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- 32 -

II. Die Arten der Kunstbetracktung und die Mittel
des Kunstgenusses.

(Kunst-Hedonik.)

1. Formalbetraclitimg.

(Sensuale Gefiikle, apperzeptiye Funktionslust und Gefiikls-
übertragung 1).

Allgemeines.

Der dänische Pathologe Carl Lange hat in seinem geist-
vollen Büchlein „Sinnesgenüsse und Kunstgenuß“ den Ge-
nuß aus elementaren Sinneseindrücken, aus Farhen, Formen,
Tönen, einfach und allein aus der abwechslungsreichen Er-
regung der sensorischen Nerven zu erklären gesucht. Gewiß:
Bald gefällt mir der Kreis, bald das Quadrat und es gefällt
mir immer das andere dann besser, wenn ich mich an einem
,,satt“ gesehen hahe. Es kann sogar vorkommen, daß beide
Figuren mir Iangweilig geworden, daß die Konsonanzen mir
zuwider sind. Aber die Sache hat ilire Grenzen, wenn diese
auch ziemlich verschiebbar sind. Das wirre Gekritzel, das
Gequitsche der Wagenräder ist — wenigstens in aller Regel

— nicht mehr erfreulich (hier nur als solche betrachtet und
abgesehen davon, daß sie unter Umständen ein geeignetes
Mittel zur Erreichung der Genußwirkung auf anderen Wegen
bedeuten können); zum mindesten ist der reinliche Kreis
und die Konsonanz erfreulicher, vorausgesetzt, daß sie eben

1 Beispiel einer geschlossenen formalistischen Theorie ist Robert
Zimmermann: „Ästhetik als Formwissenschaft“, 1864; als Vertreter
neuerer Formaltheorie (im Zusammenhang mit der Kunstrichtung
dieser Tendenz) seien Adolf Hildebrandt und Hans Cornelius genannt.

— Wertvolle Gedanken zur Erklärung bei Gustav Theodor Fechner,
Lessing, Hermann Lotze, Wilhelm Dilthey, Robert Vischer, Johannes
Volkelt, Max Dessoir, Karl Groos, Carl Lange, G. Heymans, Wilhelm
Jerusalem u.a. Ich folge hier großenteils der Darstellung von Theodor
Lipps in „Ästhetik, Wissenschaft des Schönen und der Kunst“, 1903,
der diese Genußart allerdings nicht als „ästhetisch“ gelten läßt.
 
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