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DIE STELLUNG ROTHWEILS IM DEUTSCHEN BAROCK
UND SEINE KÜNSTLERISCHE NACHFOLGE

Die Hauptleistungen Rothweils konzentrierten sich auf die ersten anderthalb Jahrzehnte
des 18. Jahrhunderts. In diesem Zeitraum ging der westdeutsche Barock den Weg von
der Unsicherheit zwiespältiger Anfänge zur ersten festen Grundlegung seiner eigenen
Form. Zwischen 1700 und 1710 spannten sich die westdeutschen Bauprojekte in polarer
Gegensätzlichkeit zwischen italienischer, vielfach von österreich vermittelter Kunstform
(Alberti, Rossi, Zuccali u. a.) und vordringender französischer Kunstmode 157, deren
Bahnbrecher Rothweil war. Philippsruhe und Neuwied entstanden vor dem Landstände-
haus des Louis Remy de la Fosse in Hannover, das bisher als der erste Bau ä la
franjaise galt 158. Vor Rothweil, aber unter ganz anderen historischen Bedingungen, ver-
arbeitete nur Hermann Korb französische Architekturgedanken. Die allgemeine franzö-
sische Kunstrichtung setzte erst um 1715/20 ein: Dienzenhofer, Welsch, Neumann; die
Mainzer Favorite bedeutete den Beginn. Aber im Gegensatz zu diesen rheinisch-fränki-
schen Meistern, die in schöpferischer Synthese die Unsicherheit der Frühzeit überwanden
und die eigene Form des rheinisch-fränkischen Barock fanden, blieb Rothweil in seinem
ganzen Werk der französischen Kunst aus der Generation Hardouin-Mansarts verbunden.
Mit Schloß Arolsen, das zusammen mit der Oberen Orangerie und der Kirche von Weil-
burg und mit dem Windhof die höchste, für die deutsche Kunstgeschichte allgemein be-
deutsame Leistung Rothweils darstellt, erreichte der Künstler zwar seine größte Distanz
zu Frankreich und konnte die neuen großen Baugedanken, wie sie etwa Pommersfelden
und Würzburg verwirklichten, vorbereiten und grundlegen. Aber darüber hinaus gab es
keine Weiterentwicklung und keine Erfüllung des Begonnenen. Als daher um 1720 das
allgemeine große Bauen einsetzte, war der künstlerische Weg des kaum 50jährigen
Meisters beendet, und er scbuf nur noch unbedeutendere, sich wiederholende Werke, im
Gegensatz etwa zu seinem Generationsgenossen Maximilian von Welsch (geb. 1671),
dessen künstlerische Laufbahn im zweiten Jahrzehnt einsetzte und um 1720 ihren Höhe-
punkt hatte. Der Grund für das Verharren Rothweils in der französischen Kunstsprache
und für seine Abgeschlossenheit gegenüber südlichen und östlichen Einflüssen lag einer-
seits in seinem Bildungsweg, wobei die noch offene Frage der Herkunft manches viel-
leidht klären könnte, andererseits in seinem auf protestantische Territorien begrenzten
Wirkungsfeld. Denn die Kunstsprache Rothweils, die selbst die französischen Bauten
zu noch größerer Einfachheit und Strenglinigkeit reduzierte, mag in ihrer zuweilen star-
ren, kühlen und spannungslosen Form die künstlerischen Grenzen des Meisters verraten;
aus ihrer kargen, fast abstrakten Nüchternheit spricht aber zugleich eine protestantische,
dem bewegten katholischen Barock entgegengesetzte Lebenshaltung. Rothweil gehört da-

157 Ygl. H. Weidner: Die Scliloßbauten des Knrfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz und der west-
deutsche Schloßbau um 1700, Diss. Köln 1924 (Masch.), S. 83 ff.

158 Vgl. J. Schlippe: Louis Bemy de la Fosse und seine Bauten. In: Quartalblätter des Hist. Yer. f. d.
Ghzgt. Hessen, N. F. Bd. 5 (1911/1915), Darmstadt 1915, S. 308. Pierre du Colombier (L’art
fran<jaise dans les cours Rhenanes, Paris 1930, S. 39 ff.) hält de la Fosse für den ersten, wenn
auch künstlerisch wenig bedeutenden Yerkünder französischer Kunst im westdeutschen Raum.

Das 1712 erbaute, 1881 abgebrochene Landständehaus ist abgebildet im Inventar der Stadt
Hannover.
 
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