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nur dann Sinn und Wert hat, wenn sie schließlich zu einem
Maß von Lust oder Verhütung von Schmerz führt, das
größer ist, als es auf dem direkten Wege der Hedonik zu er-
reichen wäre. Freilich kann man darüher streiten, ob ein
höheres Maß von Lust tatsächlich erreicht werden kann.
Man wird sagen, der Naturmensch könne nicht darüber un-
glücklich sein, daß er keine Automobile habe; und eben auch
die Lustmöglichkeit, die das Dasein der Automobile biete,
bringe harmonisch seine Schmerzmöglichkeit mit sich; jedes
neue Genußmittel, jeder neue Genuß bringe Abstumpfung
für diese Art und neue Bedürfnisse, aus deren Nichtbefriedi-
gung möglicherweise Unlust fließt, und eine kleine Sache
bringe im Zustand der Unkultur weit größeres Glück hervor
als im Zustand der Kultur; denn das Maß des Glücksgefühls
sei abhängig vom Verhältnis zwischen Besitzstand und Zu-
wachs, und das Glück verschiedener Personen sei nur in
sehr beschränkter Weise kommensurabel, auch frage es sich,
wer im Kollisionsfall glücksberechtigt ist. Es ist hier nicht
der Ort, dieses Problem in seiner ganzen Tragweite und in
seinen verschiedenartigen Gestalten zu erwägen. Es soll
auch dahingestellt bleiben, ob nicht doch der Gesamtglücks-
zustand der Menschheit einer Erhöhung fähig wäre. Aber
soviel ist sicher, daß das naturgemäße Fortschreiten der
natürlichen unwillkürlichen Entwicklung Bedürfnisse mit
sich bringt, für deren Befriedigung gesorgt werden muß,
soll nicht daraus Unlust fließen. Denn jede Bedürfnisbe-
friedigung bringt neue Bedürfnisse, erhöhte Empfindsamkeit,
die in sich die Möglichkeit zu Genuß und zu Leiden enthalten.
Ob nun Lust oder Leid daraus entsteht, hängt davon ab, ob
und inwieweit diese neuen angezüchteten Bedürfnisse Be-
friedigung finden können und finden.

Die Kunst wirkt auf den betrachtenden Menschen hedonis-
tisch und evolutionistisch. Letzteres ist nunmehr zu besprechen.

Man hört häufig sagen Kunst sei ein Kulturfaktor.
Kultur im weitesten Sinne ist die Summe aller Einrichtungen,
 
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