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Erster Brief von Bastiat.

Paris, den 12. November 1849.

Herr Redakteur!

Der gewaltige Eifer, mit dem das Volk in Frankreich sich an-
schickt, die volkswirtschaftlichen Probleme zu ergründen und die
unbegreifliche Gleichgültigkeit der bemittelten Klassen eben diesen
Problemen gegenüber bilden einen der hervorstechendsten Charakter-
züge unserer Zeit. Während die alten Journale, die Organe und
Spiegel der guten Gesellschaft, an der zänkischen und unfruchtbaren
Parteipolitik festhalten, rühren die für die arbeitenden Klassen be-
stimmten Blätter unablässig das auf, was man die Grundfragen, die
sozialen Fragen nennen kann. Leider verirren sie sich, wie ich nur
zu sehr fürchte, gleich bei den ersten Schritten auf ihrem Wege.
Aber, wie könnte es anders sein? Sie haben doch wenigstens das
Verdienst, die Wahrheit zu suchen. Früher oder später wird der
Besitz der Wahrheit ihr Lohn sein.

Da Sie die Güte haben, mein Herr, mir die Spalten der „Voix
du Peuple" zu öffnen, so werde ich vor ihren Lesern folgende zwei
Fragen aufwerfen und ihre Lösung versuchen.

1. Ist der Zins für die Kapitalien rechtmässig be-
gründet (legitime) ?

2. Wird er auf Kosten der Arbeit und der Arbeiter
erhoben?

lieber die Lösung derselben sind wir verschiedener Ansicht;
ein Punkt aber ist, in dem wir sicherlich übereinstimmen, dass näm-
lich der menschliche Geist (von den religiösen Problemen abgesehen)
keine ernsteren Fragen aufwerfen kann.

Wenn ich es bin, der sich täuscht, wenn der Zins eine miss-
bräuchliche Taxe ist, welche durch das Kapital von allen Verbrauchs-
gegenständen erhoben wird, so hätte ich mir, ohne es zu wissen, vor-
zuwerfen, dass ich durch meine Gründe den ältesten, den entsetz-
lichsten, den allgemeinsten Missbrauch unterstütze, welchen das
räuberische Genie jemals ersonnen hat; ein Missbrauch, dem sich in
Bezug auf die Allgemeinheit seiner Wirkungen nichts an die Seite
 
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