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könnte mit voller Bestimmtheit nur eine historische Einzel-
Untersuchung beantworten. Und ebenso nur eine psycho-
logische Untersuchung der heutigen Kunstbedürfnisse die
Frage, ob es auch für unsere Zeit ein e bestmögliche Kunst
geben kann. Jedenfalls konnten tatsächlich „Stile“ ent-
stehen, konnten sich tatsächlich herrschende ,,Theorien“
der Zeit entwickeln. Und so sei vorläufig die unbewiesene
Annahme gestattet, daß es einen — im einzelnen freilich
vielleicht etwas schwankenden — kreissubjektiven Begriff
von Kunst und Kunstbetrachtung gibt. Es ist die Art, wie
in einem solchen Kunstkreise, der im allgemeinen nach Zeit,
Ort und Gesellschaftsschichte bestimmt ist, wobei es aber
auch nicht ausgeschlossen ist, daß auch innerhalb dieser
Grenzen mehrere Kreise existieren, Kunst genossen und was
in einem solchen Kreise als Kunst angesehen wird.

V. Normen und Werte für den Betrachtenden.

1. Kunstnormen.

Wenn es sich darum handelt, Kunstwerke zu beurteilen,
so muß in erster Linie festgestellt werden, ob es allgemeine
Kunstnormen gibt, nach denen im speziellen Fall die Berech-
tigung oder Nichtberechtigung des Werkes gemessen werden
kann, Gesetze als Yorschriften für den Künstler, wie er
schaffen solle 1, Gesetze als Vorschriften für den Betrachter,
wie er genießen solle, und aus beiden deduziert Gesetze für
den Kritiker, nach denen er richten und werten solle. Das
beinhaltet also die Frage: Wie muß das Werk beschaffen
sein, damit es den Zweck der Kunst erfülle ? Der Zweck
des Kunstwerks aber ist, bei Betrachtung durch Auge oder

1 Doch handelt es sich hier nur um Schaffensvorschriften zugunsten
des Betrachters, d. i. damit das Betrachten möglichst genußreich sei.
Über Vorschriften, die bezwecken sollen, daß das Schaffen selhst
möglichst genußreich sei, soll im zweiten Teil gehandelt werden.
 
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