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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 2.1867

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Heft 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.44082#0009
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Lod und Leben.

Novelle.
Von

August Schrader.
1.
— „Sie haben mich durch ein Briefchen zu
sich beschicken, Herr Doktor!" Mit diesen Wor-
ten trat ein junger Mann in das Arbeitskabinet
des Advokaten Wolf, der schreibend an seinem
Pulte stand. Der Angeredete wandte sich zur
Seite. Sein hageres bleiches Gesicht war mehr
als ernst, es verrieth eine zornige Erregung.
„Ja, mein Freund," antwortete er im tiefsten
Basse. „Nehmen Sie Platz und hören Sie mich
an." Er legte die Feder nieder, deutete auf
den sogenannten Klientensessel, einen mit Leder
überzogenen großen Stuhl, und blieb, den rech-
ten Arm auf das Pult gestützt, stehen. Der
Klient, wir müssen ihn noch für einen solchen
halten, legte Hut und Stock ab und ließ sich
auf dem bezeichneten Sessel nieder. Die Arme
gekreuzt, legte er sich nachlässig in die Lehne zurück.
— Ihr Vater, begann der Advokat, hatte
Ihnen ein bedeutendes Vermögen hinterlassen.
Als er starb, waren Sie noch minderjährig, und
ich nahm um so lieber die Stelle eines Vor-
mundes an, da Ihr Vater lange Zeit in den
freundschaftlichsten Beziehungen zu mir gestanden.
So lange ich Ihr Vormund war, konnte ich Ihre
Ausgaben regeln und beschränken,' als Sie mün-
dig geworden, war ich nur der Administrator
Ihres Vermögens .... ich mußte zahlen, wenn
mir Ihre Anweisungen präsentirt wurden. Diese
kamen so häufig, dal; die mir übergebene Kasse
bald leer ward. Ich weiß, daß Wechsel von
hohem Betrage, die Sie ausgestellt, kursiren . . .
— Lösen Sie ein, Herr Doktor, lösen Sie
diese Wechsel ein!
— Ihr Vermögen beträgt nur noch tausend
Thaler.

— Sie wollen mich einschüchtern, wie schon
so oft.
— Hier ist die Abrechnung, dort liegt das
Geld. Prüfen Sie jene und nehmen Sie die
Banknoten ... es gibt für mich kein Verwal-
tungs-Objekt mehr. Ich habe diese traurige
Stunde längst vorausgesehen. Meine väterlichen
Ermahnungen haben Sie nicht beachtet. .. tra-
gen Sie jetzt die Folgen Ihres mehr als leicht-
sinnigen Lebens. .
Der Advokat legte ein Papier und ein Paket

Oie Kathedrale von itcims. (S. Seite 29.)


Banknoten auf den Tisch, der neben dem Sessel
stand.
— Ich bedaure, fügte er hinzu, daß dem
Sohne meines Freundes kein besseres Schicksal
geworden ist. Armin, Sie hätten heute ein
reicher und geachteter Mann sein können!
Armin hielt die Abrechnung in der bebenden
Hand.
— Das ist nicht möglich! rief er. Ich leugne
nicht, daß ich viel Geld verbraucht habe; aber
das Vermögen, das aus hunderttausend Thalern
bestanden, kann noch nicht ausgegeben sein.
— Wollen Sie mich des Betrugs anklagen?
fragte streng der Advokat. Sie haben sinnlos
gewirthschaftet. . . nicht als Mann von hundert-
tausend Thalern, sondern als Millionär haben
Sie gelebt. Und noch sind Wechsel in Umlauf,
die eine Summe von fünfzigtausend Thalern re-
präsentiren.
— Spielschulden! murmelte Armin.
— Gleichviel, die Wechsel sind ordnungs-
mäßig ausgestellt. Gewisse Leute haben sie ge-
kauft, da Sie für sehr reich gelten. Man läuft
mir das Haus ein und droht mit Arrest, wenn
in den nächsten Tagen nicht gezahlt wird. Ist
Ihnen die Freiheit lieb, so reisen Sie heute
noch ab. Ich kann nichts mehr für Sie thun.
Armin war ein schlanker junger Mann von
25 Jahren. Krauses schwarzes Haar, ein Bärt-
chen über der Oberlippe, große blaue Augen und
ein regelmäßig geformtes Gesicht machten ihn zu
einer interessanten Erscheinung. Viele, und zu
diesen zählten die Damen, hielten ihn für einen
schönen Mann. Seine Toilette war stets muster-
haft. Heute war er nach dem neuesten Pariser
Schnitt sommerlich gekleidet. An seinen Stieseln
silberne Sporen, obgleich er schon seit längerer
Zeit kein Pferd mehr hielt, es fehlten ihm die
Mittel dazu.
— Ich habe keine Verdächtigung aussprechen
wollen, begann er nach einer Pause. Meine
Worte, die Sie verletzten, waren nur ein Ausruf
der Bestürzung. Herr Doktor, man hat mich oft
 
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