) und Nr. 3316.

53 Die Zitate entstammen dem kulturhistorisch sehr aufschlußreichen Werk von D. Joh. Phillip
Seipp: Neue ßeschreibung der Pyrmontischen Stahlbrunnen. Hannover 1717, 1719, 1740 und 1750.

54 Die Angabe der Ernennung schon bei Lohmeyer und Bleibaum, das Zitat nach Akte 118, 3621, fol. 5.
 
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